17 Prozent aller Jugendlichen gaben bei der Befragung zum Thema Cybermobbing an, sie wären selbst schon einmal Opfer geworden (Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“). Ob Beleidigungen, Lügen, Nötigungen oder sich verbreitende Gerüchte, Cybermobbing hat noch einmal andere Qualitäten als das klassische Mobbing im „Offline Leben“. Nun überlegen Deutschlands Justizminister der Länder, einen eigenen Strafbestand für Cybermobbing einzuführen – aber ist das der richtige Weg? Wie unterscheiden sich Mobbing und Cybermobbing?
Was ist der Unterschied zwischen Mobbing und Cybermobbing?
Mobbing
Mobbing in der Schule kennen wir alle, wenn nicht als Opfer, so als Täter oder Zeuge. Einige von uns haben schon Mobbingopfer beschützt – die meisten
werden sich ungern erinnern an das „Opfer“ der Klasse, das von Mitschülern und/ oder Lehrern permanent fertig gemacht wurde.
Ich selbst hatte einen Jungen in der Klasse, der irgendwann Selbstmord verübt hat. Ob ich ihm geholfen habe? Nein, diese Welt der Cliquen-Jungen, die gröhlend und skrupellos Witze über andere rissen, blieb mir fremd und hatte mit meinem Leben nichts zu tun. Lehrer waren eher Täter-Komplizen als Opfer-Schützer. Ich hätte zur Schulleitung gehen können -aber das wäre mir sicher schlecht bekommen. Und mit dem Jungen wollte ich nicht in Verbindung gebracht werden – sobald man sich mit ihm beschäftigte, wurde er so anhänglich, dass es eine bedrückende Last wurde.
Im Arbeitsleben wird Mobbing dann komplizierter, professioneller, versteckter. Häufig stecken Vorgesetzte dahinter, die unliebsame Mitarbeiter mundtot machen bzw. vernichten. Beleidigungen, Gerüchte und Lügen sind viel schwerer nachzuweisen, da die Methoden raffiniert sind – und nicht selten unterbewusst ablaufen. Wer redet nicht ab und zu hinter dem Rücken schlecht über seine Kollegen? Wer beschwert sich nicht gern über unfähige Mitarbeiter, Vorgesetzte, Auszubildende? Menschen brauchen schlechte Rede, um sich als Kollektiv sicher zu fühlen. Über Abgrenzungen entstehen Gemeinschaften, und über komplizenhafte abwertende Reden werden glücksbringende Hormone ausgeschüttet. Man erhöht sich, indem man andere erniedrigt – so ist der Mensch.
Cybermobbing
Cybermobbing unterscheidet sich vor Allem dadurch vom herkömmlichen Mobbing, dass es häufig in der Öffentlichkeit stattfindet , dass Cybermobbing 24 Stunden am Tag möglich ist, dass es sich womöglich viral verbeitet- und dass es häufig anonym passiert. Gerade Foren sind ein Sammelbecken für Beleidigungen und Verhöhnungen. Sicher sind wir alle schon einmal auf einen Forumsbeitrag gestoßen, an den sich unzählige abwertende Antworten reihen: „Wie doof kann man sein…“ „Wenn Du nicht einmal weißt, dass….“ „Das ist das Lächerlichste, was ich seit Jahren gelesen habe…“ sind nur die harmlosesten Posts von anonymen Autoren, die sich als Kuschelbär oder RobinHood ausgeben und ihren Frust gern in Foren ablassen.
Ebenfalls ein Sammelbecken von Beleidigungen sind Leserkommentare in Online-Zeitungen, die anonyme Kommentare zulassen. Vor Allem Politiker werden beschimpft, aber auch Prominente sind häufig Opfer von verbalen Auspeitschungen. Alle die die „Flohsprunghöhe“ der Masse überragen, sind gefährdet, denn jede Art von Erfolg zieht Neider an – so ist der Mensch.
