ARD-Dokumentation: Facebook – Milliardengeschäft Freundschaft

Christian Spließ: Das Dokumentationsformat „die story“ beleuchtet in 45 Minuten den Komplex Facebook. Sie erhellt einige Aspekte, bleibt aber leider manchmal etwas im Ungefähren.

In Zusammenarbeit mit der BBC erstellte der NDR eine Dokumentation über Facebook. Dem Sender gelang es Marc Zuckerberg vor die Kamera zu bekommen, ebenso aber auch die Kritiker des Sozialen Netzwerks – so unter anderem Thilo Weichert. Sowohl in der Mediathek als auch bei Youtube kann man sich die gesamte Dokumentation anschauen:

Was die Dokumentation immerhin klarstellt und was sie richtig macht: Sie zeigt wie tief mittlerweile Soziale Netzwerke an sich im Leben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingedrungen sind. Dass man sein ganzes Leben lang Dinge postet ist für Jugendliche selbstverständlich, das Nachdenken darüber was Facebook mit den eigenen Daten macht ist weniger ausgeprägt. Insofern verdeutlicht die Dokumentation, dass wir hier in Deutschland bei der Vermittlung von Medienkompetenz noch viel zu tun haben. Dass Facebook einen „sozialen Raum“ erschafft in dem ich mich sicher fühle weil ich ja nur von „Freunden“ umgeben bin arbeitet die Dokumentation sehr scharf heraus.

Drama und Pathos: Facebook verdient mit Daten Geld!

Manchmal allerdings legt die Dokumentation dann doch ein Pathos an den Tag, dass der Diskussion um Facebook und die Risiken deutlich schadet. So enthüllt die ARD, dass Facebook mit Daten Geld verdienen würde und tut so als wäre das eine Erkenntnis, die man als aufmerksamer Nutzer nicht schon längst wüßte. Fehlt an der Stelle nur noch der obligatorische Trommelwirbel für die passende dramatische Untermalung. Ebenso sollte es längst bewußt sein, dass man Applikationen bei Facebook vielleicht nicht generell den Zugriff auf das Profil gestatten sollte und dass die Spielefirma Zynga zusammen mit Facebook Geld mit Spielen verdient – spätestens seitdem man Pre-Paid-Gutscheine für diese Spiele kaufen kann sollte einem das vielleicht irgendwie bewußt sein. Und immer wieder wird auch jenseits von IX und CT darauf hingewiesen, wie man seine Einstellungen beim Facebook-Profil sicher machen sollte. Insofern: Hier brachte die Dokumentation nichts Neues.

Noch mehr Drama gibts beim Abschnitt der Doku bei dem es um den Datenschutz und Facebook geht. Ich bin mit der Materie als geschulter Datenschutzbeauftragter zwar vertraut, aber selbst ich hatte etwas Mühe den ganzen schnellen Schnitten, der Montage und dem Ton generell irgendwie zu folgen. Geschweige denn aus den Erinnerungen jetzt nachzuvollziehen worum es im Detail ging. Ich befürchte: Ein normaler Zuschauer wird hier allenfalls behalten, dass Facebook nach drei Monaten nicht genau sagt, wie Daten gesammelt und verarbeitet werden. Dass Facebook Probleme mit dem Datenschutz hat: Richtig. Dass man diesen Komplex allerdings nicht in gefühlten fünf Minuten Sendezeit abhaken kann sollte auch klar sein. Leider ist das nicht alles so einfach wie das Fernsehen es immer zeigen möchte. Andererseits: Eine Dokumentation über den Datenschutz könnte auch weniger quotenträchtig sein…

Facebooks Investoren: Hätte, könnte, würde…

Wer hinter Facebooks Investoren wirklich steckt  – es gibt da diverse Spekulationen über Geheimdienste oder andere dubiose Firmen – wäre tatsächlich ein Feld für das sich Journalisten interessieren sollten. Da man aber nun nichts Genaues weiß und offenbar auch mit der BBC nichts weiter rausfinden konnte als vage Verdachtsmomente spult die Doku zeitweise den Ton des Ungefähren und Vagen ab. „Man kann annehmen“… Wer nimmt dort an? Die Journalisten selbst? Die Rechercheure? Wenn ich etwas annehme dann kann es sein, dass dem nun mal nicht so ist – es ist eine reine Annahme, eine Vermutung. Gerade dann, wenn es um das Thema Russland und die Investoren geht bleibt leider vieles vage und offen. Das wirkt dann doch etwas sensationsgierheischend mit Verlaub.

