Eva Ihnenfeldt: In den letzten Tagen sorgten Berichte in Zeitungen wie im Handelsblatt für Diskussion, in denen die Vermutung geäußert wird, dass Computerspiele die Intelligenz fördern. Forscher der Uni Würzburg hatten Kinder aus Förderschulen durch ausgewählte Denkspiele am Computer so gut fördern können, dass sich der Intelligenzquotient innerhalb von sechs Wochen um 11 Punkte steigerte – ein phänomenales Ergebnis gerade bei diesen Kindern. Was bedeutet das und was für Schlüsse ziehe ich aus diesen und ähnlichen Studien, von denen es zwischenzeitlich schon hunderte gibt?
Wir kommen in ein Zeitalter, in dem Schnelligkeit, Multitasking, Entscheidungsintuition und Reaktionssicherheit zum Alltag gehören. Schulen und andere Lehranstalten müssen den Lernenden nicht mehr primär beibringen, Wissen zu behalten sondern Wissen genau in dem Moment zu finden, in dem es gebraucht wird. („Eine Information, die wirklich wichtig ist, wird mich finden“)
Logistik des Denkens ist der neue Weg, Hilfe zur Selbsthilfe im Dschungel der unzähligen Daten und Informationen. Erwachsene scheitern häufig an diesem Zwang, sich ständig fortzubilden und Neues mitzubekommen. Alle, die Social Media im Beruf leben, kennen das: Man muss täglich über RSS-Feeds, über Twitter, Facebook und Google erfahren, was es wieder an neuen Entwicklungen gibt. Es gibt keinen festen Besitzschatz mehr für Wissen, der Wissens-See wird zum Info-Fluss – und der fließt immer schneller, immer schneller.
Auch als Dozentin bemühe ich mich, den Teilnehmern weniger statisches Wissen zu vermitteln als die Kunst, sich ständig auf dem Laufenden zu halten, als die Kunst, schnell an genau die Informationen zu gelangen, die ich brauche – ob im Beruf, ob privat oder gesellschaftlich. Und die Kunst, die Flut der Informationen zu analysieren, zu gewichten, herauszufinden, welche Informationen vertrauenswürdig und relevant sind.
Es geht um die Kunst, latent Wichtiges zu archivieren, sich im Web ein Kurzzeitgedächtnis (wie über Twitter), ein mittelfristiges (z.B. mit RSS-Feeds, Bookmarks und auch Facebook) und ein Langzeitgedächtnis (Blog, Dropbox etc.) anzuschaffen, so dass ich meinen Gedächtnisspeicher entmüllen kann und frei bin von unnütz verstopfenden Erinnerungen. Auswendig Gelerntes belastet wie eine Messi-Wohnung 😉
Unsere Kinder lernen spielerisch, sich den Anforderungen der neuen Zeit zu stellen. Sie lernen nicht mehr über Strafen und Verkrampfungen, sie lernen über Spaß und Selbstvertrauen. Sie werden viel schneller, wenn sie angstfrei genau das tun, was sie am meisten begeistert – und genau das können Computerspiele vermitteln.
Man kann Geographie auch mit James Bonds Abenteuern lernen (sehr gut sogar), man kann Mathematik und Physik hervorragend begreifen, wenn man eine Kathedrale im Netz baut, man kann Soziologie, Pädagogik, Philosophie und Religion erfahren, indem man sich mit vielen Menschen auf der Welt über Communities austauscht, Fotos, Gespräche und Videos aus den jeweiligen Kulturkreisen miteinander teilt.
Strategiespiele wie das viel verschrieene World of Warcraft trainieren Gehirnzellen wie man auch Muskeln im Fitnessstudio trainiert, und virtuelle Welten ermöglichen Trainingssituationen, die im wirklichen Leben den meisten Menschen verwehrt bleiben (z.B. Skispringen, Fliegen, Boxen). So wächst das Gehirn immer schneller, baut sich ganz neue Verbindungen, vernetzt und verbindet neue Nervenstränge.
