Ostern 2020 – und tausend ungeklärte Fragen…

Für Christen ist Ostern die bedeutsamste Zeit ihres Glaubens. Die Evangelien beschreiben, wie es ist, wenn das gewohnte Leben in Stücke geschlagen wird. Auf Erfolg und Selbstsicherheit folgen Verlust, Einsamkeit, Schmerz – und die Erkenntnis, dass menschliche Freundschaft nur so lange funktioniert, wie nichts „Wichtigeres dazwischen kommt“. Befreiung und Erlösung erfahren die Protagonisten der Evangelien dadurch, dass sie zu Reue und Vergebung finden. Denn nur, wer die Menschen so annimmt wie sie sind, kann frei werden von äußeren Einflüssen.

Noch erleben viele Menschen in unseren Wohlstandsländern die Corona-Krise als Abenteuer bzw. als

Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay

Urlaub von Stress und Überforderung. Auch ich habe es seit Mitte März sehr genossen, so frei zu sein von Arbeit und gesellschaftlichen Verpflichtungen wie seit meiner Gründung im Jahr 2004 nicht mehr.

Diese Ruhe führt im Kleinen schon zu Verhaltensänderungen: Immer häufiger schalte ich Geräuschquellen wie das Radio ab, um der Stille zu lauschen. Die Zubereitung der Mahlzeiten ist nun eine willkommene Luxus-Aufgabe – und nicht mehr eine vom Zeitmesser getriebene Pflicht, um sich gesund ernähren zu können.

Der gesamte Tagesablauf ist geprägt von Lust, Entspannung und Genuss – da niemand mich sehen kann, spielt auch meine äußere Erscheinung keine Rolle mehr. Ich laufe herum, wie es mir gefällt – also wie es am bequemsten ist. Ich verbringe meine Zeit mit dem, wonach mir gerade der Sinn steht – kann es einen schöneren Urlaub geben als den in vertrauter Umgebung? Für mich zumindest ist diese Zeit wie ein himmlisches Geschenk. Ich komme zu Kräften und ich komme dazu, mich neu zu denken.

Die Ruhe vor dem Sturm

Natürlich ahne ich, dass nicht einfach alles wieder zur Normalität zurückkehren wird, wenn sich irgendwann die Nationen aus der verordneten Quarantäne entlassen. Laufen Produktion und Konsum im globalisierten Markt wieder rasch an, so dass Lieferketten wie vor der Krise funktionieren und alles verfügbar bleibt? Oder wird es eine weltweite Epidemie der Arbeitslosigkeit und Verelendung geben, die auch uns „Versailles-Bewohner“ nicht unverschont bleiben lässt?

Wird sich unser Hochmut in Angst und Verzweiflung verwandeln? Wie tragfähig sind unsere sozialen Sicherungssysteme? Was wird unser angespartes Vermögen noch wert sein, wenn der gesamte Markt in sich zusammenschrumpft – und wenn die Banken in einen Zustand geraten, den wir seit 2009 mit lauter Eingriffen der Notenbanken aufgeschoben haben.

Jeder Interessierte weiß wohl, dass die Finanzwirtschaft einem fragilen Kartenhaus gleicht. Der Aktienmarkt hat sich von der realen Wirtschaft abgekoppelt – Firmenbewertungen gleichen häufig Zocker-Prognosen. Massive Aktienrückkäufe börsennotierter Unternehmen führen unweigerlich zur Verringerung der Eigenkapitalquote – und zur Täuschung der Aktionäre.
Wirtschaftskurier: Unternehmen werden im Schnitt nur 9 Jahre alt

Immerhin liegt die Lebenserwartung aller börsennotierten Unternehmen in unserer innovationsgetriebenen Welt heute bei weniger als zehn Jahren. Ist der Planet Erde nicht nur ökologisch – sondern auch finanzwirtschaftlich am Ende? Und wenn das so ist, was hat das für jeden Einzelnen von uns für eine Bedeutung? Ist schon Schluss mit der Definition „Konsument“ für den Homo Sapiens? Müssen wir uns rückbesinnen auf andere Aufgaben und Lebensinhalte? Aber welche sollen das sein? Die Rückkehr zu Familie, Selbstversorgung und Nachbarschaftshilfe wie in der Zeit von „Grimms Märchen“?

Es geht immer weiter…

Ein Messer kann ein Werkzeug sein und eine Waffe. Die Corona-Krise (gleichgültig was ihre Ursachen und Interessenslagen sind) stellt jede Gesellschaft vor die Frage, wie wir nun die Prioritäten setzen. Mag sein, dass die ausufernde Zocker-Mentalität der Profiteure nun ihr Ende findet – aber genau so gut kann es sein, dass die Geier gerade jetzt erbarmungslos zuschlagen und sich die Hände reiben.

