Oh mein Gott: Facebook geht den Bach runter!

Diese Woche sorgte eine Studie für gehörigen Wirbel – und was für einen. Regelrechte Untergangsstimmung war da in den Medien und in meiner Timeline zu spüren, ja, es war als hätte gerade die Titanic begonnen unterzugehen und man würde live dabei sein und berichten. Das mag etwas übertrieben sein, aber gefühlt war es mindestens das. Denn: Facebook ist nicht mehr das beliebteste Social-Media-Netzwerk der Deutschen!

Panik?

Laut Social Media-Atlas 2015/2016 löst YouTube Facebook an. Wer hätte das gedacht, nachdem es etliche Youtube-Stars auch in Deutschland an die Spitze der Unterhaltungs-Zeit geschafft haben und die Jugendlichen eh dort ihre Videoinhalte konsumieren. „Während bei allen Onlinern 94 Prozent der Bewegtbildnutzung auf klassisches Fernsehen (202 Min. pro Tag) und nur 6 Prozent (13 Min.) auf alle Formen der Bewegtbildnutzung im Internet (also einschließlich TV online) entfallen, beträgt das Verhältnis von klassischem Fernsehen und Online-Bewegtbildnutzung bei den 14- bis 29-jährigen Männern 78 Prozent zu 22 Prozent, das heißt, diese spezielle Gruppe verbringt rund ein Fünftel ihrer Nutzungszeit von Bewegtbildinhalten online. Dennoch ist generell eine Substitution der Fernsehnutzung durch Online-Bewegtbildinhalte nach wie vor nicht erkennbar.“ So die ARD/ZDF-Onlinestudie von 2014. 

So unverhofft ist die Entwicklung also nicht. Und ja, laut des Social-Media-Atlasses ist die Beteiligung der Deutschen an Facebook in den letzten Jahren massiv gesunken. Aber generell die von YouTube auch, was die „eher aktiven“ Nutzer betrifft.

Nutzung von Facebook und Youtube in den Jahren zwischen 2012 bis 2015:

2015                eher aktiv / eher passiv / gar nicht

Facebook            34% /        53% /         13%

Youtube              14% /        74% /         12%

2014              eher aktiv / eher passiv / gar nicht

Facebook            38% /        55% /          7%

Youtube              16% /        70% /         14%

2013               eher aktiv / eher passiv / gar nicht

Facebook            47% /        45% /         8%

Youtube              17% /        70% /        13%

2012               eher aktiv / eher passiv / gar nicht

Facebook            58% /        31% /         11%

Youtube              18% /        66% /         16%

Youtube sank von 18% auf 14%, Facebook von 58% auf 34% – was ja tatsächlich erstmal eine Riesendelle ergibt und eventuell müssen wir uns doch um Facebook sorgen? Vielleicht aber auch nicht, denn auch wenn man es verdrängt: WhatsApp gehört zu Facebook ebenso wie Instagram. Und wenn man sich dann die Abfolge der aktuell beliebtesten deutschen Netzwerke anschaut – siehe interaktive Grafik – dann ist der Abstand zwischen YouTube und Facebook an sich nun so groß, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Die Dienste liegen knapp 1% auseinander.

Ist die Facebook-Dämmerung nahe?

Klar: Die Firma Faktenkontor, die den Social-Media-Atlas herausgibt, hat natürlich in der Pressemeldung das Wort vom Untergang verwendet. Facebook, so die Firma, sei allmählich am Ende.  Allerdings erwähnt sie auch, dass generell die aktive Teilnahme an Social-Media-Plattformen gesunken sei – jedenfalls bei den großen Plattformen. Sind wir Deutschen nun Social-Media müde? Ist das Ende von Facebook wirklich gekommen? Und wenn ja – schreck nach laß, was tun?

