Social Media für Diejenigen, die mehr wollen als Profit

In den letzten Jahren ist Social Media leider immer weiter in die Vertriebs-Ecke gerutscht. Wie kann ich Reichweite erhöhen, zum Kauf animieren, Leads generieren und Kunden zu Empfehlern machen… Die guten alten Blogger, die Social Media Tools nutzten, um eine eigene Stimme zu haben und sich digital auszutauschen, sind gerade anscheinend unmodern. Doch gerade Corona zeigt uns, dass monetärer Profit im Leben nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Es geht auch um Sinn, Berufung, Gemeinschaft, Anerkennung, Kreativität und Spaß! So wie es uns die Kiddies bei TikTok vormachen. „Einfach tun“ könnte zu einer neuen Bewegung werden.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Dieter Bohlen sagte in einem sehr interessanten OMR-Podcast mit Philipp Westermeyer: „Wenn Du richtig gut in etwas bist, läuft Dir der Erfolg hinterher“. Dieser Spruch hat mich damals sehr geprägt. Ob als Dozentin oder Coach: Ich wünsche mir, dass Unternehmen, Institutionen und alle schöpferisch Tätigen sich erst einmal auf das Inhaltliche konzentrieren – und dann darauf vertrauen, dass ihr Tun von Erfolg begleitet wird.

Was ist denn eigentlich „Erfolg“?

Wie definiert sich nun Erfolg? Lässt sich Erfolg wirklich in Zahlen ausdrücken wie Umsatz und Gewinn? Ist Social Media wirklich nur interessant für Unternehmen und Solo-Selbstständige, die daraus monetären Profit ziehen wollen? Könnte es sein, dass Erfolg auch ganz anders definiert werden kann – und in seiner Bedeutung geldwerte Vorteile überragt? Hier einige Vorschläge:

  • Gesellschaftliche Veränderung
  • Gleichgesinnte erreichen
  • Inspirationen von außen
  • Anerkennung geben und erhalten
  • Wünsche realisieren
  • sinnvolles Engagement
  • Kreatives Schaffen
  • Lernen und Lehren
  • Vorbild sein
  • Heilung
  • Freunde und Mentoren
  • Idealismus
  • Selbstverwirklichung
  • Selbstwirksamkeit und Resilienz

Ich wünsche mir, dass sowohl Institutionen, als auch Einzelne und Unternehmen sich endlich wieder im Social Web auf das besinnen, was ihnen auch in ihrem real existierenden Bestehen wichtig ist. Schließlich besteht bei den allermeisten Systemen die Orientierung nicht allein aus Profit- und die Effizienzsteigerung durch Kunden und Mitarbeiter.

Klinikum Dortmund

Als Beispiel möchte ich das Klinikum Dortmund anführen, eine Einrichtung, die für ihr Social Media Marketing einen Preis nach dem anderen gewinnt. Verfolgt man aufmerksam die Aktivitäten der Klinik, wird deutlich, dass hier genau das passiert, was Dieter Bohlen benannte: Wenn Du richtig gut in etwas bist, läuft Dir der Erfolg hinterher“. Die Klinik zieht Patienten, Mitarbeiter, Unterstützer und begeisterte „Fans“ magisch an. Hier erklärt Marc Raschke, der als Journalist und Social Media Manager verantwortlich ist für diese hervorragende digitale Kommunikationspolitik, was das Geheimnis für Social Media Marketing in meinem Verständnis ist.
10 Erfolgsfaktoren für Social Media Marketing

Elvis aus Mannheim

Und noch ein Beispiel möchte ich anführen – ein Beispiel aus dem verpönten TV-Sender RTL 2. Seit einiger Zeit hat sich der Sender fokussiert auf Sendeformate, die das Leben von weniger Privilegierten zeigen in Deutschland. Manche Formate sind extrem inszeniert, manche wirken authentisch. Manche sprechen eher Schadenfreude und Häme der Zuschauer an – andere fokussieren Mitgefühl und Anerkennung für Menschen, die trotz Einschränkungen ihr Leben meistern.

In dem Format „Hartz und herzlich“ werden zurzeit jeden Dienstag Bewohner einer ehemalige Arbeitersiedlung aus Mannheim begleitet. In diesen „Benz-Baracken“ leben viele Menschen von Hartz IV, und es ist für Zuschauer faszinierend zu beobachten, wie die Menschen ihr Leben bewältigen und mit welchen Herausforderungen und Problemen sie zu kämpfen haben.

