Anders sein heißt richtig sein? Liebt die, die Euch hassen. Greta Thunberg macht es vor

Greta Thunberg wird von sehr vielen Kindern, Jugendlichen und Älteren geliebt und bewundert – und wahrscheinlich von ebenso vielen leidenschaftlich abgelehnt. Am 1. September 2019 nahm sie in einem Facebook-Post dazu Stellung. Sie hat verstanden, dass es ein Glück bedeutet, „gehasst“ zu werden, weil es bedeutet, dass man anders ist als die Anderen – und dass man dazu steht. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Könnte es sein, dass Greta Thunberg gerade deswegen für so viele ein Vorbild ist, weil jeder Mensch gern sein Anderssein leben würde? Und sich oft genug nur nicht traut?

Ist jeder von uns etwas Besonderes?

Heute ist es angesagt, schon kleinen Kindern zu vermitteln, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Lob und Unterstützung sind den alten pädagogischen Prinzipien von Angst und Strafe gewichen. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte man uns heutigen Menschen die Augen mit reinigendem Wasser ausgespült und wir könnten es plötzlich klar und deutlich sehen! Nichts Lebendiges ist genormt auf dieser Welt – alles Leben um uns ist einzigartig, vollkommen, unersetzbar und wichtig. Und das gilt insbesondere, wenn wir unsere Artgenossen betrachten. Ja, jeder Mensch ist etwas Besonderes.

Brauchen wir das freie Ausleben unserer Besonderheit?

Greta Thunberg beschreibt in ihrem Facebook-Post, dass sie vor ihrem Schulstreik versucht hat, ihr auffälliges Anderssein zu verbergen. Das führte dazu, dass sie einsam war und mit einer Essstörung leben musste. Erst als sie es wagte, sich mit ihrem Schild nach außen zu begeben und mit ihrem Streik auf ihr Lebensthema aufmerksam zu machen, wurde sie stark und frei. Sie jubelt regelrecht über die, die sie „hassen“, weil sie ihr Bestätigung darin geben, auf dem richtigen Weg zu sein.

Greta Thunberg ist sichtbar und sie bewegt. Sie weckt leidenschaftliche Gefühle in denen, die ihr „Anderssein“ als Provokation empfinden. Vielleicht weil gerade diese Hater sich nicht trauen, ihre eigene Berufung frei zu leben? Vielleicht kommt die Wut daher, dass die Hater ein tiefes Misstrauen jedem gegenüber empfinden, der sich aus der Masse hervorhebt? Vielleicht schmerzt die eigene Unterdrückung besonders, wenn man sich von einem jungen autistischen Mädchen mit Zöpfen gedemütigt fühlt, das ungestraft gegen Regeln verstößt und sich in den Vordergrund spielt – bejubelt und verehrt?

Brauchen wir Vorbilder, um zu lernen?

Viele Menschen aus den politischen Gegenbewegungen lehnen es ab, wie früher auf den „Führer“ oder die Führerin zu blicken und deren Weisungen zu gehorchen. Dank Internet und globaler Vernetzung sind wir in der Lage, basisdemokratisch und in Echtzeit zu agieren. Das macht es den Herrschenden schwer, Einzelne zu entfernen, um der Bewegung so den Kern zu rauben. Was etwa würde passieren, wenn Greta Thunberg plötzlich nicht mehr wäre? Würde dann die Auflehnung gegen die Misshandlung des Planeten abebben?

Vorbilder und Anführer sind zwei ganz verschiedene Dinge. Vorbilder erzeugen Bilder und Geschichten, die zum Träumen und Visionieren einladen. Sie wecken die Gestaltungskraft in uns. Wir kommen unseren verborgenen Kräften an Imagination und Intuition nahe – Vorbilder inspirieren uns, weiter zu denken als bis zum Tellerrand.

Anführer brauchen Gefolgschaft.

