In Lehrgängen, Schulungen und Coachings erlebe ich fast jedes Mal, das die Unternehmen Social Media zunächst betrachten als „Alten Wein in neuen Flaschen“ (wie es schön einmal eine erfolgreiche Geschäftsfrau formulierte in einer Händler-Schulung). So, als würde man heute wie in einem Selbstbedienungsrestaurant seine Anzeigen und Werbeflyer selbst erstellen müssen bei Facebook und Co. So, als läge der Unterschied vor Allem darin, dass Social Media Werbebotschaften einen anderen Verbreitungskanal hätten als die vertrauten regionalen Tageszeitungen. So, als würde man über Social Media an die jungen Zielgruppen herankommen, die ja nun nur noch ins Handy starren anstatt Zeitung zu lesen.
Da ist es dann meine Aufgabe als Trainer, diese verständlichen – doch verkrusteten – Denkmuster aufzubrechen und den Spaß an der interaktiven Kommunikation zu vermitteln. Nichts gegen Online-Werbung bei Facebook und Co – doch Social Media ist netzwerken, ist Dialog, ist Beziehungspflege. Und wenn man das einmal verstanden und akzeptiert hat, bieten sich viele viele Spielarten an, von denen ich Einige im Folgenden vorstellen möchte.
Einige Spielarten von Social Media
Kundenservice: Am Einfachsten und Verständlichsten ist wohl der Bereich Kundenservice. Alle Unternehmen, die erklärungsbedürftige Produkte haben, die auf Bewertungen angewiesen sind, die häufig mit ratsuchenden Kunden zu tun haben – die vielleicht auch ein Call-Center für den Kundensupport einsetzen, können Social Media wunderbar einsetzen, um die 4-Augen-Kommunikation in den öffentlichen Raum zu bringen. Auch wenn es bisher nur wenige Kunden sind, die lieber über Facebook oder Twitter an das Unternehmen herantreten als über das Telefon, ist das sehr wertvoll. Denn hier kann man der ganzen Welt zeigen, wie hilfsbereit und kompetent man reagiert. So werden aus Beschwerde-Kunden Markenbotschafter. Also absolut top: Social Media als Kundenservice-Guckfenster.
Marke und Image: Ideal ist Social Media gerade für StartUps und alle Unternehmen, die auf eine starke Marke setzen. Denn wir wissen ja: Loyalität bildet sich nur über die Liebe zur Marke. Kann man das nicht aufbauen und pflegen, ist der Kunde ein Jäger und sucht nach dem günstigsten Preis. Social Media kann hier der Schlüssel zum Erfolg sein, doch nur, wenn man es schafft, aus den tausenden und abertausenden von Werbebotschaft-Spammern und „Marktschreiern“ herauszuragen wie eine magnetische Lichtgestalt. Social Media Stars sind charismatisch, wecken Sehnsüchte, Identifikation, geben ihren Fans verdammt gute Gefühle. Es ist eine Kunst, das zu schaffen, und es braucht eine Menge Authentizität, Mut und Leidenschaft, um die Herzen der Menschen zu gewinnen. Eine Social Media Marke ist wie ein Popstar. Die Fans warten auf News und bekommen glänzende Augen bei Instagram, Facebook, YouTube und Co. Viele haben es versucht – doch nur wenigen gelingt es…
Suchmaschinenoptimierung: Unternehmen, die bereit sind, Social Media in Erwägung zu ziehen, denken im ersten Schritt meist an SEO. Sie haben vielleicht ihre enttäuschenden Erfahrungen mit SEO-Agenturen gemacht und meinen nun, mit Social Media wird alles ganz einfach: 2, 3 mal in der Woche in Post bei Facebook, ab und zu ein Tweet bei Twitter – und zack, steht das Unternehmen bei Google auf Seite 1 (mit welchen Keywords auch immer). Groß ist da das Erwachen, wenn man sieht, wie verschlungen und indirekt Social Signals auf das Google Ranking einwirken. Ernüchternd zu verstehen, wie strategisch und zeitraubend es ist, über Twitter, Facebook und Co Besucher auf die eigene Website zu bekommen. Deprimierend zu erkennen, wie schwer es ist, aufzufallen im Social Web und echte Fans und Follower für sich zu interessieren. Es geht – keine Frage – doch es ist harte Arbeit und viel Einfühlungsvermögen für die Zielgruppe. Mit dem guten alten Linkbuilding hat Social Media nichts zu tun. Tut mir leid…
Community-Building: Seine wahre Stärke entwickelt Social Media immer dann, wenn Communities gefragt sind. Wenn es darum geht, gemeinsam Ziele zu erreichen, gemeinsam an dem besten Produkt und dem besten Erlebnis zu arbeiten, gemeinsam für eine Sache einzutreten, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Kein Crowdfundunding kann gelingen, wenn das investsuchende Unternehmen „einsam“ an den Start geht. Keine Social Media Kampagne (Wettbewerb, Flashmob, Veranstaltungs-Marketing, virale Kampagne) kann die Herzen ergreifen, wenn es überhaupt noch keine gemeinsame Vereinigung gibt! Social Media bedeutet, Menschen für sich zu gewinnen wie für eine Bewegung. Wenn Kunden zu Fans werden und sich für ihre geliebte Marke im Web einsetzen, dann wird Social Media zum mächtigen Instrument. Doch es ist nur wenigen Führungspersönlichkeiten gegeben, so eine magnetische Anziehungskraft zu entwickeln. Ob Facebook-Gruppe, Forum, Blog oder YouTube-Channel – wer Communies aufbauen und ihr Vertrauen halten kann, der ist mit Social Media gesegnet.
