Als Menschen, der gerne zuhört und dialoginteressiert ist habe ich Reinhard Wiesemann, den Gründer des UPHs, kennengelernt. Manchmal in seinen Formulierungen im Newsletter vielleicht eine Spur zu idealistisch, manchmal vielleicht auch ein wenig über das Ziel hinausschießend – aber eigentlich hätte ich gerade von Reinhard Wiesemann nicht gedacht, dass ausgerechnet er einen Fehltritt begehen würde, der weit über das hinausgeht was ich in den letzten Jahren zum Thema Shitstorm gesehen habe. Während ich dies schreibe ist die Sache noch lange nicht für das UPH ausgestanden, es lohnt sich aber zu analysieren, was da bisher vor sich gegangen ist. Und vielleicht kann man aus diesem Worst-Practice für sich und das Unternehmen noch etwas lernen.
Der Anlass für den Shitstorm beim UPH war ein Rundschreiben des Gründers, in dem er ankündigte, das UPH würde die Räume für die Gründungsversammlung der Bürgerwehr Essen zur Verfügung stehen. Das löste bei etlichen schon Stirnrunzeln aus, denn Bürgerwehren sind nicht gerade als Hort der Demokratiebewahrer bekannt. Meistens, so haben das die Erfahrungen gezeigt, versammeln sich hier Menschen, die eher in Richtung der braunen Vergangenheit unseres Landes denken. Jedenfalls begründete Wiesemann den ungewöhnlichen Schritt folgendermaßen:
Mehrere Gespräche gestern und heute mit der Polizei Essen (die Polizei hat Kontaktbeamte, die jede(r) einfach mal um Rat fragen kann) haben mich in dem Gedanken bestätigt, dass bürgerschaftliches Engagement für mehr Sicherheit legal möglich ist. Aufmerksame Bürger, die hinsehen, wenn etwas passiert, sind ganz eindeutig erwünscht! (…) Und diejenigen, die jede Art von bürgerschaftlichem Engagement für Sicherheit pauschal mit schlimmen Erfahrungen aus der Nazizeit gleich setzen, sollten bitte akzeptieren, dass bürgerschaftliches Engagement in JEDEM Bereich normal ist. Bei der Altenpflege gibt’s Profis UND hilfsbereite Nachbarn, bei der Sauberkeit gibt’s die professionelle Stadtreinigung UND Bürger, die auch mal selbst sauber machen. (…) Wenn ich den Gerüchten glauben kann, dann wollen die Gründer der Bürgerwehr ihr Treffen im Unperfekthaus unter einem unverfänglichen Namen anmelden, und DAS ist eine ganz schlechte Entwicklung: Da wollen Bürger etwas tun, das legal getan werden darf, und sie trauen sich nicht, das offen zu tun???? SCHLIMM!!! Und gefährlich. Denn wenn die Gründer solche Ängste haben, dann werden sie sich nicht trauen, die Polizei einzuladen, damit sie lernen, wie eine Bürgerwehr legal möglich ist.
Dieses Rundschreiben mit der obigen Begründung erreichte auch das Blog der Ruhrbarone, die damit den ersten Stein ins Rollen brachten. In den Kommentaren sammelten sich bald Kritiker und Befürworter – und auch Wiesemann selbst hat dort seine Position erneut dargestellt:
Schade, dass er mein Rundschreiben so überhaupt nicht verstanden hat, und dass er zu denen gehört, die 10mal das Gleiche tun und beim 11.Mal dann ein anderes Ergebnis erwarten. (…) Es gibt eben Menschen, die einen Drang haben, sich für mehr Sicherheit einzusetzen, und was ich geschrieben habe, das ist der Aufruf, diesen Menschen legale und gesellschaftlich nützliche Wege aufzuzeigen, wie sie beitragen können. Denn wenn sie keine legalen Wege finden, dann schließen wir sie aus der Gesellschaft aus, und treiben sie in die Arme der Radikalen.
Damit hätten wir die erste Phase des Ganzen erreicht: Ein kritischer Beitrag erscheint im Internet und es gibt Kommentare dazu. Hier hätte noch die Möglichkeit bestanden, die nächsten Schritte abzuwehren in dem man sehr konstruktiv argumentiert hätte. Was meiner persönlichen Meinung nach bei dem Thema wirklich richtig schwierig wäre, aber gut: Wiesemann geht nicht auf die Sachebene ein. Im ersten Satz kommt er sofort auf die Beziehungsebene – er fühlt sich unverstanden und drischt daher vermutlich ohne weiteres Nachdenken auf die Ruhrbarone ein. Selbst das Argument, das Menschen aus der Illegalität geholt werden könnten klingt gestellt – und weitaus mehr emotionaler als man auf den ersten Blick liest. Was folgt ist eigentlich absehbar: Ein Haufen von Kommentaren erreicht die Ruhrbarone, die Mehrheit davon stellt sich gegen Wiesemann – teilweise ebenfalls emotional, teilweise auch recht sachlich. Da die Ruhrbarone das Image eines kritischen Blogs haben, das durchaus Missstände aufzeigt und eine gute Reputation kommt ihnen jetzt ihre Weiße Armee zu Hilfe. Also die eigenen Fans.
