Warum hat man ein schlechtes Gewissen?

Heute morgen erwachte ich mit einem schlechten Gewissen. Gestern war ich bei herrlichem Sonnenschein mit meiner Freundin in Düsseldorf auf der Königsallee gewesen und hatte mir für 160 Euro etwas gekauft. Nicht dass das selten passiert – auch in Dortmund gehe ich gern shoppen… aber im Flair der vielen Luxus-Autos, Luxus-Läden und Luxus-Menschen fühlte es sich ganz anders an. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich schuldig fühlte, mich „im Angesicht des Jammers und Elends der Welt“ mit den Reichen und Schönen verbrüdert zu haben. Und dann habe ich gegooglet…

Heute früh musste ich also tätig werden, weil eine Eva ungern länger als 30 Minuten mit einem schlechten Gewissen lebt. Ich googlete „Gewissen“ und landete bei Wikipedia. Freud hatte damals als Erster unser Gewissen demaskiert als das, was die verschiedenen Autoritäten uns von Baby an einbläuen. Eltern, Kirche, Lehrer, Staat, Gesellschaft…

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Gewissen ist das, was uns zu funktionalen Mitgliedern eines Systems macht. Im Christentum wird die natürliche Freude an sich selbst unter Schuldgefühl gesetzt (Masturbation ist Sünde, Luxus ist Sünde, Egoismus ist Sünde) – in einem Kannibalen-Stamm ist es womöglich die Pflicht jedes Gottgefälligen, fremde Menschen aufzuessen. Egal.

Nach Freud kam dann C. G. Jung mit der Weiterführung dieser systemerhaltenden Instanz „Gewissen“. Als Kind glauben wir all den Kram, den man uns einbläut – je erwachsener wir werden, desto mehr kann sich bei dem Ein- oder Anderen der Wunsch entfalten, sich aus dieser Fremdbestimmung zu befreien.
Die Einen werden rebellisch und verstoßen gegen all diese moralischen Regeln (Du darfst nicht… ) die Anderen werden krank daran, dass sie nicht in der Lage sind, die Regeln zu erfüllen (Du bist schuld…). Die Einen kämpfen, die Anderen leiden. Die Einen werden zu Tätern, die Anderen zu Opfern.

Und nun sagt C. G. Jung: Das was unsere Welt weiterbringt, ist gerade das, was gegen die bisherigen moralischen Normen verstößt! Der Porsche-Fahrer, der auf der Königsallee seinen Motor aufheulen lässt, um sich exhibitionistisch zu präsentieren, ist sozusagen ein Rebell gegen dieses kalvinistische Prinzip der Selbstverleugnung und Askese! Yeah!

Mein Freund brachte mein Problem dann am Frühstückstisch mit dem Satz „Die Porschefahrer auf der Kö sind doch eigentlich ein bisschen so wie damals die Hippies, die mit ihren buntbemalten VW-Bussen und langen Haaren herumfuhren“. Ich selbst hatte es damals genossen, mit meinem Liebsten und unserem angemalten DKW-Zweitakter in Paris ein paar Mal um den Arc de Triomphe zu kreisen und zurückzuwinken, wenn die Pariser uns fröhlich zuwinkten.

Nun ärgere ich mich, dass ich nicht diese Luxus-Rebellen mit ihren Schlitten gewürdigt habe mit Lachen, Fotos und Begrüßungswinken. Sie sind es, die mich ein minibisschen befreien von meinem Jesuspeople-Über-Ich. Ich will nicht mehr fremdgesteuert sein von diesen Schuldgefühlen, mit meinem egoistischen Genießen dem „Armen sein Brot zu entreißen“.

Um unsere Welt weiterzuentwickeln, sagt Jung, sind wir angewiesen auf die, die gegen Moral und Ethik verstoßen. Sonst würden wir heute noch auf den Bäumen hocken und sterben wie die Fliegen, wenn Wetter und Körper uns übel mitspielen. Gegen das Gewissen zu verstoßen, ist auch die Befreiung von Fremdbestimmung und Gehorsam gegenüber dem System.

Also liebe Schuldgeplagten: Seid stolz darauf, dass Ihr Euer Gewissen spürt. Denn nur das, was man ins Bewusstsein holt, kann bezwungen werden durch Demaskierung. Ob Schuldgefühle gegenüber Eltern, Kindern, Hilflosen, Kollegen, Chefs, Religion oder Behörden… Fahrt ab und zu mal bei strahlendem Sonnenschein nach Düsseldorf an die Kö und bewundert diese frechen Sportwagen-Fahrer, die ungehemmt mit ihren Autos protzen.

Und mal ehrlich: Diese Spaß-Freaks sind wahrscheinlich mildltätiger zu Armen und Bettlern als die „Betschwester“ Eva, die verbittert ihr Portemonnaie umklammert. Und dann als Shopping-Süchtige sich doch ihren Klamotten-Schuss setzt 😉 Um ihre Schuldgefühle zu nähren wie einen Kater. Wie lächerlich! Du bist ok, ich bin ok. Wir sind schön und wir leben verdammt gerne. Fertig.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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