Ich und mein „Menschen Retten wollen“ Zwang. Es tut mir leid!

Meine Mutter hatte ein trauriges Leben – und ich wollte sie so gern retten! Schon als Kleinkind wollte ich alles tun, um sie glücklich zu machen. Und ich machte mir Vorwürfe, weil sie durch meine Geburt in diese Lage gekommen war: Aus der ehrgeizigen aufstrebenden, beliebten Chefin wurde eine Hausfrau. Finanziell abhängig, einsam, ausgeliefert. In jeder Zelle sitzt mir diese Kindheit, und ich nehme mein Schicksal gern an.

Bild von Phan Minh Cuong An auf Pixabay 

Das „Retten wollen“ gibt meinem Leben Sinn und hilft mir über Krisen hinweg. Ich glaube immer noch wie als kleines Mädchen daran, dass es einen Weg gibt, unsere Welt in ein Paradies zu verwandeln. Würde ich diesen Glauben verlieren, wäre ich selbst verloren.

Verliebt habe ich mich gern in Männer, die ich retten wollte wie einst meine Mutter. Selbstverständlich bin ich jedes Mal gescheitert. Man kann andere Menschen nämlich nicht retten! Das Beste, was wir einem Menschen geben können, ist das Vertrauen, dass er weiß, was das Beste für ihn ist. Wertschätzung und gegenseitiger Respekt sind die Grundlage für ein gutes Zusammenleben.

„Retten wollen“ heißt, das Gegenüber zum Bettler zu degradieren. Das ist schlimm. Das verhindert sogar Heilung. Statt Zutrauen empfängt der zu Rettende Mitleid. Furchtbar!

Liebe Menschen-Retter…

Liebe Menschen-Retter. Ja, wir tragen unser Schicksal in jeder Zelle mit uns herum. Und darauf können wir durchaus stolz sein. Viele große Geister haben schon in frühster Kindheit erfahren, wie geliebte Menschen leiden mussten. Das macht uns empathisch und feinfühlig. Wir sind dadurch sozusagen zu Menschenkünstlern geworden. Unsere Kunst ist das Eindringen in Gefühlswelten, So ein bisschen wie das, was Wahrsagerinnen auf der Kirmes können: Wir können aus der Hand lesen 😉

Aber wir sollten uns vor der Falle hüten, Menschen zu retten wie leidende Kätzchen. Es sind nämlich keine Tiere – es sind Menschen wie Du und Ich. Sie haben ihren Weg – wir haben den unseren. Ihr Weg ist genau so respektabel wie der unsere. Auch wenn ihr Weg vielleicht extrem dramatisch ist. Es ist ihr Weg – und ich wünsche mir, dass sie stolz auf sich und ihren Weg sind. Kann man einem Menschen mehr geben als Bewunderung und Respekt? Ist es nicht genau das, was wir als „Liebe“ bezeichnen?

Bitte traut Euch, liebe Menschen-Retter, die Welt so anzunehmen, wie sie ist. Natürlich dürfen wir weiterhin unserer Berufung folgen und uns für andere Menschen engagieren! Wir dürfen spenden, tatkräftig zupacken, gründen, begleiten, zuhören, gestalten und lernen. Der Mensch braucht Hobbys. Wir lieben Menschen und das ist unser Hobby. Nicht mehr und nicht weniger.

Robert Betz hat das in diesem kurzen Video so wunderbar zusammengefasst. Mich hat es sehr angesprochen, da mein Inneres Kind wohl tatsächlich einer der Prototypen der „Menschen-Retter“ ist: Einzelkind, weiblich, introvertiert, poetisch, gläubig.

Kein Mitleid!

Wünsche mir, dass meine Spezi rauskommt aus der Mitleids-Schiene. Dass wir verstehen, wie wir mit unseren aufgeklebten Pflastern Heilung verhindern, anstatt sie zu unterstützen. Dass es ein Unrecht ist, einen Menschen zu lieben wie ein Haustier.

Dank Facebook habe ich dieses Video gefunden (danke Murat). Hiermit gebe ich es weiter – an wen auch immer. Frei sein von Moral ist gut. Denn Freiheit erlöst unser innere Kind. Und das will ja wohl jeder schaffen, bevor er irgendwann ins Gras beißt. 😉

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

4 thoughts on “Ich und mein „Menschen Retten wollen“ Zwang. Es tut mir leid!

