Depressionen durch Facebook? Das viele Unglück tut mir so leid!

Studien zeigen, dass Social Media tatsächlich unglücklich machen kann. Besonders Instagram steht in dem Ruf, seine Nutzer zu deprimieren – aber auch Facebook scheint Depressionen zu befördern, zumindest wenn man es rein passiv nutzt. Tatsächlich sind die meisten User in sozialen Netzwerken reine Leser und Beobachter. Vielleicht wird hier und da mal ein Like gesetzt. Doch selbst posten oder sich in Gespräche einbringen, ist gerade in Deutschland selten. Sich selbst aktiv mit einzubringen, erfordert Mut und Selbstüberwindung – davor scheuen sich viele Menschen.

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Für mich bezeugen die Studienergebnisse eine Ur-Wahrheit, die wohl seit Anbeginn für die Menschheit zutrifft: Nur, wer sein Leben selbst gestaltet, wird glücklich. Wer sich gelähmt und passiv ausgeliefert fühlt, wird unglücklich und krank. Ich habe das selbst vor vielen Jahren als junge Mutter erlebt. Im ersten Jahr mit Baby fühlte ich mich ans Haus gebunden und hatte Schwierigkeiten, mich selbstbewusst in meine neue Rolle einzufinden – das machte mich unglücklich. Erst als ich meinen ganzen Mut zusammennahm und mit meinem Söhnchen hinaus in die Welt trat und wir Beide diese wieder mit gestalteten, kam das Glück zurück.

Facebook und das Zeitalter der Jäger

Ich bestreite nicht, dass die neuen elektronischen Kommunikationsformen, die global in Echtzeit alle Menschen der Erde miteinander verbinden, intensiv unser Zusammenleben verändern. Traditionelle Gemeinschaften brechen auseinander und verlieren an Bedeutung. Man ist in Echtzeit verbunden und wechselt leicht seine Bezugspersonen, Bezugspunkte und Bezugsgruppen. Jeder Lebensbereich ist betroffen: Arbeitsstellen, Wohnorte, Freundschaften…. der Mensch wird zum digitalen Nomaden.

Viele empfinden dieses unruhige Umherziehen als belastend und bedrohlich. Sie sehnen sich zurück nach festen Strukturen, nach emotionaler Sicherheit und verlässlicher Geborgenheit. Andere hingegen blühen auf durch die Freiheit, die mit dem ständigen Wechsel verbunden ist. Sie fühlen sich lebendig dadurch, dass sie immer wieder neue Herausforderungen bewältigen müssen und dürfen. Vielleicht kann man diese beiden Gruppen einteilen in die Sesshaften und die Jäger. So wie es schon in der Steinzeit war.

Für Jäger ist Facebook ein spannendes Gesellschaftsspiel

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Bei Facebook kann ich mich innerhalb von Minuten mit genau den Menschen verbinden, die ich spannend und bereichernd finde. Als „Jäger“ kann ich das Ganze betrachten wie ein weltweites, intelligenzförderndes Gesellschaftsspiel, das von Empfehlungen, Diskursen und Gestaltungswillen lebt. Falls ich zum Beispiel Interesse an investigativen Journalisten oder anderen Intellektuellen habe, kann ich mir Strategien überlegen, wie ich das Interesse und die Aufmerksamkeit meiner Idole wecke und mich mit ihnen verbinde.

Ich kann mich über Gruppen vernetzen mit Gleichgesinnten, die ähnliche Motive und Ziele in ihrem Leben haben – und selbstverständlich kann ich aus diesem Onlinespiel heraustreten und mich mit Menschen treffen, telefonieren, Projekte realisieren. Für Menschen, die gern jagen und gestalten, ist Social Media ein Quell der Inspiration und eine Spielwiese der Möglichkeiten.

Facebook macht Jäger glücklich

Da Jäger zur Untreue neigen, ist es für sie ein Leichtes, unerwünschte Facebook-Freunde zu löschen und sich nur mit den Menschen zu umgeben, die sie bereichern. Falls sie Niederlagen erleiden und Schmerzen erfahren in ihrem Spiel, lernen sie daraus und machen den selben Fehler nicht noch einmal. Sie leiden nur kurz – und freuen sich lange darüber, dass sie wieder „ein Level weiter“ gekommen sind an Erfahrungen. Facebook macht sie glücklich. Denn sie gestalten aktiv und nutzen die globale soziale Verbundenheit, um sich zu entwickeln und damit zu arbeiten.