PR-Desaster vorprogrammiert
Kurze Zeit später schaltet sich die Initiative „Essen stellt sich quer“ in den Kommentarbereich der Ruhrbarone ein. Und bringt neue Fakten:
In der Facebookgruppe Bürger (wehr) Essen (>200 Mitglieder) gibt es allerdings auch Aktivisten der Pegida-NRW, Aufrufe zur Teilnahme an rechtsradikalen Demonstrationen und Fotos mit denen Straftaten abgefeiert werden. Was Herr Wiesemann in seiner Mail anspricht sind Gruppen wie es sie bereits z. B. in E-Kettwig und E-Haarzopf gibt. Nur diese Gruppen haben eben nicht den Anteil rechtsradikaler (sic!) in der Gruppe, die tolerieren eine rechtsradikale Meinung auch nicht. Uns macht die Akzeptanz rechtsradikaler Äußerungen und die Vehemenz mit der Werbung (auch von mind. einem Admin der Gruppe) für Pegida NRW betrieben wird sehr misstrauisch. Herr Wiesemann, bzw seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden von verschiedenen Seiten über die Gruppe informiert.
Auf der Facebookseite des UPH gibts zu dieser Zeit folgenden Kommentar:
So ist also ein Shitstorm ;-). Unten das Rundschreiben, um das es geht im Original.
Anscheinend nimmt man das Ganze bisher nicht sehr ernst und damit macht man einen gewaltigen Fehler. Wer in einem Shitstorm steckt sollte die Sachlage erst einmal analysieren. In Ruhe. Das heißt nicht, dass man jetzt nicht schon reagieren sollte, aber ein Posting in dem Sinne „Hallo, ja, wir haben die Kritik an uns wahrgenommen, wir beschäftigen uns damit, wir werden sicherlich darauf reagieren“ sollte schon gemacht werden. Das UPH allerdings begibt sich erneut auf die Beziehungsebene des Ganzen und vermittelt, alle Anderen hätten Unrecht, man selbst sei aber absolut im Recht. Diese Haltung zieht sich bis jetzt übrigens komplett durch alle Postings und alle Stellungnahmen des UPHs zum Thema durch. In dem Gestus werden auch Kommentare kommentiert. Man geht also nicht auf die Kritiker ein sondern postet nur das, was die eigene Position bestärkt – und hat damit das Schlachtfeld für die nächsten Tage schon verloren.
Frappant: Die Menge derer, die den Schritt des UPHs für richtig halten sind gegenüber denen, die sachliche Kritik äußern definitiv in der Unterzahl. Die Weiße Armee, die bei den Ruhrbaronen greift und diese unterstützt fühlt sich bei der Sachlage des UPHs also entweder nicht angesprochen oder scheint den Machern einfach zu signalisieren, dass die tatsächlich zu weit gegangen sind. Dem UPH fehlt also hier ein entscheidender Faktor mit dem man eventuell den Shitstorm noch hätte ablindern können.
Von Online zu Offline
„Essen stellt sich quer“ postet dann in Folge bei den Ruhrbaronen und auf der eigenen Homepage Informationen, in denen die Gründer der Bürgerwehr Essen definitiv nicht in einem guten Licht dastehen lassen – vor allem die eigenen Bekanntmachungen der Gründer beseitigen jetzt wohl bei allen, die bisher eher fürs UPH waren die letzten Zweifel wessen Geistes Kind die Macher der Bürgerwehr Essen sind. Die Ruhrbarone dokumentieren weiterhin das Geschehen. Auf der UPH-Seiten gibts sachliche Kritik, die allerdings ignoriert wird .Wesemann rückt nicht von seiner Position ab obwohl auch bei der Facebook-Fanpage des UPHs allmählich deutliche Hinweise gepostet werden, dass die Gruppe alles andere als politisch unbeleckt ist. Wiesemann fühlt sich offenbar von der Kritik immer stets persönlich angegriffen – deswegen sollte man immer bei solchen Dingen Abstand halten und erstmal Luft holen. Wer im Zorn postet, wird die Wut ernten und die Rolle des Unverstandenen kann man nur dann spielen, wenn man Klaus Kinski heißt. Selbst dann würde ich davon abraten.
Klar ist auch, dass das Ganze jetzt nicht nur online sondern auch offline wird: Die Gründung der Gruppe sollte ja im UPH letzten Freitag erfolgen und war auch angemeldet und bekannt. Dass sich dann eine Demonstration organisiert, die vor Ort ihre Meinung kundtun möchte ist dann nur folgerichtig, verleiht diesem Shitstorm aber nochmal eine ganz andere Facette, in der Regel ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Shitstorm sich auf das Offline-Leben auswirkt. Das gab es jedenfalls in dieser Form noch nicht. Ebenfalls greift die Politik nun ein – DIE LINKE in Essen schreibt einen offenen Brief an Wiesemann und hebt dadurch den Shitstorm noch auf eine weitere Ebene:
Allein die Anmeldung unter einem falschen Etikett sollte Sie erschrecken lassen. Denn das ist die übliche Methode von Neonazis, die wissen, dass sie nicht erwünscht sind: sich unter einem Deckmantel in Lokale einzumieten, deren Wirte ansonsten niemals an sie vermietet hätten. Die Facebook-Gruppe, über die die Mobilisierung erfolgte, ist mittlerweile geschlossen, so dass man von außen nicht mehr hineinsehen kann. Jedoch ist bekannt, dass sich darunter einige auch überregional bekannte Rechtsextremisten befinden. In den Kommentaren wurde ordentlich gegen Flüchtlinge bzw. „Ausländer“ im Allgemeinen gehetzt.