Facebook ist ebenfalls beliebt bei allen, die sich aufregen über Politik, Religion, Sport und die Welt der Prominenten. Doch hier geht es gemäßigter zu, da die Klarnamenpflicht als Disziplinierungsinstrument Wirkung zeigt. Bei Twitter herrscht zwar das Recht auf Anonymität, doch die 140 Zeichen-Begrenzung und die rasend schnelle Diskussion scheint für Mobber nicht so attraktiv zu sein. Zumindest in Deutschland ist für die kleine Gemeinde der etwa 150.000 Twitteraner Mobbing kein wirkliches Thema – auch wenn man natürlich gern über Politiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg herfällt.
Cybermobing bei Jugendlichen
Bei Jugendlichen ist es anders. Hier läuft Cybermobbing häufig über WhatsApp und andere Chats. Man ist nicht so richtig öffentlich, und über WhatsApp lassen sich kinderleicht Beleidigungen, diffamierende Fotos, Drohungen und Videos verteilen. Die Betroffenen sind relativ hilflos, da sie sich einer Gruppe gegenüber sehen, die mächtig ist und häufig auch im Offline-Leben täglich zugegen.
Natürlich sind auch Mobbing-Kampagnen und herabwürdigende Kommentare bei Facebook kein Kinderspiel. Man denke nur an die Facebook Aufrufe zur Lynchjustiz gegenüber angeblichen Sexualstraftätern. Hier wird an die niedrigsten Instinkte im Menschen appelliert („Hängt ihn höher!“) – und leider sehr erfolgreich – so ist der Mensch.
Sollten wir einen neuen Strafbestand „Cybermobbing“ einführen?
Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich ad hoc nicht beantworten kann. Auf der einen Seite bin ich froh und dankbar, dass das anonyme Internet es ermöglicht, Dinge zu erfahren, die wir nicht erfahren sollen (Videos von Polizeigewalt, Berichte von Machtmissbrauch, Intrigen etc.) auf der anderen Seite erschreckt mich immer wieder, wie skrupellos viele Mitmenschen das Web missbrauchen, um ihre primitiven Instinkte zu befriedigen. Ich finde es schrecklich, wenn Jugendliche und Prominente Angst haben, sich entblößt fühlen und zum Spott werden.
Mein persönliches Fazit: Ich glaube nicht dass neue Gesetze der richtige Weg sind. Ich glaube dass Schulen sehr viel Einfluss besitzen, um die Täter zu „erziehen“ und die Opfer zu schützen. Ich glaube, dass Mediatoren, Sozialarbeiter und pädagogisch geschulte Lehrer auch ohne den Ruf nach dem Staatsanwalt sehr wirkungsvoll agieren können (und weitaus preiswerter sind als juristische Verfolgungen). Cybermobbing ist im Gegensatz zu Mobbing hervorragend dokumentierbar. Sceenshots sind immer möglich – auch bei WhatsApp – und die Identifizierung der Täter ist meistens leichter möglich als bei klassischen Mobbing-Attacken.
Keine neuen Strafbestände bitte, der Glaube an Gesetze und Kontrollfunktionen ist zwar vielleicht liebenswert, aber er zieht meist nur unnötige Auseinandersetzungen und langwierige Prozesse nach sich. Da wird dann viel Geld und menschliche Energie verbrannt – und wenn ein Kopf der Hydra abgeschlagen wird – wachsen gleich mehrere neue nach. Nein, lasst uns an uns selbst arbeiten und darauf achten, dass wir unsere „Mobbing-Lust“ umwandeln in konstruktives Miteinander, in Respekt und Mitgefühl. DAS allein ist der Weg, um jungen Leuten zu helfen und Cybermobbing zu minimieren.
[…] das für ihn sogar von Vorteil. Beweggründe sind etwa eine hohe Abfindung oder das Verlassen eines toxischen Arbeitsumfelds. Die rechtlichen Nachteile fallen allerdings nicht minder ins Gewicht: geringere Rechte wie ein […]