Ich bin von je her ein sehr vorsichtiger Mensch – so nach dem Motto „Vertraue auf Allah – aber binde zuerst Dein Kamel fest“. So war ich eine der Ersten in der Corona-Krisen-Vorstufe, die für genügend Vorräte sorgte (ja, auch Klopapier) und die sich auf eine Zeit ohne Einnahmen vorbereitete. Ich selbst habe Glück gehabt. Meine Auftragslage ist gut. Doch einige meiner Ex-Students haben mich bereits kontaktiert, da sie total frustriert sind bei der Suche nach einer Anstellung. Zwar sind die Arbeitslosenzahlen im Mai 2020 weniger stark gestiegen als gedacht (Quelle Handelsblatt), doch ich fürchte, es ist ernst. Zumindest ich würde nun alles tun, um mich in einen Job zu retten, bevor nach der Kurzarbeit alles Elend in Gänze sichtbar wird. Doch was genau würde ich tun?
Natürlich ist es von Branche zu Branche sehr unterschiedlich, wie aussichtsreich bzw. schwierig sich die Jobsuche gestaltet. Auch ist die Lage der Betroffenen sehr unterschiedlich. Die Einen können in Ruhe ihre Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen und sich sorgfältig fortbilden und sich nach interessanten Herausforderungen umsehen – die Anderen geraten zu Recht in Panik, da sie nur wenig Anspruch haben bzw. da sie in einer heiß umkämpften Branche platziert sind. Ganz klar: Je mehr Wettbewerb um Stellen herrscht, desto schwieriger ist es, sich als Bewerber durchzusetzen und eine gute Anstellung mit guten Konditionen zu erhalten.
Was würde ich tun, wenn ich heute arbeitslos würde?
1. Zunächst würde ich mir die Finger blutig googlen, um eine möglichst vollständige Übersicht über meinen Beruf zu erhalten:
– wie viele Stellen gibt es – und in welchen Branchen und Bereichen?
– was berichten Bewerber in berufsspezifischen Foren und Gruppen (z.B. Facebook- oder Xing-Gruppen)
– welche Bewerber haben die besten Chancen – was suchen Arbeitgeber genau?
– wo liegen die Trends und zukünftigen Schwerpunkte in meinem Beruf?
2. Dann würde ich mir bei „Google-for-Jobs“ einen Alert erstellen, um extrem schnell über neue Stellenangebote informiert zu werden, die für mich entfernungsmäßig erreichbar sind. Google Jobs ist eine google-eigene Suchmaschinen, die auch Jobs aufspürt, welche auf Karriereseiten von Unternehmen verborgen sind. Über die Suchanfrage „Job xxxxx“ bekommt man bei Google direkt Zugriff auf diese spezifische Google-Suche.
Alles über „Google for Jobs“ hier
3. Als Nächstes würde ich meinen eigenen Namen googlen und überprüfen, was sich bei meinem Namen für Google-Suchergebnisse ergeben. Ich weiß, dass Personaler und Arbeitgeber bei gesteigertem Interesse gern die Namen der Bewerber googlen. Je entscheidender digitale Kommunikationsfähigkeiten sind in einer Branche (also Marketing, Vertrieb, PR, öffentliche Einrichtungen, geförderte Projekte…) desto entscheidender ist es, mit welchen Profilen und welchen Inhalten ich selbst kommuniziere. Vor Allem Einträge und Dialoge in digitalen Business-Netzwerken können für die Karriere wichtig sein.
4. Ich würde mir für jeden Tag einen Plan erstellen, was genau ich an dem entsprechenden Tag mache, um aus der Arbeitslosigkeit zu kommen. Ich würde mindestens eine Bewerbung täglich schreiben. Zusätzlich würde ich meine Business-Netzwerke strategisch aufpolieren – vor Allem würde ich mein Netzwerk optimieren und sämtliche Kontakte einladen zu Xing und LinkedIn, die förderlich sein könnten bei der Suche nach dem passenden Job.