In den Schulen hingegen, die in den allermeisten Fällen auf herkömmlichen Lehrmethoden bestehen, versagen diese Kinder zusehends. Sie schalten ab, betrachten den Lehrer wie ein langweiliges Fernsehprogramm, holen versäumten Schlaf nach (wenn die mal wieder bis in die Nacht gezockt haben) und können häufig noch nicht einmal ausrechnen, was ein Viertel mal ein Achtel ist (wissen Sie das Ergebnis?)
Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch nach Lernen giert, dass Lernen vielleicht sogar eine stärkere Antriebsfeder ist als Geld oder Macht. Wenn wir damit anfangen könnten, Vertrauen in die Lernbereitschaft unserer Kinder zu bekommen, könnten wir auch damit anfangen, sie genau bei ihrem Lernhunger zu erwischen – ihnen genau in dem Moment, wo sie lernbereit sind, das an Stoff zu bieten, was sie gerade lernen wollen.
In Südamerika hat es einen Geistlichen gegeben (ich habe die Geschichte bei einem Vortrag von Vera F. Birkenbihl gehört), der Kindern aus armen Familien auf außergewöhnliche Weise Lesen und Schreiben beibrachte. Er setzte sich geduldig neben ein Kind, das ein aufgeschlagenes Buch vor sich hatte. Immer wenn das Kind auf ein Wort zeigte, nannte er die Bedeutung. Immer wenn das Kind nach den einzelnen Buchstaben fragte, antwortete er auf genau diese Frage. – Er wurde dann verhaftet und eingesperrt, weil die Lernerfolge so großartig waren, dass er dem Regime verdächtig vorkam…
Computer und das Internet ermöglichen auf ganz revolutionäre Art und Weise, diesen geduldigen Geistlichen zu ersetzen. Zwar ist menschliche Nähe und menschliche Zuwendung unabdingbar – doch in Kombination mit Selbstlernprogrammen können wir unsere Kinder so individuell fördern, dass wir kein Einziges mehr verlieren durch schlechte Noten, durch Druck, durch Versagensgefühle, durch Aussonderung und durch ungesunden Wettbewerb, der Neid, Schuldgefühle und Kummer mit sich bringt.
Intelligente Kinder durch Computerspiele: hier einige Berichte von den Studienergebnissen der Uni Würzburg
Gulli.com
Handelsblatt
Berliner Morgenpost
Eva Ihnenfeldt
Unternehmensberaterin und Dozentin
PR-Agentur und Social Media Agentur SteadyNews
Rheinlanddamm 201
44139 Dortmund
Tel.: 0231/ 77 64 150
Mobil: 01761/ 77 64 150
E-Mail: [email protected]
Hah! Die Studien belegen genau das, was ich früher immer meinen Eltern gesagt habe, wenn die der Meinung waren ich würde zu viel Zocken 😉
Es wird jedoch eine entscheidend sein, welche Art von Spielen man spielt. Meine Favoriten waren da immer Strategiespiele, die nur von Nerds gemocht wurden 🙂 Jedoch habe ich immer behauptet, dass ich dadurch meine Fähigkeiten trainieren würde viele Dinge gleichzeitig im Überblick zu halten und auch langfristige Strategien zu planen.
Inzwischen habe ich leider kaum noch Zeit für solche Späße, allerdings ersetzt die Arbeit auch diese Spiele. Das Web 2.0 bietet genügend Möglichkeiten „spielerisch“ zu arbeiten. Dieser Markt nennt sich in der Softwareentwicklung übrigens Gamification (Spielifizierung) und scheint sich seit den letzten Jahren als ein eigenes Buzzword zu entwickeln…
Toller Artikel!
Nicht wahr? Jede Generation schaut misstrauisch auf die nächste und denkt, sie selbst war viel „besser“. Doch jede Generation bringt Fortschritt im Denken, Fühlen, Handeln. Und ich bin sehr gespannt darauf, wie sich diese neuen Fähigkeiten auf unser Zusammenleben und Arbeiten auswirken werden. Ich mag die jungen Leute wirklich gern.