Franziska und Vivian: Freiheit, was ist das?

Franziska und Vivian sitzen hoch oben auf der Mauer und lassen die Beine baumeln. Ihre Schulrucksäcke lehnen hinter ihnen am Fuß der Mauer. „Sie wollen hier oben Stacheldraht anbringen, weil die Mauer gefährlich ist“, sagt Vivian nachdenklich. „Dann können wir hier nicht mehr sitzen nach der Schule. Irgendwie finde ich das beängstigend. So, als ob unsere Welt immer weiter schrumpft – oder besser: sich immer weiter zusammenzieht.“

„Ja“, antwortet Franziska. „Wie bei der Unendlichen Geschichte“. Die Mädchen schweigen eine Weile. „Würdest Du gern frei sein?“ fragt Vivian. Franziska überlegt. „Das trau ich mir nicht zu – zumindest noch nicht.“ Nach einer Weile: „Wie stellst Du Dir Freiheit vor?“

Vivian legt den Kopf zurück, schließt die Augen und genießt, wie die Sonnenstrahlen die geschlossenen Augenlider wärmen und rötlich einfärben. „Ich bin ein freier Mensch. Ich akzeptiere die Welt ganz so, wie sie ist. Wenn sie schrumpft, dann schrumpft sie eben. Ich bin bereit, all das in fröhlicher Gelassenheit anzunehmen, was ich erlebe. Ich lebe hier als sterbliches menschliches Wesen.“

Vivian macht eine kleine Pause. Vor ihren geschlossenen Augen erscheinen Fetzen von Erinnerungen. „In der Nacht, in meinen Träumen, lebe ich ein zweites Leben – ein Parallelleben, das in einer anderen Dimension stattfindet. Die Menschen, denen ich dort begegne, sind mir häufig aus dem Tagesleben bekannt – doch haben sie eine ganz andere Ausstrahlung, irgendwie ungetrübter. In meinen Träumen erlebe ich meine Abenteuer so, als besuche ich Nacht für Nacht den Kosmos der Toten. Also den Kosmos ihrer unsterblichen Seelen. Und auch ich bin dort unberührter von meinen irdischen Anpassungen. Das mag ein schöner Traum sein, oder auch ein Alptraum – aber die Art, wie ich das Traumgeschehen erlebe, zeigt mir, dass es eine Vivian gibt, die immer schon war und immer sein wird. Das ganz offen auch hier auszuleben, verstehe ich als ein Leben in Freiheit.“

Franziska grinst. „Gut gesprochen, ewige Vivian. Ja, diese Erkenntnis, dass wir einen Kern haben, der zwar durch unzählige Erfahrungen geprägt ist – wahrscheinlich über unzählige Leben auf dem Planeten Erde hinweg – können wir in unseren Träumen wahrnehmen.

Da geht es mir wie Dir. Im Traum bin ich die, die ich wirklich bin. Da verarbeite ich meine Gefühle, Ängste und Sehsüchte der letzten Tage – oder auch lang zurückliegende, noch nicht verarbeitete Schmerzen – als die, die ich unabhängig von Zeit und Raum bin. Du hast Recht: Auch tagsüber zu agieren als diejenige, die ich unabhängig von Zeit und Raum bin, das wäre für mich Freiheit.“

Vivian öffnet die Augen und schaut zu Franziska hinüber. „Aber weißt Du was? Auch diese Existenz als unsterbliche Seele verändert sich bei mir. In meinen siebzehn Jahren als Vivian habe ich die Nacht-Vivian geprägt durch das, was ich hier erfahre und verarbeite. Irgendwie bleibt die Nacht-Vivian gleich in ihrer Persönlichkeit, aber irgendwie macht sie auch einen Lernprozess durch. Sozusagen einen philosophischen Lernprozess. Sie erweitert ihre Fähigkeiten, all das zu akzeptieren, was geschieht. Sie erweitert ihre Möglichkeiten, all das zu lieben, was auf sie einprasselt an „gut und böse“, „schmerzhaft und lustvoll“, beängstigend und geborgen“. Ich glaube, die Erde ist unser Schulungsplanet, um etwas zu lernen, dessen Sinn und Gesetz sich mir allerdings nicht erschließt – wozu ist das alles gut?“

Franziska lässt ihren Blick über die Welt da unten schweifen. Wie winzig das alles aussieht von hier oben!

„Keine Ahnung, wozu das gut ist. Vielleicht inkarnieren die unsterblichen Seelen immer wieder auf der Erde, weil ihnen im dualitätsfreien Kosmos langweilig ist! Vielleicht ist es eine Sehnsucht, die sie treibt. Vielleicht gibt es ein göttliches Prinzip, das nach Erlösung strebt. Vielleicht ist es unser Job, Versöhnung und Nächstenliebe zu lernen, weil das wo auch immer gebraucht wird.

Ich habe absolut keine Ahnung, was das alles soll. Und da es bisher noch kein Mensch entschlüsseln konnte, kein Philosoph und kein Prophet, nehme ich es einfach hin. Hauptsache, ich darf weiter streben nach dieser Freiheit von Unzufriedenheit. Falls es da einen übergeordneten Sinn gibt, werden wir es vielleicht nach unserem Tod erfahren – oder auch nicht. Das Rätsel entschlüsseln zu wollen, erscheint mir müßig.“

„Ich glaube an das göttliche Darüber, darunter, drumherum und darinnen“, lacht Vivian übermütig und springt von der Mauer – hinter sich, in Richtung „Weiterleben“. „Komm, lass uns heimgehen. Wenn Du magst, komm doch mit zu mir. Meine Mutter hat für mich Lebensmittel für ein Mittagessen gekauft – Nudeln mit Fertigsauce, eine Gurke und Salatdressing. Das reicht für zwei. Hast Du Lust?“

Franziska schwingt sich ebenfalls in Richtung „Weiterleben“ und lässt sich von der Mauer gleiten. „Um Gottes Willen, nein! So etwas würde ich nur im äußersten Notfall essen. Kennst mich doch. Nein, ich mache mir lieber ein frisches Essen aus Vollkornreis mit Lauch, Möhren und Misosauce.“
„Iiih, Misosauce“ Vivian schüttelt sich.  „OK, liebe Seelenfreundin. Kannst Dich ja später melden, wenn Du Lust auf mich hast. Hab einen feinen Tag.“

Geschichte von Eva Ihnenfeldt, 09. März 2025

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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