Mag sein, dass die Menschen sich auf Kooperation, Eigenhilfe und Kreativität besinnen, doch genau so gut kann es sein, dass sie darauf bedacht sind, ihre eigene Haut und die Haut ihrer Blutsfamilie zu retten. „Heiliger Sankt Florian, verschon’ mein Haus – zünd’ and’re an“ ist wohl auch bei mir in jeder Zelle eingelagert. Zwar wünsche ich aus ganzem Herzen jedem fühlenden Wesen das Beste, das heißt aber noch lange nicht, dass ich bereit bin, für diese Wünsche Opfer zu bringen. Das Hemd sitzt mir Mensch näher als die Hose…

Ostern und die Osterphasen

Durch ein Wunder „Seht, das Grab ist leer!“ werden die engsten Begleiter des Jesus von Nazareth so tief erschüttert, dass sie neue Prioritäten setzen. Zunächst kuscheln sie sich 39 Tage lang an den Wiederauferstandenen (und sei er auch nur ein Trugbild gewesen) – dann erleben sie tiefste Verzweiflung und Panik nach dem Entschwinden des Angebeteten und sperren sich gemeinsam ein. Neun Tage später erfahren sie an Pfingsten spirituelle Selbstbestimmung durch den „Heiligen Geist“, der sie erfüllt und frei macht von Angst und Zweifel. Sie gehen aus und wirken aus eigener Kraft. Ob das auch uns gelingen wird?

Wirken aus eigener Kraft

Ich hatte ja versprochen, dass ich die Zeit der Ruhe nutzen werden, um mich neu zu erfinden. Sehr weit bin ich noch nicht gekommen damit. Ich schöpfe Kraft und kann noch nicht einordnen, ob ich diese Kraft für neue Lebensaufgaben nutzen werde – oder ob mein Egoismus siegt und ich mich nur in so weit engagieren werde, wie ich es für mein persönliches Glück für sinnvoll erachte. Es ist wie es ist. Ich werde sehen…

Ich wünsche mir eine neue Lebensaufgabe

Was ich mir wünsche ist, dass ich zu neuer Hochform auflaufe und alles tun werde, um den vielen Menschen zu helfen, die vor Arbeitslosigkeit, Insolvenzen und Verelendung stehen. Ich kenne meine Stärken ganz gut. Zwar bin ich nun 15 Jahre älter als im Jahr 2004, als ich mich selbstständig machte mit der Gründung einer eingetragenen Genossenschaft, die Arbeitslosen eine Perspektive bieten konnte durch Existenzgründung und Loslösung aus dem „Herr und Knecht“-Schema. Das hatte damals exzellent funktioniert. Mehr als 500 Gründer konnten durch uns begleitet werden – und nur sehr wenige fielen zurück in die Arbeitslosigkeit.

Natürlich wird sich das nicht so einfach wiederholen. Geschichte wiederholt sich nie. Doch ich bin gut darin, meine Wut in Aktivität zu transformieren. Ich bin gut darin, zu verhandeln und zu überzeugen. Ich bin gut darin, zu begeistern und Menschen zu vermitteln, dass sie unaustauschbar einzigartig wertvoll sind – dass sie gebraucht werden – und zwar alle.

Den Nächsten lieben wie sich selbst

Möge Ostern 2020 der Anfang werden von etwas, was die 90 Prozent erstarken lässt und was ihnen zeigt, dass Zusammenhalt über Familien und Freundeskreise hinweg eine erfüllende Erfahrung ist. Not schweißt zusammen – wenn man denn in der Lage ist, jeden Menschen so zu mögen wie er nun mal ist. Klopapierhamster, Luxusfetischist, Griesgram, Langeweiler oder Rebell… Ja, könnte sein, dass ich noch einmal gebraucht werde mit meinen Stärken und meinen Visionen. Das wäre schön.

Am 16. April beginnt mein nächster Lehrauftrag (so Gott will). Ich werde erfahren, ob es schon erste Anzeichen gibt für Not und Hoffnungslosigkeit. Das ist gut. So lange ich in meiner selbst gewählten Isolation „Urlaub“ spiele, erfährt mein Mitgefühl keine Nahrung. Ich brauche die intensive Begegnung mit Menschen, um meine Liebesfähigkeit anzuheizen. Und ich freue mich drauf. Was ist ein Leben ohne gelebte Nächstenliebe?

Also lasst uns Ostern 2020 gebührend feiern und vielleicht auch ein bisschen recherchieren, was denn damals nun wirklich passierte. Egal ob Christ, Jude, Moslem, Buddhist, Atheist oder Agnostiker, das archetypische Wunder der Erlösung bleibt immer gleich: Verzweiflung, Reue, Befreiung.

Ich wünsche mir von Herzen, dass Nächstenliebe über Egoismus siegt und dass wir neue Prioritäten setzen in Zeiten des Zusammenbruchs. Was gibt es Schöneres als einen Neuanfang? Und mal ehrlich, sooooo toll war dieses Zeitalter des „Homo Consumericus“ auch nicht. Eher ein bisschen peinlich oder?

Frohe Ostern all Ihr Lieben! Ihr macht mich glücklich. Ich brauche Euch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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