Weiterhin: Offenbar ist den Machern der Dokumentation entgangen, dass man sich a) bei Facebook auch ausloggen kann – was der größte Prozentsatz der Nutzer wohl nicht tut weil es so schön bequem ist eingeloggt zu bleiben – und b) dass mittlerweile jeder Browser auch anbietet Cookies generell zu löaschen. Was allerdings auch keiner tut, weil man sich dann ja bei jedem Shopsystem neu anmelden muss oder bei Youtube oder anderen Diensten. Sicher ist es interessant zu wissen, dass Facebook mit einem Cookie die „Likes“ von Webseiten an den Server vermittelt. Aber noch interessanter wäre es ja zu erfahren, wie der IT-Wissenschaftler in der Dokumentation jetzt über das offene Profil der Freundin an die Daten von dem eigentlich geschlossenen Profil herangekommen ist – wenn er das dann ist, den Eindruck macht die Doku nicht unbedingt. Auch hier viel Mutmaßung, dass man vom Hobby der Freundin auf das Hobby der anderen Person schließen können würde. Das kann sein, muss aber nicht.

Facebook Werbung: Nicht nur Ads

Ja, bei Facebook kann man wie bei Google Ads auch Anzeigen schalten. Und ja, damit verdient Facebook Geld und ja, natürlich nutzt Facebook die Daten der Nutzer dafür genau zu planen welche Werbung wann erscheint – (es sei denn man hat einen Werbeblocker eingeschaltet, dann sieht man die nämlich gar nicht). Auch das ist allerdings kein Geheimnis und keine großartige neue Erkenntnis. Zudem: Die Dokumentation vernachlässigt, dass Facebook auch andere Werbeformen hat, die anders funktionieren – Stichwort Sponsored Stories etwa. Ironischerweise scheinen die Macher der Doku dann die Formen der Werbung ja irgendwie so ganz in Ordnung zu finden, die keine Zielgruppe anvisiert. Die ARD dürfte das sicherlich erfreuen.

Die Dokumentation ist ein Beispiel dafür, dass man einen Teil für das Ganze nimmt. Man greift sich Facebook heraus – man hätte sich ja auch mal Jappy oder Google+ anschauen können stattdessen, vergessen hat man wohl die Aufregung um die Datendiebstähle bei StudiVZ in den 90gern, lange Zeit war ja auch Google selbst die „Datenkrake“ schlechthin – und zeigt damit, dass es in Deutschland an etwas anderem mangelt. An der Vermittlung von Medienkompetenz nämlich. Ich persönlich sehe Facebook auch durchaus kritisch, ja. Andererseits aber halte ich nichts davon wenn man nur die eine Seite der Medaille zeigt, die Risiken, ohne auch zu zeigen wie man diese Risiken vermeidet. Daran kranken momentan alle Dokumentationen über Soziale Netzwerke, es ist aktuell irgendwie ein sehr eindeutiger Tenor zu spüren, der eher in Richtung Angstmache geht. Aber Angst ist generell ein schlechter Ratgeber.

Facebook: Risiken kennen um damit umgehen zu können

Auch ich bin nicht so naiv zu glauben, dass Facebook wirklich – wie das Zuckerberg in den Interviews von sich gibt – an dem Aufbau einer idyllischen heilen Gute-Nachbar-Welt arbeitet. Facebook will Geld verdienen. Das ist legitim. Nicht legitim ist, dass Neuerungen hinter den Rücken der Kunden eingeführt wurden und die Regeln des Anstands verletzt wurden. Es geht aber nicht darum nun generell ein Facebook-Verbot auszusprechen. Wie man in der Doku erkennt, kann selbst ein 12jähriger nicht davon abgehalten werden sich ein Profil anzulegen, obwohl man das erst ab 13 können soll. Tricks und Wege gibt es immer um an das Verbotene zu kommen – und sei es, dass die werte Gattin einen den Apfel verlockend vors Gesicht hält.

Nein, es geht darum einerseits die Risiken zu kennen um andererseits mit ihnen umgehen zu können. Wie im Straßenverkehr auch: Natürlich kann ich einfach so die Straße überqueren, ich kann aber vorher auch nach rechts und links schauen um sicherer zu sein. Wenn ich also weiß, dass Facebook mit meinen Daten Handel treibt bin ich vielleicht nicht mehr bereit jede Kleinigkeit in Sozialen Netzwerken von mir preiszugeben. Genau das müssen wir aber lernen um es weitergeben zu können. Es bleibt da aber noch eine Menge zu tun.

One thought on “ARD-Dokumentation: Facebook – Milliardengeschäft Freundschaft

  • Reply Eva Ihnenfeldt 14. Februar 2012 at 07:09

    Mir ging es wie Dir – ich war enttäuscht. Eigentlich war der Bericht nur für Leute, die noch überhaupt keine Ahnung von Facebook haben. Was mich aber richtig geärgert hat, war diese dramatische Aufmachung und die kameratechnische Bloßstellung der Facebook-User, denen die Kamera genüsslich fast ins Gesicht gekrochen ist. Ne, aus dem Altersind wir raus – wir wollen guten Journalismus und keine Reportagen ala Frauentausch…

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