„American Factory“: Durch Zufall fanden wir gestern abend diese im August 2019 veröffentlichte Netflix-Dokumentation über die Fabrikübernahme eines chinesischen Konzerns in den USA. Der fast zweistündige Film zeigt, was mit den Menschen in Dayton/ Ohio passiert ist, die durch die Schließung des Werks von General Motors im Jahr 2008 entlassen wurden und seitdem in Armut und Perspektivlosigkeit irgendwie überleben. Dann der Wandel: 2014 erwarb die in China ansässigen Fuyao Glass Industry Group Co. Ltd. das Werk und investierte rund 500 Millionen US-Dollar in die Revitalisierung des geschlossenen Werks von General Motors.
Man sieht mit Staunen und Entsetzen, wie 200 hoch qualifizierte chinesische Fach- und Führungskräfte etwa 1.000 US-Arbeitern gegenüberstehen – und wie nach und nach sämtliche Rechte dieser Arbeiter verloren gehen – bis hin zu absurden Ritualen aus der autokratischen Staatsideologie Chinas: Morgenappelle sollen die Arbeitsleistung verbessern. Die Bedingungen, unter denen in China produziert wird, sind wie aus einem Alptraum. Man opfert sich auf für das Unternehmen. Das eigene Leben scheint kaum eine Bedeutung zu haben. Immer wieder beschweren sich die chinesischen Experten über die Ineffizienz der US-Beschäftigten.
Die mehr als 1.000 US-Arbeitskräfte – die anfangs noch überglücklich ihre Arbeitsverträge in Händen halten, erkennen nach und nach, wie sich die chinesische Herrschaft über die werktätige Bevölkerung auswirkt. Da die Gründung einer Gewerkschaft vom chinesischen Management mit allen Mitteln verhindert wird, gibt es wohl nur wenig Möglichkeiten, sich zu wehren. Wer nicht spurt, wird entlassen. Und da die US-Arbeiter ja so ineffizient, faul und dumm sind, werden auch die „Braven“ nach und nach durch chinesisch importierte Arbeitskräfte oder durch Roboter ersetzt – ob hier nur ein Einzelfall dokumentiert wird? Oder ob das die Zukunft unserer Arbeitswelt zeigt?
Das Sozialsystem in den USA ist die absolute Katastrophe. Bill Clinton hat in seiner Amtszeit verfügt, dass jeder US-Bürger maximal fünf Jahre lang Sozialleistungen erhält – für das gesamte Leben. Selbst der Bezug von Lebensmittelmarken ist auf drei Jahre und drei Monate begrenzt. Heißt: wer lange bedürftig ist, bekommt überhaupt nichts mehr und hat entweder einen Unterschlupf bei Verwandten oder Freunden – oder ist obdachlos und auf private Wohlfahrt angewiesen.
Es ist also kein Wunder, dass die ehemalig gut bezahlten Arbeiter von General Motors alles mitmachen bei der chinesisch geführten Fuyao Glass Company. Wer Existenzangst hat, mutiert sehr schnell vom selbstbewussten Produktionsmittel zum ehrlosen Sklaven.
Also unbedingte Empfehlung, diese Netflix-Dokumentation zu gucken, die von den Obamas mit ihre neu gegründeten Produktionsfirma Higher Ground in 150 Ländern vermarktet wird. Allerdings sind Barack und Michelle Obama erst eingestiegen, als das Werk schon fertig vorlag. Die renommierten US-amerikanischen Doku-Filmemacher Julia Reichert und Steven Bognar sind verantwortlich für das Meisterwerk.
Zeitonline über die Netflix-Dokumentation und die Auswirkungen auf den Kapitalismus