Auf YouTube liegt ein interessanter 14 Minuten ZDF-Beitrag zum Thema „Internet-Trolle“. Alle die im Web aktiv sind kennen sie. Erst vor wenigen Tagen hat mir so ein Troll einen richtig wütenden beleidigenden Kommentar geschickt (den ich aber nicht veröffentlicht habe). Wie ein Rumpelstilzchen hat er mich beschimpft – aber komischerweise habe ich mich darüber nicht geärgert sondern war fast ein bisschen gerührt. „Frau Ihnenfeldt, Sie sind…………………..“ klang es wütend, doch lag in den Worten nicht auch Zuwendung? Wenn er mich wirklich so widerlich findet, warum ignoriert er mich nicht einfach?
Dann sah ich – angeregt durch dieses Erlebnis – den ZDF-Beitrag als Video und nun habe ich mal wieder grundlegend meine Meinung über Trolle und Anonymität im Internet geändert. Bis vorgestern war ich ein absoluter Verfechter von Echtnamen. Ich fand Trolle, die ja so gut wie immer anonym agieren, unheimlich, bedrohlich, fast körperlich abst0ßend. Wenn ich in Zeitungen die vielen Kommentare gelesen habe, die sich in Häme, Beschimpfungen, Neid und Pöbeleien ergießen, war ich geschockt und hatte Angst vor der „Macht der Masse“, die anscheinend am liebsten zu Folter und Lynchjustiz greifen würde, um ungeliebte Politiker auszuschalten.
Doch „mein“ Troll hat ein kleines Wunder bewirkt: Ich habe die Angst vor dieses anonymen Einsamen verloren und ich beginne, sie ins Herz zu schließen. Wie eine Mutter, die lauter trotzige Kinder um sich hat, die sich ungeliebt und verstoßen fühlen. Sind Politiker (an die sich die Wut der Trolle ja meistens richtet) nicht so etwas wie ein Elternersatz für Erwachsene? Ist die Anspruchshaltung der Politikverdrossenen nicht die Haltung von erwachsenen Kindern, die von ihren „Eltern“ enttäuscht sind, weil sie sich eigentlich nach deren Liebe, Schutz und Anerkennung sehnen?
Wenn ein Volk beginnt, seine Politiker zu ignorieren, eine Parallelgesellschaft zu leben und nicht mehr zuhört – DAS ist schlimm. Solange sie schimpfen und sich wilde Rachephantasien ausdenken, ist eine Zuwendung da, und wie in schwedischen Wäldern sind Trolle wichtig, damit der Wald lebt (Ich habe mal gelesen, 80 Prozent der Schweden glauben an Trolle).
Ich weiß, aus der Anonymität kann Gewalt erwachsen, so wie Wolfgang Schäuble Opfer eines Attentäters wurde – und das ist entsetzlich schlimm, doch die innere Haltung kann verwandeln – probiert es doch mal aus, ihr armen geplagten Web-Aktivisten, schließt Eure Trolle ins Herz und handelt pädagogisch: „Verstärke nie ungewolltes Verhalten – sondern bestärke gewünschte Verhalten“ – also es bleibt dabei: Don’t feed the trolls…