Mitarbeiter im Beschwerdemanagement haben es schwer. Meist sitzen sie in Call-Centern und müssen in Sekundenschnelle auf die verschiedensten Menschentypen eingehen, ohne diese auch nur sehen zu können. Da gibt es den Choleriker, der ohne Rücksicht auf Verluste in sein Telefon brüllt, da gibt es den Unterhaltungsbedürftigen, der jede Kleinigkeit nutzt, um dem Callcenter-Mitarbeiter stundenlang die Zeit zu stehlen mit seinen ausschweifenden Geschichten und Befindlichkeiten, da gibt es den Buchhalter-Typ, der sich als allwissender Experte aufbläht – ohne dass wirklich Wissen dahinter steckt. Aber ab und zu gibt es eben auch die Freundlichen, die tatsächlich eine sachliche Beschwerde formulieren und an einer konstruktiven Lösung interessiert sind – ach was ist das schön…
Aber kann es sein, dass ich bei Reklamationen bevorzugt behandelt werde, wenn ich drohe, erpresse und einschüchtere? Kann es sein, dass die Freundlichen, die an das Gute glauben und mit zur Verbesserung des Angebots beitragen wollen, ausgenutzt werden, da sich sich nicht wehren?
Heute hatte ich die wunderbare Gelegenheit, zwei Fachfrauen aus dem operativen Beschwerdemanagement genau danach zu fragen. Ich lernte, dass tatsächlich grob vier verschiedene Typen unterschieden werden können bei Beschwerden:
- Die Weltverbesserer (der Beziehungstyp)
- Die Redebedürftigen (der Unterhalter)
- Die Besserwisser (der Buchhalter)
- Die Zweifler (die Inspektoren)
Entscheidend im Beschwerdemanagement ist die gute Schulung der Callcenter-Mitarbeiter. Sie müssen Strategien entwickeln, um mit schwierigen Kunden umzugehen. Sie müssen lernen, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen, wenn sie unsachlich und beleidigend behandelt werden. Sie müssen lernen, sich zu distanzieren und auch einmal innerlich lachen zu können, wenn Jemand seinen Frust abladen will. Sie brauchen einen Fahrplan, um die passenden Reaktionen und Entschädigungen parat zu haben, damit sie nicht erpressbar und bedrohbar sind. Kein Unternehmen kann es dulden, dass Vorteile aus Einschüchterung heraus erwiesen werden, das wäre ein gefährlicher Irrweg, der weitere Fälle nach sich zieht.
Beide Frauen haben mir bestätigt, dass die Freundlichen und Zugewandten Vorteile bekommen, da sich die Callcenter-Mitarbeiter so sehr über diese emotionalen Erholungsphasen freuen. Das Sprichwort „Wie es in den Wald hineinruft, schallt es heraus“ stimmt auch im Beschwerdemanagement. Freundliche Kunden, die sich wünschen, dass auch andere Kunden von der Behebung des Mangels profitieren, sind wichtige Partner für das Unternehmen. Gemeinsam kann man nach Optimierungen suchen und sich auf Augenhöhe austauschen. Solchen „Weltverbesserern“ geben die Callcenter-Mitarbeiter gern zusätzliche Benefefits oder Tipps, um ihre Dankbarkeit für die Wertschätzung zu zeigen.
Natürlich gilt diese Regel auch andersherum. Manchmal gerät man bei Reklamationen an einen Mitarbeiter, der eine unsympathische Stimme hat, der genervt, gelangweilt und/ oder latent aggressiv auf die jeweilige Beschwerde eingeht. Dann werden auch die „Weltverbesserer“ manchmal ungehalten und verwandeln sich in cholerische Zweifler (das sind die gefürchtetsten Kunden, da sie immer und überall eine Verschwörung und einen Betrug wittern). Also: Augen auf bei der Berufswahl! Inspektoren und Buchhalter sollten sich besser nicht im operativen Beschwerdemanagement versuchen, das gibt nur Scherereien…