Facebook und das Unglück der Sesshaften

Die Sesshaften hingegen haben einen Kulturschock zu verarbeiten. Wie lange hat unser Gesellschaftssystem felsenfest gebaut auf die Zuverlässigen, die Loyalen, die Duldsamen! Sind sie nicht die Basis aller Religionen, Staats- und Wirtschaftssysteme? Leben diese Systeme nicht davon, dass sie ihren Mitgliedern Anpassung, Disziplin und die Breitschaft zur Unterordnung verordnen? Wie würde ein Schulsystem aussehen, in dem sich die „Jäger“ austoben können, ohne Angst vor Strafe zu haben? Es wäre chaotisch, unregierbar, unkontrollierbar – entsetzlich!

Wie würden Familien aussehen, wenn alle Mitglieder der Sippe rein auf ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hören würden? Was wäre das für ein Staat, wenn die Bürger sich den Gesetzen und ungeschriebenen Regeln nur dann unterordnen würden, wenn sie diese als vernünftig und konstruktiv ansehen würden? Wie soll ein Unternehmen wirtschaften, wenn die Mitarbeiter selbst unternehmerisch denken und handeln?

Sesshafte haben gelernt, dass das Leben kein „Ponyhof“ ist

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Die Sesshaften haben gelernt, sich der Gemeinschaft und deren Anforderungen unterzuordnen. Natürlich leiden sie unter vielen Dingen wie Ungerechtigkeiten im Beruf oder emotionale Qualen in der Familie. Doch sie halten durch und sind verlässlich in ihren Rollen. Nie würden sie es über das Herz bringen, ihre Mitmenschen zu verlassen, bloß weil sie mit ihrem Schicksal hadern. Jede Veränderung bedeutet eine Bedrohung, weil diese das ganze Konstrukt zum Erschüttern bringt.

Natürlich gehen auch die Sesshaften in die sozialen Netzwerke – schließlich sind ihre Bezugsmenschen auch dort. Und sie wollen ja nicht verachtet werden für ihre digitale Inkompetenz. Doch sie werden sich hüten, dort alles rauszulassen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Sie sind auf Sicherheit bedacht und nutzen Instagram, Facebook und Co als digitale „Zeitschrift“, in der sie sich verschiedene Kategorien auswählen können. Sie lesen und beobachten – doch sie sind nicht aktiv.

Warum macht das passive Nutzen von Facebook und Co unglücklich?

Eigentlich ist es ganz einfach. Stellen wir uns vor, wir sind auf einer riesigen Gartenparty. Wir gehen dorthin, weil alle dort sind und wir uns nicht ausgeschlossen fühlen wollen. Wie haben uns sehr schön gemacht für die Party. Unser Outfit ist wohl gewählt. Wir haben uns vorgenommen, mit Urlaubserinnerungen und Berichten von guten Restaurants zum Abend beizutragen. Und wir wissen, dass Erzählungen über die Familie sehr intim sind und deshalb nichts in der Öffentlichkeit zu suchen haben. Wir sind gerüstet und warten geduldig darauf, freundlich angesprochen zu werden.

Ist nicht zu erwarten, dass wir einen deprimierenden Abend verleben werden? Natürlich kann es sein, dass wir Jemandem auffallen, der uns tatsächlich anspricht und uns interessiert befragt. Doch wenn wir nur Urlaub und Essen als Themen besteuern, wird er sich rasch wieder abwenden und sich spannenderen Gästen zuwenden. Wenn wir die Party nicht mitgestalten, sind wir wie „Lauscher an der Wand“. Und zwar Lauscher an der Wand, die nicht einmal Schlechtes über sich selbst erfahren – wir sind regelrecht unsichtbar! Was für ein Alptraum!

Sind bei Facebook nur Pöbler und Gewalttätige?

