Die Angst vor der Bühne ist größer als die Angst vor dem Tod

„Geh nach Ninive und predige den Ungläubigen“. Irgendwo habe ich gehört, dass die meisten Menschen mehr Angst vor der Bühne haben als vor dem Tod. Nackt sein, ausgeliefert, schutzlos vor Publikum – psychologisch lässt sich das gut erklären damit, dass man sich als Kind nicht wirklich geliebt fühlte. Doch was ist, wenn noch etwas ganz Anderes hinter der Angst vor der Sichtbarkeit steckt? Und zwar die Angst vor der eigenen Berufung?

Bild von StockSnap auf Pixabay 

Ich glaube an die Existenz der Seele. Ich glaube, dass der Mensch mehr ist als eine biologische Maschine, die bei ordentlicher Pflege und Wartung reibungslos funktionieren kann. Ich glaube, dass jede Seele auf diesem Planeten eine Aufgabe hat, die überhaupt dazu geführt hat, dass sie geboren werden wollte

In meiner Arbeit mit den „Unbrauchbaren“ lerne ich viel über die Kostbarkeit jeder einzelnen Seele. Ich darf Menschen kennen lernen, die mich verzaubern mit ihrer Tiefe, ihrer Schönheit, ihrer Zartheit. Da ist der Rettungssanitäter, der zerbrach an dem unzähligen Leid, das er in seiner langen Berufszeit sah. Da ist die ewig Gemobbte, die sich keinen anderen Rat weiß, als sich vor allen Menschen schützen zu wollen in ihrem Schmerz. Da ist die sich Aufopfernde, deren Körper an unzähligen Krankheiten leidet, so dass sie sich nicht zu sehr verausgaben kann. Da ist der Gigant, der allen Lebensmut verloren hat – und ich weiß nicht warum…

Ich stehe vor all diesen Wundern und staune fassungslos. Angst, Rückzug, Lähmung, Selbstzweifel, Verlassenheit und Trauer erblicke ich. Ich grüble und forsche, wie ich helfen kann. Wir kann ich etwas bieten, was bisher keine Therapie schaffte und kein Medikament? Sollte ich nicht einfach schulterzuckend aufgeben? Sind die am Leben Verzweifelnden das, womit die moderne Gesellschaft klarkommen muss? Können wir für die Helden der Bergpredigt nicht mehr tun als sie versorgen und durch Medikamente symptomatisch unterstützen?

Und ich höre das Buch Jona und muss schmunzeln. Da ist ein Mann, der von Gott berufen wird, weil er eine besondere Gabe hat. Doch um diese Gabe einzusetzen, soll er nach Ninive gehen und den „Ungläubigen predigen“. Er soll sich sichtbar machen, soll auf die Bühne, soll sich den Menschen ausliefern. Und was macht Jona? Er flieht vor seiner Berufung. Heute würden wir wohl sagen, er wird depressiv. Er versteckt sich, will sich umbringen, landet schließlich in einer Fischbauchhöhle. Er wird nach drei Tagen „neu geboren“, geht nach Ninive, bringt die Menschen zum Staunen und alles wird gut.

Ich sage Euch, wir alle haben eine solche Berufung. Und ich behaupte, sehr viele von uns haben vor ihrer Berufung eine Heidenangst. Und ich mache die Erfahrung, dass Wunder passieren, wenn meinen Leuten erst einmal klar wird, wie unersetzbar einzigartig großartig sie sind. Das heißt ja nicht, dass man im Stadtpark predigen soll auf einer Holzkiste! Oder dass man mit seiner Malerei Picasso Konkurrenz machen muss!

Nein, meist sind es die kleinen Dinge des Lebens, die zu Wundern führen. Da ist die ehemalige Produktionshelferin, die plötzlich als Seniorenassistentin Greisen hilft, versöhnt und friedlich ihre Demenz zu leben. Da ist der LKW-Fahrer, der mit seiner Programmierkreativität zum gefragten Softwareentwickler wird. Da ist sechsfache Mutter, die sich mit ihrem neuen Beruf von ihren Kindern emanzipiert. Und da ist der psychisch eingeschränkte Frührentner, der in der Tagesstätte zum emotionalen Zentrum wird für seine Mitbetroffenen.

Es gibt so viel zu tun und niemand ist umsonst hier. Die Angst vor der Sichtbarkeit ist die Angst vor dem Großartigen. Abseits aller psychologischen Erklärungsversuche gibt es noch etwas Anderes: Glaube und Berufung.

Vor einigen Tagen sagte ein Klient zu mir im Brusttöne der Überzeugung: „Ich weiß, dass es Gott gibt“. Ich war völlig verdattert. Nie würde er eine solche Behauptung aufstellen, wenn er nicht wirklich davon überzeugt wäre! Dafür ist er viel zu bescheiden und viel zu behutsam.

Vielleicht ist das, was ich geben kann – zusätzlich zu dem, was in Therapien und mit Substituierung getan wird – dass ich mit meinen Leuten über Gott sprechen kann. Über das, was wir glauben und was wir hinter der biologischen Funktionalität wahrnehmen. Frei von aller ideologischer, religiöser Einengung. Vielleicht können wir gemeinsam so auf das kommen, was die Berufungen sind all meiner wundervollen versteckt lebenden Seelen. Das wünsche ich mir. Es gibt so viel zu tun! Packen wir es an.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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