Christian Spließ, Social Media Storyteller: Irgendwann einmal kommt der Punkt in jedem Berufsleben, an dem man irgendwie merkt, dass man den Spaß am Beruf selbst verloren hat. Nein, keine Bange – ich bin davon (noch) nicht betroffen und hoffentlich bleibe ich von dieser Phase auch noch ein Weilchen verschont. Aber natürlich steht man irgendwann da und fragt sich: Warum eigentlich mache ich in diesem Rattenrennen namens Social Web eigentlich mit?
Rattenrennen. Schon ein merkwürdiger Begriff, vielleicht passt gehetztes Kaninchen ja auch besser. Im Grunde aber ist es natürlich immer ein Rennen: Allein heute habe ich Dutzende von Tweets geschrieben, Software ausprobiert, habe geschaut wo es die neusten Meldungen zum Thema Social Media gibt – Facebook auf, Twitter auf, Facebook zu, Tweetdeck blinkt, irgendwas piepst im Hintergrund, ach ja, neue Mail! Newsletter lesen! Anfragen abarbeiten. Und dabei immer auf den neuesten Informationsschnipsel hoffen damit man schneller ist als alle anderen. Rattenrennen – wenn ich es mir so überlege ist der Begriff doch passend. Mehr und mehr Leute in meinem Umkreis, die bisher Social Media in ihrem Beruf gemacht haben, ziehen sich deswegen zurück und wollen mit dem ganzen Rennen nichts zu tun haben. Immer Sascha Lobo hinterherzuhecheln ist auf Dauer ja auch anstrengend. 😉
Sekundenlange Fortbildung plus zu hohe Ziele gleich Social Media Müdigkeit?
Woran liegt diese Müdigkeit? Ich glaube, es liegt an zwei Faktoren: Einmal spielt die Fortbildung eine wesentliche Rolle, zum Anderen auch die Tatsache, dass man seine Ziele zu hoch gesetzt hat. Kein Beruf ist so von der permanenten Devise des lebenslangen Lernens geprägt wie der Social Media Manager – wobei lebenslang? Eigentlich muss man sekundenlang sagen. Gerade erst gestern oder heute hat Facebook einen neuen Button eingeführt. Gab es die Nachricht über Google Analytics und die Datenschutzkonformität. Visualize.me ist in der Beta-Phase, Amen ebenfalls, Quotefm und so weiter und so fort. Und das ist nur allein das, was an EINEM Tag im Netz passieren kann. Während andere Berufe Fortbildungen in einem eher langsamerem Tempo haben ist das beim Social Media Manager definitiv anders. Es ist eine permanente Anforderung, die einem irgendwann mal die Lust auf den Beruf verleiden kann. Echtzeit-Lernen quasi.
Oft ist es allerdings auch so, dass man seine eigenen Ziele zu hoch setzt und damit scheitert. Wobei ich scheitern ausgeprochen sympathisch finde, denn sonst lernt man ja nichts wenn alles immer gut läuft. Man muss nicht permanent Twittern oder dauernd den Stream im Hintergrund laufen haben – man muss auch nicht den ganzen Tag facebooken oder irgendwas anderes machen – wer den Anspruch an sich selbst hat unbedingt perfekt zu sein, wird eh scheitern. Gönnen Sie sich ein wenig mehr Gelassenheit was die Ziele anbelangt. Ja, natürlich ist es für die Positionierung und fürs Ego super wenn man ständig die neuesten Nachrichten kennt oder vielleicht sogar der Erste ist, der diese weiterverbreiten kann. Gegen eine gesunde Selbstpositionierung ist auch nichts einzuwenden. Wer aber das Ziel hat der nächste Super-Social-Media-Manager zu werden, sollte sich das Ziel nochmal überlegen.
Raus aus dem Rattenrennen, rein in die Gelassenheit
Falls Sie wirklich das Ziel haben als Social Media Manager auf die Höhe von Sascha Lobo und Konsorten zu kommen – viel Glück beim Rennen! Wenn Sie jedoch mal innehalten und drüber nachdenken, könnte es sein, dass Ihnen etwas auffällt. Nämlich, dass Sascha Lobo, Klaus Eck oder Don Alphonso einmalig sind. Warum sollten Sie eine schlechte Kopie sein wenn Sie ein gutes Original sind? Müssen Sie denn wirklich die Regeln mitspielen, die Ihnen das Rattenrennen aufzwängt – oder wäre es nicht besser mal einen Gang abschalten und überlegen, ob die Opfer, die Sie für das Erreichen dieser Stufe bringen müssten es wirklich wert sind? Ich gestehe: Auch ich versuche mich zu positionieren. Sonst würde ich ja wohl kaum diesen Text hier schreiben. Reklame für sich selbst zu machen ist in Ordnung. Wenn es aber dazu ausartet, dass ich die wesentlichen Ziele meines Lebens aus den Augen verliere und nur noch den neuesten Trends hinterherjette von Konferenz zu Tagung zu Barcamp – irgendwann würde ich persönlich dann zusammenbrechen.
Machen Sie es doch anders: Zwingen Sie dem Rattenrennen doch Ihre Regeln auf. Setzen Sie sich feste Zeiten im Tagesablauf, handeln Sie nach der Zen-To-Done-Methode und konzentrieren Sie sich nur auf eine Tätigkeit. Nur Facebook. Nur Twitter. Nur Trendrecherche. Vertrauen Sie einfach mal darauf, dass Neuigkeiten die für Sie wichtig sind, dass neue Methoden und Tools schon zu Ihnen kommen werden – lassen Sie sich also nicht davon beirren wie schnell die anderen laufen. Es mag sein, dass die erste Ratte den Käse bekommt aber die zweite Ratte bekommt keinen Bügelschlag ins Genick sondern kann den Käse auch noch genießen. Etwas mehr Gelassenheit also. Und wenn Sie die lernen möchten: Brigitte Jülich veranstaltet wunderbare Klosterreisen um mal abzuschalten…