Natürlich gibt es bei Facebook viele aktiv Gestaltende, die uns schockieren. Wie auch im „richtigen“ Leben fallen die Pöbler und Aggressiven weit mehr auf als die Kultivierten und Freundlichen. Zwar sind es meiner Einschätzung nach maximal zehn Prozent der Facebook-User, die stören und zu Gewalt neigen, doch da ja die meisten Facebook-User „unsichtbare Leser“ sind, sind diese skrupellosen Pöbler sehr dominant und auffällig. So wie Betrunkene jedes Fest zum Horror-Szenario umformen können.

Die Passiven sind also bei Facebook den Pöblern ausgeliefert. Wenn sie zum Beispiel aus Heimatliebe einer Facebook-Gruppe der eigenen Stadt beitreten, müssen sie sich vorkommen wie in „Herr der Fliegen“. Ohne autoritäre Führung scheint der Mensch seine widerlichsten Charakterzüge auszuleben. Und Facebook mit der Anonymität des Netzes scheint zu beweisen, dass Menschen zu Monstern mutieren, wenn ihnen Führung und Strenge fehlen.

Das treibt die Sesshaften weiter in ihr Unglück. Sie müssen ja vermuten, dass die Welt da draußen immer mehr bevölkert wird vom enthemmten Mob, der plündernd durch die Gassen zieht. Auch wenn in Wirklichkeit die absolute Mehrheit der Menschen freundlich und zugewandt eingestellt ist, befördert diese Passivität der „Guten“ die Macht der „Bösen“. Das ist so schade! Die Einzelnen werden dadurch unglücklich und depressiv – und die Gesellschaft fällt dadurch in die Hände einiger weniger Gemeinschaftsschädigenden.

Therapie: Soziale Netzwerke mitgestalten

Ich verstehe so gut, dass es schwerfällt, sich sichtbar zu machen und sich damit verletzbar zu machen. Zwar kann man bei Facebook in der Zwischenzeit seine Privatsphäre sehr gut schützen, wenn man die Einstellungen sorgsam vornimmt. Doch das kann man erst glauben, wenn man es ausprobiert. Theorie ist zwecklos. Beziehungspflege in sozialen Netzwerken ist genau so wie Beziehungspflege im „realen“ Leben: Man kann es nur durchs Tun lernen. Man kann es nur erleben, wenn man es aktiv gestaltet.
Facebook-Privatsphäre: Anleitung für Vorsichtige

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Soziale Netzwerke verändern unsere Gesellschaft, ja. Die Entwicklung lässt sich wohl nicht zurückdrehen. Wir werden Nomaden, und wir werden abhängig von vorliegenden Daten und Algorithmen. Doch wenn wir uns trauen, an die digitale Veränderung heranzugehen wie an die Sehnsucht nach Reisen und fremden Kulturen, können gerade introvertierte Menschen Glück und Erfüllung erfahren durch Social Media.

Sich gezielt und selbstbestimmt verbinden mit Menschen, die ähnliche Werte und einen ähnlichen Glauben vertreten, ist ein Quell der Inspiration. Gerade Depressive und Hochsensible wissen, wie ihnen diese Verbundenheit über Social Media helfen kann, emotionale Tiefs in der Gemeinschaft Gleichgesinnter zu überwinden.

Jedes Netzwerk hat dabei seine eigenen Communities. Begabte Fotografen, Erfinder, Bastler und Designer können bei Instagram glücklich werden. Die leidenschaftlichen Unterstützungs- und Gesprächsenthusiasten werden wohl Facebook und/ oder Twitter erkunden und sich dort ihr virtuelles Dorf aufbauen. So viele kleine und große Wunder können geschehen, wenn wir uns voller Selbstvertrauen ins Leben stürzen. Ob virtuell oder „hier draußen“ – Menschen, die ihr Leben aktiv gestalten, werden glücklich. Es braucht „nur“ Mut und Sinn, dann können gerade soziale Netzwerke eine echte Bereicherung sein und glücklich machen.

Bayerischer Rundfunk vom 16.12.17: Studien zu den emotionalen Auswirkungen von Facebook

 

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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