Da sind charismatische Charaktere wie Dagmar oder Elvis, die zunehmend auch bei Facebook und auf anderen Social Media Kanälen Fans gewinnen. Elvis, mit Katrin verheiratet und Vater von 8 gemeinsamen Kindern, ist im Laufe der Zeit ein bisschen zum Star geworden – vielleicht sogar für den Einen oder Anderen zum Vorbild in seiner Art zu denken und zu bewerten.

Die Familie von Katrin und Elvis ist aufgrund ihrer großen Familie fundamental auf Unterstützung angewiesen – selbst ein Chefarzt hätte Probleme, acht Kinder zu ernähren. Da ein Zuverdient sich kaum für sie lohnt, haben sie auch kein Interesse daran, dass die TV-Fans ihnen Geschenke oder Geldspenden zukommen lassen – das gibt nur Ärger mit dem Jobcenter.

Und doch profitiert die Familie von der öffentlichen Aufmerksamkeit: Selbstwirksamkeit und Lebenssinn durch Anerkennung von außen sind Erfolge, die sich wahrscheinlich auch auf die Kinder auswirken. „Meine Eltern sind wichtig. Man hört uns zu. Wir sind ein Vorbild für Andere“. Sind das nicht auch wichtige Erfolge?

Natürlich ist die Kehrseite von Ruhm hart. Persönliche Angriffe und Shitstorms, klingelnde Fans vor der Tür, ständige Ablenkungen durch Facebook und Co – einfacher ist das Leben garantiert nicht geworden. Doch zu spüren, dass man wertvoll ist und etwas zu geben hat, das wiegt bisher anscheinend schwerer als die vielen Störungen und Probleme, die durch die öffentliche Aufmerksamkeit entstehen.

Öffentlichkeit kann befreien

Ich könnte noch unzählige Beispiele aufführen für den Beleg, dass auch abseits von monetärem Profit Social Media Sinn und Bedeutung in das eigene Leben bringen. Blogger, die ihre tödliche Erkrankung mit einem öffentlichen Tagebuch begleiten; YouTuber und Foren-Admins, die aus Idealismus ihr Wissen und Können weitergeben – und natürlich die vielen vielen Podcaster, die auch ohne Werbeeinnahmen profitieren von ihren Werken. Selbst wenn sie nur ganz wenige Hörer verzeichnen. Man ist Sender geworden – Öffentlichkeit kann befreien!

Unsere Daten werden so umfangreich verwertet, dass es eventuell sogar ein Schutzschild ist, sich bewusst sichtbar zu machen. Algorithmen sind dermaßen unzuverlässig in ihren Bewertungen (Intransparente Diskriminierung durch KI) – da kann es schon ganz nützlich sein, eine eigene Stimme zu haben 😉

Ich selbst fühle mich seit vielen Jahren ausgesprochen wohl in meiner Lebensstrategie „Das beste Geheimnis ist eine offene Tür“. Dass mein Anwalt und ich damals sogar vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen haben, verdanke ich nur dieser Öffentlichkeit. Einfach mal darüber nachdenken: Einfach tun ist manchmal der richtige Weg…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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4 thoughts on “Social Media für Diejenigen, die mehr wollen als Profit

  • Reply Yvonne Rowoldt 1. Dezember 2020 at 09:25

    Hallo Eva,

    Du machst es einen nicht leicht, ein like/Herzchen zu vergeben.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 2. Dezember 2020 at 18:34

      Da hast Du wohl recht – und ich weiß ja „Ohne Moos nix los“ – aber trotz Alledem, wie bei der Liebe: Wenn man unbedingt die große Liebe kennenlernen will, passiert nichts – wenn man locker wird, dann kommt das große Glück…

  • Reply Andreas 8. Dezember 2020 at 11:26

    Du hast mir mit diesem Beitrag aus der Seele gesprochen!!

    • Reply Eva Ihnenfeldt 10. Dezember 2020 at 10:36

      Danke schön lieber Andreas! War gerade auf Deinem (Euren) Portal und fände spannend zu hören, wie sich das Geschäftsmodell trägt und was Euch antreibt. http://www.studi-kompass.com. Vielleicht können wir irgendwann ein Video- oder Audiointerview dazu machen…

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