Monitoring: Tatsächlich kann man Social Media wunderbar nutzen, um sich damit ein aussagekräftiges Meinungsforschungs-Institut im Eigenbau zu basteln. Welche Themen kommen bei meinen Zielgruppen besonders gut an? Wer sind meine Influencer? Wer sind meine treuesten Kunden? Welche Stakeholder (Anspruchsgruppen) sind bereit, mit mir zusammenzuarbeiten? Über welche Hashtags, Social Media Kanäle, Emotionen und Kniffe kann ich spannende Menschen kennen lernen, mich viral verbreiten, Kunden gewinnen? Welche Produkte sind gewünscht – und wie kann ich meine Produktlinie daran anpassen? Gerade in Kombination mit Newsletter und Blog erhalte ich über Social Media wertvolle Informationen, die mich im Marketing und in der Produktentwicklung unterstützen.
Markt- und Wettbewerbsanalyse: Social Media bietet wunderbare Möglichkeiten, Wettbewerber zu „stalken“ und von ihnen zu lernen. Mit offenen Augen und mit der nötigen Zeit kann ich viel erfahren über erfolgreiche Strategien und über den Zustand meiner direkten Wettbewerber. Selbst wenn diese (was sehr wahrscheinlich ist) die absoluten Social Media Nieten sind, kann ich beobachten, wie andere über sie sprechen im Social Web. Bewertungen bei Google, kununu und Facebook findet man auch dann, wenn die Unternehmen Social Media strikt verweigern – sie können nicht verhindern, dass über sie gesprochen wird. Und natürlich gibt eine regelmäßige Recherche über Google, Xing und Co Aufschluss darüber, wie Marktbewegungen vollzogen werden. Mit den richtigen Tools kann gerade der Vertrieb schon frühzeitig erkennen, wo gerade etwas entsteht, was nützlich sein kann für das eigene Business. Was für ein Segen!
Kurz und gut: Social Media bietet für jeden etwas – auch für den, dem Beziehungen, Vereinsmeierei und Small-Talk-Kommunikation ein Gräuel ist. Man kann passiv Social Media für die Marktforschung und die Identifikation von Themen, Influencern und Wettbewerbsbewegungen nutzen, ohne selbst groß aktiv sein zu müssen. Doch eins ist klar: Social Media erfordert immer Zeit (mindestens zwei Stunden täglich) und es erfordert immer Lernbereitschaft durchs eigene Tun. Natürlich kann man auch für gewisse Dinge Agenturen einsetzen – doch da Social Media auf Kommunikation und Beziehungspflege beruht, erwartete der Dialogpartner Kompetenz, Authentizität und Glaubwürdigkeit. Und aufgeschlossene Gesprächsbereitschaft. Und die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Und das Vertrauen an die Verantwortlichen und einbezogenen Mitarbeiter, selbstständig Entscheidungen zu treffen und frei zu agieren. Und vor Allem, Social Media braucht Zeit, Zeit, Zeit, Zeit. Wer dieses Opfer nicht bereit ist zu bringen, der wird wohl Enttäuschungen erleben. Doch auch das ist ok – denn wer ent-täuscht ist, kann ja den nächsten Schritt wagen! Also auf in eine gute Social Media Zukunft. Sie wird uns alle erfassen, so wie es einst das Telefon tat…
Bildquelle: pixabay_narciso1
[…] Es wird immer schwieriger, kostenlose Tools zu finden, um Social Media Marketing und Online Marketing zu organisieren. Ist ja auch verständlich, da die Anbieter solcher Tools Geld verdienen wollen. Oft gibt es zu Anfang eine Zeitlang die kostenfreie Nutzung… […]