Seit Corona hat es sich eingebürgert in Deutschland, sich beim Abschied ein „Bleib gesund“ hinterherzurufen. Ich spüre dann immer, wie mich das unangenehm berührt. Gestern schrieb mir eine wunderbare Frau, dass es sie störte, als ich ihr den Rat gegeben hatte „Überarbeite Dich nicht!“ Weil genau das dadurch bei ihr passierte. Sie schrieb: „Du bist nicht meine Mutter und ich bin eine erwachsene Frau. Nur Müttern steht es zu, sich um ihre Kinder zu sorgen. Weil es ganz einfach ihr natürlicher Trieb ist. Ich mag es nicht, wenn Du Dich um mich sorgst. Es tut mir nicht gut“.
Ich bin sehr dankbar für diese Ermahnung, und ich finde sie hat absolut recht. Ich hatte es nur so dahingesagt – doch es kam bei ihr an wie eine Drohung. Wie die in Liebe gekleidete Drohung einer Mutter…
„Pass auf Dich auf!“
Erwachsene haben häufig den Drang, einem rennenden kleinen Kind hinterherzurufen „Pass auf – Du fällst gleich!“. Sie bremsen das Kind und hoffen, dass es daraufhin aufhört zu rennen – und sie entschulden sich, falls es weiterrennt und sich durch einen Sturz verletzt. Falls das Kind ausgiebig schreit nach einem Sturz, haben sie die Möglichkeit es zu maßregeln mit der Begründung „Ich habe es Dir ja gesagt!“.
„Bleib gesund“ ist die „Fall nicht“ Ermahnung für Erwachsene. „Pass auf Dich auf“, „Überarbeite Dich nicht!“, „Lass Dich nicht ausnutzen“ und und und. Jede dieser anscheinend wohlmeinenden Ermahnungen bei Erwachsenen ist mit gehörigem Eigennutz verbunden – mit einem entschuldenden „Ich habe es Dir ja gesagt“.
Ratschläge sind auch Schläge
Lasst uns aufhören, Menschen, die wir nicht kontrollieren können, durch mütterliche (oder väterliche) Ermahnungen zu manipulieren. Meine sehr erwachsene Tochter übrigens ist extrem empfindlich, wenn sie sich von mir so behandelt fühlt. Dann bekomme ich sofort die gelbe Karte. Es steht mir nicht zu, mir ungebetene Sorgen um sie zu machen, um mich zu entschulden. Will sie meinen Rat, wird sie mich darum bitten. Ansonsten habe ich nicht das Recht, mich in ihr Leben einzumischen mit meinen „Pass auf!“-Gespinsten.
Also in diesem Sinne: Grüß Gott! Und Pfiat Di (Gutes Führen und geführt werden). Habt Vertrauen und lasst los.