Eva Ihnenfeldt: Warum nicht mal die SteadyNews als öffentliches Tagebuch nutzen? Mein Unterbewusstes und mein Kopf vereinigen sich schließlich immer erst beim Schreiben, das weiß ich seit ich Kind bin. Die 128 Toten in Paris können mich nicht unberührt lassen. Heute habe ich Einiges zu organisieren, heute abend bin ich auf einem K.I.Z. Konzert im Münster (ja, ich habe kurz überlegt, ob ich fahren soll im Angesicht des echten „Boom Boom Boom“, aber ich denke es ist wichtig, dass wir gemeinsam, Musiker und Gäste, diese Schrecknisse verarbeiten), und jeder einzelne Tastendruck auf dem Laptop wird begleitet von den Verzweiflung und den Erlebnissen der Menschen, die urplötzlich aus dem Paradies der feiernden Wohlstandsgesellschaft in einen Krieg geworfen zu wurden.
Was lösen die Bilder, Berichte und Videos bei mir aus?
Ich frage mich, inwieweit ich Superlative brauche, um bewegt zu werden. Als ich gestern abend schlafen ging, waren es noch 30 Tote – heute morgen beim Aufwachen knapp 130. Gestern waren es vor Allem Explosionen während des Spiels, die mich instinktiv trafen, heute morgen war es das Laienvideo aus einem gegenüberliegenden Haus, das mich mit in das Geschehen zog, ohne dass die übliche Abstumpfung gegenüber Kriegsschauplätzen überwog.
Die Frau, die sich stumm und regungslos von außen im zweiten Stock minutenlang an ein Fenstersims hängend klammerte, ein absurder „Cliffhanger“, hoch oben über mehreren Leichen auf dem Gehsteig – immer in Gefahr, abzustürzen – schaffte es, dass Eva Ihnenfeldt Mitgefühl und Identifikation entwickelte. Brauche ich Bilder wie die von dem toten kleinen Flüchtlingsjungen und der hängenden jungen Frau, um etwas zu spüren? Und ist es wichtig, diese aufwühlenden Emotionen zu spüren, um das eigene Verhalten zu ändern? Oder ist es gefährlich, sich von Emotionen leiten zu lassen? Sind es genau diese Emotionen, die zu Hass, Krieg und Vergeltung führen?
Ich weiß (noch) nichts über die Hintergründe des Massakers in Paris. Genauso, wie ich nichts weiß über die Hintergründe des Syrien-Krieges, über die Hintergründe des IS, über die Hintergründe der Flutwelle an Flüchtlingen, die nach Europa strömen. Ich versuche, Medien gegenüber eine Glaubwürdigkeits-Einteilung vorzunehmen: Der oder der Reporter erscheint mir glaubwürdig, der Sender ebenfalls, die Zeitung ist wohl unabhängig von Staats- und Geheimdienst-Propaganda, dieser Twitter-Account scheint seriös zu sein – schnell noch ein Blick zu russischen und arabischen Sendern in englischer Sprache, um ergänzende Infos (oder nur Propaganda?) ergänzend hinzuzuziehen….
Ich stolpere durch Nachrichtenquellen wie ein Provinz-Detektiv, der aus Bruchstückchen kombiniert und nach Fälschungen fahndet, doch sich dabei nur von seinen subjektiven Werten leiten lässt. „Die Anstalt“ ZDF-Satiresendung wird immer mehr zu meinem Nachrichten-Zentrum, von dem ableitend ich alle anderen Quellen bewerte. Wie kann ich überhaupt mit so einer Verwirrung fühlen, denken und reden, wenn Massaker und menschlich verursachte Gewalt in meine Erfahrungswelt eintreten? Sollte ich das lieber Politikern überlassen in der Hoffnung, dass diese schon wissen, was zu tun ist?
Was will Eva Ihnenfeldt gegen Gewalt und Krieg tun?
Bisher tröste ich mich gern hinweg mit einem Zitat aus dem chinesischen Weisheitsorakel I-Ging: „Die beste Art, das Böse zu bekämpfen, ist der energische Fortschritt im Guten“. Aber ist das nicht nur eine bequeme Ausrede, um weiterhin das zu machen, was ich liebe, und das zu ignorieren, was an Entsetzlichem (und Vermeidbarem!) geschieht überall auf der Welt – und direkt vor meiner Haustür? Was für eine Vorstellung, misshandelt zu werden, während um Einen herum lauter Unbeteiligte milde lächelnd auf diesen Spruch verweisen und weitergehen.
Spenden ist dann die zweite Stufe der Ignoranz, ein Pflaster, das nicht weh tut bei dem Aufbau des guten Gewissens. Doch spende ich? An wen? Wie viel? Verfolge ich nach, was mit den Spendengeldern passiert? Das Letzte, was ich gespendet habe, waren 100 Euro an den syrischen Menschenhelfer Mahmoud Dahi, der immer wieder in syrische Flüchtlingslager fährt, um dort humanitäre Hilfe zu leisten. Inspiriert wurde ich durch den Videofilm von Hubertus Koch, der als blutjunger Journalist ganz allein mit Mahmoud Dahi in ein syrische Flüchtlingslager fuhr, um das, was wir täglich über Medien serviert bekommen, tatsächlich zu erleben. Mahmoud Dahi ist für mich ein Held und Vorbild.
Ich weiß, dass Spenden nicht wirklich etwas bewegen, aber ich werde einen Dauerauftrag einrichten für Mahmoud Dahi und seine Mithelfer, denn ich vertraue ihnen wirklich, aus tiefstem Herzen. Spendahilfe.de Doch was will Eva Ihnenfeldt noch tun gegen Gewalt und Krieg? Unfähig zu beurteilen, ob das Ganze eher ausgeht vom Westen und Saudi-Arabien, oder vom IS oder von wem auch immer!
Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass sich die Menschen auf der ganzen Welt solidarisieren mit der Stadt der Liebe, der Stadt des Feierns und der unbekümmerten Lebensfreude: Paris. Ich wünsche mir, dass wir überall auf der Welt Zeichen setzen, Christen, Muslime, Palästinenser, Israelis, Religiöse, Atheisten – äußere Zeichen setzen des Friedens und der Handreichung an alle Opfer von Gewalt.
Ich wünsche mir ein Symbol, das sich eignet als Fahne am Fenster, als Aufkleber am Auto und an der Haustür, als Aufdruck auf Textilien. So wie vor 2.000 Jahren die ersten Christen den Fisch als Symbol wählten, um sich zu erkennen, so wünsche ich mir weltweit ein Erkennungszeichen für alle, die grundsätzlich gegen Gewalt und Ver-Urteilen sind, die sich von Herzen wünschen, dass es allen Lebewesen auf diesem Planeten gutgehen möge. Dass es bald soweit sein wird, dass niemand mehr in Angst leben muss, dass „Freiheit“ nicht mehr missbraucht wird für Krieg und Gewalt, sondern dass „Freiheit“ ein Symbol wird für Liebe, Respekt und Frieden. Ich glaube, Wir schaffen das – das Massaker von Paris schreit danach. Aber bitte nicht wieder so wie nach Charlie Hebdo, das gefiel mir nicht, das war für Muslime als Symbol untragbar und dadurch eher teilend als verbindend.
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Eva Ihnenfeldt
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