Vorbilder sind Helden

Vorbilder finden wir in der Kunst, in der Literatur, im Märchen, im Leben bedeutender Menschen und in der Religion. Vorbilder sind anders, und sie leben ihr Anderssein in aller Konsequenz. Meist durchlaufen sie eine typische Heldenreise:

  1. Gewohntes Leben
  2. Einbruch/ Scheitern/ Gefahr
  3. Aufbruch in eine unbekannte Welt
  4. Kampf gegen das Zerstörerische
  5. Sieg und neues, erfülltes Leben

Das alles lebt Greta Thunberg vor – unabhängig von ihrem Lebensthema und unabhängig davon, welche Rolle ihre Familie und ihr Umfeld dabei spielen. Man sieht es an ihren Augen, ihrer Ausstrahlung, ihrer Entschlossenheit und ihrer sprachlichen Ausdruckskraft. Da spricht und schreibt kein PR-Profi – da spricht und schreibt ein Mädchen, das anders ist und das sich traut, ihr Anderssein zu leben.

Was ist Dein Anderssein?

In den letzten Jahren legten viele Menschen ihre Hoffnung in die Vision, finanziell unabhängig zu werden, um endlich frei zu sein von Fremdbestimmung und der Unterdrückung ihres wahren Wesens. Andere warteten auf die Rente, um getreu dem Motto „Mit 66 Jahren da fängt das Leben an“ reisen zu können und nur noch das zu tun, was sie gern tun.

Doch nicht die Veränderung der äußeren Umstände sind der Weg zur Entfaltung es eigentlichen Wesens, sondern der Prozess, den wir hier im Vorbild Greta Thunberg erleben können. Da steht jemand auf, der die „Schnauze voll hat“ von Fremdbestimmung und Unterdrückung des eigenen Seins. Da steht ein ganz großes „NEIN“ vor jedem weiteren Schritt und jedem weiteren Atemzug. Oder wie der große Künstler und Berufene Ai WeiWei immer wieder mit ausgestreckten Mittelfinger formuliert in seinen Werken: „Fuck You“!

Anderssein heißt berufen sein

Wer bittet, dem wird gegeben und wer an die Tür klopft, dem wird aufgetan. Das hat das große Vorbild Jesus damals seinen Zuhörern versprochen. Man muss nicht an Gott glauben, um sich diese Kraft zunutze zu machen. Es reicht aus, sich von Herzen zu wünschen, dass die Zeit der Komfortzone vorbei ist und dass man heraus geschubst wird aus dem sicheren Turm.

Oft genug ist Arbeitslosigkeit der Moment, wo es passiert und Menschen die Chance nutzen, sich zu entdecken und ihr Anderssein zu erkennen. Auch die Trennung von Partner/In und Kindern kann dazu führen, dass man aufwacht und sich auf den Weg begibt zu neuen Ufern. Selbst der Tod der Eltern ist für viele Erwachsene entscheidend, um sich endlich zu befreien aus einem braven Leben – aus den hilflosen Versuchen, es allen recht zu machen.

Berufen sein heißt, bewirken können

Wir Menschen denken oft, Berufene sind so etwas wie Heilige. Aber das ist natürlich wieder nur die Vorgabe einer Gesellschaft, die genormte funktionierende Menschen züchtet. Berufen sein heißt nichts weiter, als etwas bewirken zu können aus eigener Kraft. Wie es von außen bewertet wird, ist unerheblich. Das was Greta Thunberg so glücklich macht in ihrem neuen Leben ist, dass sie agieren kann, etwas bewegen, dass sie die göttliche Kraft des Schaffens in sich spürt. Sie ist lebendig! Es gibt sie wirklich!

Liebt gerade die, die Euch hassen

Greta Thunberg hat recht, wenn sie voller Stolz auf diejenigen blickt, die sie hassen. Gerade sie geben ihr die Sicherheit, dass sie schaffen und gestalten kann. Sie ist wichtig. Würde niemand sie hassen, wäre sie langweilig und bedeutungslos. Oder sie wäre das bequeme Abziehbild eines Konsum-Vorbilds, das niemandem wehtut und gefällig bleibt.

Kunst muss provozieren, Anders sein muss provozieren, das wahre Wesen muss provozieren. Lasst uns von Greta Thunberg lernen, uns auf die eigene Reise zum Anderssein zu machen. Mit aller Konsequenz: Verstoßung, Armut, Verachtung und Verzweiflung. Nur wer ernsthaft bittet, dem wird aufgetan. Und nur wer sich in aller Konsequenz auf die Suche nach der Tür der Türen macht, kann klopfen. Und dann wird ihm aufgetan…

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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