5. Anhand der Stellenanzeigen würde ich mir eine Liste machen mit den Qualifikationen, die ich optimieren will. Die beruflichen Anforderungen verändern sich durch die Digitalisierung schnell. Ich weiß, dass ich als Arbeitslose/r Anspruch habe auf Weiterbildungen mit dem Bildungsgutschein. Ich würde mir passende Lehrgänge aus dem Angebot heraussuchen und mit sehr konkreten Vorschlägen an meinen Berater bei der Arbeitsagentur herantreten. Hier muss man womöglich sehr schnell sein, denn wir alle können nicht wissen, ob die BA und das Jobcenter weiterhin so großzügig mit Bildungsgutscheinen verfahren können. Parallel würde ich mich allerdings weiterbewerben. Wenn so eine Lawine auf mich zurollt, würde ich mich nicht in der Weiterbildung verstecken.
6. Ich würde auf jeden Fall professionelles Karriere-Coaching in Anspruch nehmen, das von den Arbeitsagenturen und Jobcentern finanziert wird. Hier kann ich mit fachlicher und menschlicher Unterstützung meine Bewerbungsunterlagen optimieren und Strategien besprechen, wie ich meine beruflichen Wünsche realisieren kann. Dieses Job- und Karrierecoaching ist Gold wert. Unbedingt in Anspruch nehmen!
7. Mache ich nach drei, vier Monaten die Erfahrung, dass ich kein einziges Bewerbungsgespräch bekommen habe, obwohl ich mich täglich um mindestens eine Stelle beworben habe, schaue ich mich verstärkt auch nach einfachen Jobs um. Call-Center, Speditionen, Reinigungen, Verkauf, Vertrieb, Zeitarbeit…. egal. Hauptsache ich lerne, wie ich überleben kann, wenn wirklich alle Stricke reißen. Ich erkunde also den Markt der einfachen Jobs mit Mindestlohn um mich für den Ernstfall vorzubereiten: Sollte ich bis zum Ende des ALG I Anspruchs keine passgenaue Stelle gefunden haben, weiß ich dann schon einmal, wie ich an Überlebens-Jobs komme. Das beruhigt meine Nerven.
Fazit: Leben ist Kampf, und ich habe durchaus Erfahrung darin, wie es ist, wenn man plötzlich auf der Straße steht und überleben muss. Als ich mich aus meiner Ehe befreite mit Mitte Dreißig, hatte ich als dreifache Mutter und Hausfrau keine Ahnung vom Arbeitsmarkt. Aber irgendwie musste es ja weitergehen. Ich habe im Fastfood-Bereich gejobbt, in der Spielhalle, in der Pflege, in der Produktion – und Zeitungen ausgetragen habe ich auch. Allerdings lagen meine Abenteuer-Jobs in der Zeit vor dem Mauerfall. Da war es einfacher, zu plakatieren und auf Märkten Schmuck zu verkaufen als heute. Aber versuchen kann man es ja mal!
Für den Wettbewerb um Jobs ist es heute womöglich entscheidend, wie man digital auftritt. In allen Kommunikationsberufen ist digitale Kompetenz entscheidend und wird meist in Stellenanzeigen als Qualifikation genannt. Für andere Berufe wie in der IT können Kenntnisse und Erfahrungen im agilen Arbeiten wichtig sein. Weiterbildung ist optimal in Zeiten von Arbeitslosigkeit!
Und egal, wo man beruflich zu Hause ist – am Besten für den Neustart sind Beziehungen und Netzwerke. Ja, es gibt immer Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit hoch geht und die Stellen sich verringern. Gerade im Mittelstand werden die nächsten Monate – und vielleicht auch die nächsten Jahre schwer. Da darf man sich nicht zu fein sein, alte Beziehungen wieder aufleben zu lassen und um Unterstützung zu bitten. Ob per Xing, per LinkedIn, per WhatsApp oder E-Mail. Persönlich anschreiben, telefonieren, fragen und lernen. Bei Selbstständigen nennen wir das „Akquise“.
Zumindest ist Warten selten eine gute Wahl. Warten macht depressiv und verringert das Selbstbewusstsein. Lieber aktiv sein als hoffen. Das ist meine Erfahrung. Und nun: Ich wünsche gute Freunde, viel Kraft und Selbstüberwindung. Leben geht immer weiter. Und rückblickend mag es sogar eine besonders gute Zeit sein, in der man kämpfen musste. Bei mir war es auf jeden Fall so – auch wenn ich heute darüber schmunzeln muss, was ich alles auf mich genommen habe, um zu überleben…