Für die etablierten Musiker ist Marketing eigentlich fast kein Thema mehr. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von Social Media und den digitalen Möglichkeiten, denn da könnte das Ein oder Andere gewiß noch getan werden. Die Digitalisierung ist längst noch nicht durch und wird es auch nie sein, weil immer neue Künstler und immer neue Menschen vor der Frage stehen, wie sie digital im Netz sein möchten oder auch nicht. Verblüffend für mich war allerdings die Tatsache, dass junge Musiker, die gerade vor ihrem Durchbruch stehen offenbar in ihrer Ausbildung etliche Dinge nicht mitbekommen, die man für das Leben braucht. Etwa, wenn man als Selbstständiger später seine Steuern machen muss – so sehr ich mich auch gegen dein Einfluss der Wirtschaft in die schulischen Belange sträube, aber ja, ich hätte mir durchaus einige Stunden in der Schule gewünscht, in dem jemand mir erklärt, wie man patent seine Steuern managt. Und offenbar ist auch das Marketing in eigener Sache in der Ausbildung der jungen Musiker nicht vorgesehen. Das ist seltsam.
Vor allem: Das Leben eines Musikers ist nun bei weitem nicht das Laisser-faire, was man sich immer darunter vorstellt. Bei den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker habe ich das feststellen dürfen – für die war ich letztes Wochenende im Wendland unterwegs, hoch im Norden an der Elbe. Teilweise musste ich an meine Kolumne über den Zugang zum Internet im Urlaub denken, da man permanent da oben unterwegs nur Edge hat. Da muss man dann durch und am Besten darauf hoffen, dass das nächste Restaurant WLAN hat. Hitzacker jedenfalls ist das Mekka für die Kammermusik. Und fördert als solches auch den Nachwuchs mit Impulsvorträgen und Workshops. Selbstvermarktung im Social Web spielt da eine Rolle, die erwähnten Steuern auch und ebenfalls ist die Frage, wie man eigentlich an einen guten Agenten kommt. Was mir nicht so bewußt war, aber was sich bestätigte: Social Media und Selbstvermarktung ist definitiv kein Unterrichtsfach in der Ausbildung zum besten Akkordeonspieler, besten Cellisten, bester Violinistin, bester Klarinettistin. Das ist seltsam.
Vermarktung der Kunst?
Vielleicht aber auch nicht. Der Kosmos der Musiker ist in der Ausbildung von anderen Dingen geprägt. Tägliches Üben, das Wahrnehmen von Meisterklassen, die Reise zu Konzertorten – das steht erstmal im Vordergrund. Grifftechnik, Musiktheorie, die Beschäftigung mit dem Stil eines Komponisten sind natürlich wichtige Komponenten und ohne einen festen Grund kann man seinen eigenen Stil später kaum finden. Die Ausbildung eines Musiker und das Studium sind dann auch teilweise eine Art von Selbsterfahrung: Wer bin ich eigentlich? Was ist mir bei der Interpretation des Werkes wichtig? Warum spiele ich das Cis auf der Blockflöte mit diesem Griff und nicht mit dem anderen? Da bleibt das Thema Marketing am Rande eventuell liegen.
Es mag auch sein, dass noch die böse Bedeutung des Wortes Kommerz mitschwingt, wenn vom Selbstmarketing die Rede ist. Kommerz ist böse, die Kunst ist heilig. Wer das nicht glaubt, der sollte sich das Feuilleton der Zeitungen anschauen, die teilweise in Wörterschlangen über Wagners hehre Vorstellungen belehren, bei denen der Leser allerdings schon nach dem ersten Absatz nicht mehr weiß wo das Verb, wo das Subjekt und wo das Prädikat sein soll. Die holde und hehre Kunst muss man vermarkten? Aber doch nicht als Künstler! So weht es noch teilweise durch die Köpfe, denn der Künstler braucht zwar eine Vermarktung, aber dazu holt man sich doch die PR-Fachleuchten, die gerade ihren Master of Communication, Design, Public Relation und Marketing abgeschlossen haben. Sollen die sich darum kümmern.
Und: Es ist immer noch eine Typfrage. Nicht jeder Künstler und Musiker möchte das, dieses Vermarkten. Das Werk soll für sich sprechen, die Interpretation das Publikum rühren. Man selber braucht das Reden um die eigene Person gar nicht und natürlich muss das irgendwie sein – schließlich braucht man die Aufmerksamkeit – und man widmet sich dann lieber doch der Kunst, als dass man ein Gewese um sich selbst macht. Außerdem: Dafür hat man doch die Fachleute. Sollen die das machen.
Man entscheidet sich – aus Gründen
Die Balance zwischen Kunst und Markt muss jeder für sich selber wahren. Aber um diese Balance zu finden, bedarf es Wissen. Wissen um das, was vorhanden ist und das, was man einsetzen könnte. Wenn man nach einer Vorlesungsreihe der Meinung ist, Facebook sei nichts für Einen, dann hat man diese Entscheidung immerhin auf der Grundlage von Wissen getroffen. Aber ohne dieses Wissen darüber, welche Möglichkeiten vorhanden sind ist eine Entscheidung für oder gegen Etwas eigentlich nicht möglich. Nun, sie ist natürlich durchaus möglich. Sie ist dann aber – beschnitten. Unvollständig. Ihr fehlt etwas.
Vielleicht kommt das alles noch. Vielleicht ist die Digitalisierung und ihre Folgen für die Kunst momentan noch nicht so recht greifbar – abgesehen davon, dass Streaming-Dienste die neue Schallplatten sind. Immerhin legt Hitzacker vor: Die AKADEMIE-Künstler haben vom Festival ein Video für YouTube gesponsert bekommen. Vielleicht macht das ja noch Schule. Wer weiß.