R + V Werbespot gegen Egoismus: Dürfen Marken ethische Fragen für Werbung nutzen?

Anfang 2020 hat die Versicherungsgesellschaft R + V eine Werbekampagne gestartet, die kontrovers diskutiert wird. In dem einminütigen Werbespot (hier eingebettet im Beitrag) werden Menschen dargestellt, die unter der heutigen Welt leiden. Angeprangert werden „Egoismus“ und „Profit“. Am Ende des Spots wird empfohlen, sich bei der R + V zu versichern, da diese auf Gemeinschaft und Fürsorge aufgebaut sei. Nun die Frage: Dürfen Marken gegenwärtige Trends und gesellschaftliche Fragen aufgreifen, um für die eigenen Produkte zu werben? Oder werden bei Kampagnen wie dieser Grenzen überschritten?

Von Werbung und Glaubwürdigkeit

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wir wissen, dass Glaubwürdigkeit gerade heute in der digitalen Transformation wichtig ist, um sich  orientieren zu können. Misstrauen kann leicht zu psychischen Problemen führen – und mit unserem Harmoniebedürfnis suchen wir nach Partnern und Anbietern, die ehrlich sind und auf deren Wort man sich verlassen kann.

Wenn sich eine Versicherungsgesellschaft mit „Du bist nicht allein“ auf die Seite derer stellt, die den Egoismus und die profitorientierte Gier anprangern, klingt das doch großartig. Der Spot ist so aufgebaut, dass er zunächst ausschließlich die Emotionen der Menschen anspricht mit berührenden Bildern und Worten – und erst in den letzten 20 Sekunden auf die eigene Marke zu sprechen kommt (mit einer nostalgisch schönen Rückschau aus den fünfziger oder sechziger Jahren).

Warum R + V für ein „Du bist nicht allein“ steht, wird nicht aufgeklärt. Wer diese große Versicherungsgesellschaft kennt weiß wohl, dass sie auf genossenschaftlicher Organisation beruht. Eigentlich passt also der Ansatz – oder?
nicht-allein.de – Website zur R + V Werbekampagne

Kaufentscheidungen werden (auch) über Werte getroffen

Mir persönlich hat der Werbespot überhaupt nicht gefallen, da ich das Gefühl hatte, dass die Emotionen und Ängste der Zielgruppe regelrecht missbraucht werden, um für Versicherungsprodukte zu werben. Natürlich kann es sein, dass die Versicherung der Volksbank- und Raiffeisenbanken großzügiger ist bei Schadensfällen als so manch andere Versicherungsgesellschaft – doch da das nicht thematisiert wird, ist es für die Botschaft des Spots unerheblich.

In der heutigen Zeit werden Kaufentscheidungen häufig über Werte getroffen. Wir suchen nicht mehr unbedingt nach Produkten, die einen besonders günstigen Preis für eine besonders gute Qualität bieten – wir suchen nach Bindung zu Unternehmen, die ähnliche Wertesysteme vertreten wie wir selbst (Love Brand) und die glaubwürdig nach diesen Prinzipien wirtschaften.

Schade ist es, wenn Agenturen Werbekampagnen durchführen, die mit der Unternehmenskultur bzw. mit der Führungsstruktur nicht verbunden sind. Das mag manchmal funktionieren, doch meist verpufft die Wirkung – oder wandelt sich sogar ins Negative, weil die Menschen sich missbraucht fühlen.

Bleibt zu hoffen, dass R + V hier nicht nur eine Kampagne in Auftrag gegeben hat, die dann wieder verschwindet – sondern dass der Ansatz auch in der Unternehmenskultur mit den Mitarbeitern diskutiert wurde und wird – und dass es weitergeht mit dem Ansatz, sich für mehr Solidarität und gemeinschaftliche  Verantwortung einzusetzen.

Also, einfach ma selbst prüfen: Wie empfinden Sie den Werbespot von R + V? Fühlen Sie sich angezogen – lässt es kalt – oder fühlen Sie sich sogar abgeschreckt?

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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