Das Kommunikationsverhalten der letzten Zeit hatte zwar gezeigt, dass die Position von Wiesemann nicht veränderbar war und ist – immerhin stellt er sich bei der Demonstration am Freitag von „Essen stellt sich quer“ den Demonstranten – aber selbst wenn jetzt noch eine Entschuldigung oder eine Argumentation kommen sollte; wenn sich die Politik in die Ereignisse einschaltet, kann man nicht mehr gänzlich unbeschadet aus der Sache rauskommen. Der Skandal, der zuerst nur online stattfand, ist jetzt in einem Stadium angekommen in dem die Politiker der Stadt Essen Stellung nehmen müssen – gezwungen dazu vom offenen Brief der Linken. Und diese Stellungnahmen können nur negativ ausfallen. Was das UPH auch sonst noch tut, es hat eigentlich schon verloren – das weiß es aber offenbar noch nicht. Sonst würde man nicht so etwas am Sonntag Abend noch posten:
Aber ich bedanke mich NICHT bei denen, die sich ihrer Meinung so unglaublich sicher sind, dass sie andere Meinungen nicht gelten lassen, dass sie zu Boykott aufrufen, das Unperfekthaus schädigen, wo sie können (wir haben unzählige katastrophale Bewertungen bekommen), die Events im Unperfekthaus stornieren und alles tun, um unsere wirtschaftliche Existenz zu beschädigen.
Insgesamt gesehen ist das Verhalten des UPH ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Man hätte frühzeitig reagieren müssen, man hätte mit den Kritikern reden sollen, man hätte das, was im obigen Posting als fehlenden offenen Dialog angemahnt wird selbst praktizieren müssen. Stattdessen stellt man sich auf die Position, man selbst habe Recht, alle anderen Unrecht, ignoriert die mahnenden Stimmen und verhält sich beleidigt und angefressen. Das Jahr 2016 liefert damit also einen Worst-Practice-Fall bei der Krisen-PR und ich bin mir sicher, das UPH taucht als Beispiel noch in etlichen Jahren auf diversen Folien in diversen Vorträgen auf. Man kann einen Shitstorm halt nicht mit einem Smiley hinweglächeln.
Christian Spließ, Social Media Manager, machte schon Social Media als es noch Web 2.0 hieß. Seit 2004 beobachtet er die aktuellen Entwicklungen und hilft mit Rat und Tat, wenn es darum geht Inhalte kompetentgenau an die Zielgruppe zu vermitteln.
Hallo Christian, vielen Dank für die tolle inhaltliche Auswertung. Ich werde in den kommenden Tagen mal Zahlen dazu in die Runde schmeißen, um das Ausmaß besser einschätzen zu können. Sprich, wir messen gerade bzw. seit Beginn des Ganzen, was sich im Netz und im Print-Bereich tut. Wenn es bei uns im Blog steht, dann werde ich mal das hier anpingen.
Grüße und gute Nacht.
Maik
Da bin ich wirklich gespannt drauf. Danke, Maik.
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Schreib mal „Unperfekthaus“ in den Titel – sonst weiß kein Mensch außerhalb von Essen, oder der engsten Bubble, um was es geht.
[…] Wenn die weiße Armee fehlt: Das UPH im Shitstorm (Steadynews) – Nach dem Eklat um das Unperfekthaus und ein mögliches Gründungstreffen einer Bürgerwehr […]
Et voila. https://www.caretelligence.de/das-unperfekthaus-im-shitstorm/
Um es vorweg zu nehmen, es hielt sich medial im Vergleich doch in Grenzen. Wobei sich das subjektiv natürlich anders anfühlen dürfte. Zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass wir ausschließlich die Wortgruppe „Unperfekthaus“ gemessen haben. Nichts mehr, nichts weniger. Nebengespräche ohne die Erwähnung des UPH sind also nicht mitgezählt. Dennoch.
Schönes Wochenende!
Maik
Danke!!!!!
Gute Auswertung, danke!
Aber dennoch ein Hinweis: Der hier maßgebliche Mensch auf Seiten der Ruhrbarone, Stefan Laurin, zeigt gerade bei einem Artikel zu Pegida/BILD/dem Bildblog, dass er selbst nicht sehr viel von demokratischen Finessen wie z. B. dem Pressekodex hält. Er ist nicht auf dem rechten, aber scheinbar dafür auf dem linken Auge blind …
Insbesondere die Kommentare sind interessant!
http://www.ruhrbarone.de/bildblog-hat-ein-herz-fuer-den-galgenmann/120824