  • Reply Michael Kausch 3. August 2020 at 14:31

    Ein schöner und wichtiger Beitrag. Denn wer das Helfer-Gen in sich hat, der kämpft sein Leben lang dagegen an, denn es lässt sich zum Glück nicht besiegen, sondern immer nur von neuem bezwingen. Ich weiß von was ich rede … 😉 Es ist ein gutes Gen, das trotzdem bezwungen werden muss, weil es um sich greift und einen niederdrücken kann. Und – das Video zweigt es eindrücklich – es erdrückt nicht nur den Träger, sondern auch jenen, dem vermeintlich geholfen wird. Ein einziger Satz stört mich in diesem kleinen Artikel: „Frei sein von Moral ist gut“. Das kann und darf nicht das Ergebnis sein. Die Moral ist nicht die Triebfeder des „inneren Kindes“, das hier beschriebenen wird. Wir sollten mit dem Helferlein nicht gleich die Moral ausknipsen. So war das doch wohl nicht gemeint, oder?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 5. August 2020 at 13:42

      Oh lieber Michael, ich danke Dir sooooo sehr! Ich meinte auch nicht „frei sein von Gewissen“ – sondern mit Moral meine ich „Frei sein von moralischen Konditionierungen, die uns „Menschenretter“ knechten. Frei werden von Schuldgefühlen – auch wenn wir Dosenlimo trinken oder einem Bettler kein Geld geben. DAS ist für mich Moral. Weißt Du, wie damals als Kind, wenn man zu hören bekommt „In Afrika verhungern die Kindern – und Du isst Deinen Teller nicht leer“. Aber Du hast recht, das kann auch so ankommen als ob ich sage „Skrupellose Verbrecher sind mein Ideal. So will ich auch werden“. Und wofür ich Dir richtig dankbar sind: Ja, wir Menschenretter sind keine Ausbeuter von Opfern – sondern wir sind super! Wir haben Power, wir haben Glauben, wir sind wichtig. Was mich befreit hat (von meiner Moral) war, dass ich meine Schuldgefühle gegenüber Opfern verloren habe. Seitdem tu ich nur noch freiwillig, was ich tun möchte. Aber meine Leidenschaft, mit anderen Menschen gemeinsam Visionen umzusetzen und die Welt zu „retten“, bleibt ohne Abstriche. Und da, wo es Leid gibt, da machen wir einen Plan 🙂 Schön dass es Dich gibt! Liebe Grüße von Eva

  • Reply Froggy 25. September 2023 at 07:03

    Liebe Eva
    Du sprichtst hier etwas Wichtiges an: Respekt vor dem Weg des anderen Menschen!
    Das muss nicht mein Weg sein. Ich muss den Weg des anderen auch nicht gut finden. Aber ich sollte ihn respektieren. Der Weg, den ein anderer nimmt, ist nicht besser und nicht schlechter als meiner.

    Ich bin schon älter und asexuell. Viele meiner MItmenschen konnten es nicht akzeptieren, dass ich weder Mann noch Kinder wollte. Mit aller Kraft versuchten sie, mich zu ändern und mich zu korrigieren – zu meinem „Besten“. Und waren dann zum Teil empört, dass ich gar nicht dankbar war für ihre Therapiebemühungen.
    Der traditionelle Frauen-Weg mit Mann und Kindern ist nun mal nicht mein Weg. Ich wäre wahrscheinlich unglücklich geworden, wenn ich mir den gesellschaftlich anderkannten Norm-Weg aufgezwungen hätte. Teilweise war ich schon versucht, den traditionellen Weg einzuschlagen, weil ich von allen Seiten so bearbeitet wurde. (Es MUSS doch etwas daran sein, wenn alle davon so überzeugt sind),
    Das wäre nicht gutgegangen. Es hätten wahrscheinlich auch Kinder darunter gelitten.
    (Übrigens, ein bisschen Off-Topic:
    Die Glücksforschung hat die kinderlosen Singlefrauen als die glücklichsten Menschen identifiziert:
    https://www.businessinsider.de/wissenschaft/unverheiratete-und-kinderlose-frauen-sind-die-gluecklichsten-menschen-sagt-ein-verhaltensprofessor-2019-5/

    Ich meine damit nicht, dass nun jede Frau so leben muss. Aber das zeigt in meinem Falle, wie fragwürdig Änderungs- und Rettungsversuche sind).

    • Reply Eva Ihnenfeldt 25. September 2023 at 16:26

      Liebe liebe Angi, Du sprichst mir so aus dem Herzen! Weißt Du noch die Zeiten, als homosexuelle Männer „umerzogen“ werden sollten? Ich glaube, in den USA gibt es so etwas immer noch. Zur Glücksstudie: Ich behaupte, unverheiratete, kinderlose Frauen, die kein Interesse an Sex haben, sind noch besser dran. Das sind meiner Meinung nach tatsächlich die besten Voraussetzungen, um ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Vielleicht bis Du ja eine dieser Glückspilze! Das würde mich sehr freuen. Hast es verdient mit Deiner offenen Art. Gern schreibe ich über Deine Glücksstudie. Danke für den Tipp!!!!! Und liebe Grüße

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