An dieser Stelle muss man spekulieren, aber vermutlich gibt es eine logische Erklärung: Während früher die großen Anbieter den Markt fast nur unter sich aufteilten – schön, Instagram gehört jetzt zu Facebook und zählt daher nicht mehr als alleiniger Anbieter von Inhalten – sind in der letzten Zeit viele kleinere Plattformen und Dienste im Social Media Bereich aufgepoppt. Dienste wie Ello, Seniorbook oder Snapchat sind bei Faktenkontor offenbar noch gar nicht auf dem Schirm, was angesichts der Tatsache, dass Stayfriends verzeichnet ist überrascht. (Mich persönlich überrascht auch, dass Seniorbook nicht auftaucht – das ist die Nischenplattform, die nach dem Fall von „Wer kennt wen“ eine enorme Steigerung der Nutzer zu verzeichnen hatte.) Es mag auch sein, dass man für die Grafik nur die etwas dickeren Dienste rausgesucht hat – allerdings war Snapchat letztes Jahr den Deutschen vielfach noch unbekannt, das kommt jetzt allmählich. Ebenso fehlt der Dienst Vine in der Grafik und diverse andere Dienste, die attraktive Nischen besetzt haben. Pinterest etwa.

Man kann nicht auf allen Kanälen gleichzeitig gut vertreten sein

Der Tag hat nur 24 Stunden und davon sind 12 schon mit der Nacht belegt lautet ein Sprichwort, in dem natürlich Wahrheit steckt. Die Zeit, in der die großen Anbieter den Markt für sich alleine hatte ist einfach vorbei. Dass das Wachstum von Facebook auch irgendwann mal zum Erliegen kommen würde – auch das war absehbar. Und jetzt gibt es auf einmal diverse andere Dienste, die auch Zeit in Anspruch nehmen. Diese Zeit fehlt dann natürlich bei den Diensten, die bisher das Feld besetzt hatten. Und das könnte durchaus plausible den Rückgang bei den Nutzerzahlen erklären. Man kann nicht allen Kanälen die gleiche Zeit widmen. Die kostbare Ressource Zeit wird zudem auch immer mehr als wichtig und bedeutsam wahrgenommen – man muss nicht gleich das Slow-Media-Manifest unterschreiben, aber auch das spielt eine Rolle.

Zudem: Snapchat mag zwar in aller Munde sein, aber als Ersatz für Facebook oder als Nachfolger, Erbe ist Snapchat zu kurzflatterig. Maximal 10 Sekunden zum Anschauen von Nachrichten und Bildern – sofern man nicht die Geschichten-Funktion wahrnimmt, aber dann sind es auch nur 24 Stunden und nur große Firmen können sich die Discovery-Sache leisten – sind einfach nicht genug. Die Beschränkung ruft zwar den Künstler im Menschen hervor und es gibt wunderschöne Accounts bei Snapchat, die wie bei Vine mit der Zeitgrenze spielen. Aber für Diskussionen eignet sich Vine nicht. Außer man schickt seinem Freund mal eben eine Chatnachricht. Längere Diskussionen im öffentlichen Raum sind bei Snapchat nicht möglich. Und da man eh seine Fotos bei Facebook gelagert hat ist es momentan nicht einsehbar, warum man wirklich, wirklich wechseln sollte. Andere Netzwerke haben das ja auch schon versucht: Diaspora – das gibt es immer noch – und Ello wollten ja unabhängiger und sicherer und werbefreier sein als Facebook. Durchgesetzt haben sie sich nicht. Ello ist als Dienst für Künstler etabliert, Diaspora für Liebhaber von Open Source. Massenkompatibel sind beide nicht. Aber sie haben in ihren Nischen ihre Plätze gefunden.

Keine Panik also?

Natürlich ist nicht vorhersehbar, wie lange Facebook noch am Leben bleibt. Schnell kann ein neues Tools die Herzen der Nutzer erobern weil es bessere und andere Funktionalitäten bietet – wenn man mich fragt: Ich denke, das nächste große Ding wird was mit Geolocation und Location-Based-Services sein, Foursquare ist ja auch nicht Mainstream. Deswegen ist es wichtig, die kleinen Dienste im Auge zu behalten. Und auch mal auszuprobieren. Auch auf die Gefahr hin, dass man im Internet dann einige Profil-Leichen hinterlässt. Notfalls kann man ja immer noch seine Daten löschen. Oder man wartet – wie jetzt bei Peach – einfach einige Tage ab, dann fällt der Dienst von selbst von der Bank.

10428652_909696752374293_5401521222185380255_nChristian Spließ, Social Media Manager, machte schon Social Media als es noch Web 2.0 hieß. Seit 2004 beobachtet er die aktuellen Entwicklungen und hilft mit Rat und Tat, wenn es darum geht Inhalte kompetentgenau an die Zielgruppe zu vermitteln. 

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