Im I-Ging steht: „Die beste Art, das Böse zu bekämpfen, ist der energische Fortschritt im Guten“. Na das will ich dann mal tun. Sollte ich mich weiterhin auf den politischen Weg begeben, muss ich zunächst eine Lösung finden für folgendes Problem: Politiker sind auf Wahlkämpfe ausgerichtet. Sie versuchen, ihre Wahlstimmen-Konkurrenten niederzumachen durch Worte, Taten, Häme und Intrigen. Alles scheint dieser Wahlkampf-Ideologie untergeordnet zu sein, schlimm ist das. Welche Konsequenzen ziehe ich daraus?
Eva ist Marketing – aha
Ich selbst bin Marketing. Ich lebe für diese Ideologie der Ideologiefreien. Marketing steht für das „Recht auf Streben nach Glück“. Jeder Mensch soll Rahmenbedingungen vorfinden, die ihm ermöglichen, sein persönliches Glück anzustreben. Anbieter (Unternehmen, Exekutive, Judikative, Legislative, Bildungseinrichtungen, gesellschaftliche Institutionen wie Parteien und NGO’s) haben die Aufgabe, Entscheidungen von Wert zu treffen, um diesem Recht auf Glück zu dienen – soweit die Theorie.
Kommunalpolitik in Witten
Leider erlebe ich in meiner Heimatstadt nun mal wieder, wie sehr in der Politik Theorie und Praxis auseinander driften. Im September sind Kommunalwahlen, und schon jetzt geht es los mit dem Kampf um jede einzelne Wählerstimme. Wäre ja auch ok, wenn sich die politisch Aktiven themenorientiert und zielfokussiert begegnen würden und gemeinsam an Lösungen arbeiten! Doch tatsächlich ist es so, dass man sich darüber freut, wenn im Kampf um diese Wahlstimmen Konkurrenten herabgewürdigt werden bzw. man ihnen Schaden zugefügt hat.
In Hinterzimmern werden dann wieder Allianzen mit Konkurrenten geschmiedet, um taktische Vorteile daraus zu ziehen. Und dieser ganze Intrigenaufwand für eine lächerliche Ratssitz-Aufwandsentschädigung von etwas mehr als 400 Euro monatlich? Nein, vermutlich gibt es noch weitere Vorteile für kommunale Akteure. Vielleicht ist es wirklich so, dass Politiker unabhängig von System und Kultur in erster Linie Günstlinge sind und weitere Vorteile aus ihrer Ratszugehörigkeit erwarten. So schade!
Was ist mit den Idealisten?
Natürlich gibt es noch die Anderen, die Idealisten, Visionäre und Träumer. Doch wie sollen sie in einer politischen Atmosphäre überleben, in der ständig auf Andersdenkende eingeprügelt wird? Wenn ich in sozialen Netzwerken Medien-Kommentare lese zu Themen wie Corona, Klimawandel, Kriminalität etc., läuft es mir kalt den Rücken runter.
Können wir wirklich Basisdemokratie wagen, wenn so viele Menschen davon träumen, ihre Mitmenschen zu vernichten oder zumindest mundtot zu machen? Ich dachte, wir haben unsere demokratische Gewaltenteilung auch deshalb erfunden, um keine Lynchjustiz mehr auszuüben. Ist es weiterhin wie bei Erich Fried und seinem ergreifende Gedicht „Die Maßnahmen“? Meinen wir weiterhin, Selektion bringe eine bessere Welt hervor? Ich zitiere:
„Die Feinde werden geschlachtet, die Welt wird freundlich“
Alles beginnt in der direkten Umgebung. Wer etwas zum Guten verändern will, muss als Vorbild in seinem Umfeld wirken. Bewegung kommt immer von der Straße. Es ist ein riskanter Weg, Meinungsgegner und die Anhänger fremder Wertesysteme zu respektieren und zu wertschätzen. Basisdemokratie bedeutet, die Menschen unabhängig ihrer Ziele und ihrer politischen Zugehörigkeit zu befähigen, politische Entscheidungen zu treffen. Was nicht rechtens ist, ist im Gesetz geregelt. Alles was legal ist, ist eingeladen, mitzumachen.
Basisdemokratie in Witten?
Will ich das wirklich? Will ich in Witten basisdemokratisch abstimmen lassen, ob Tempo-30-Zonen auf das notwenige Mindestmaß reduziert werden? Ob eine Bürgerwehr eingerichtet wird, die auf den Straßen patrouilliert? Wie hoch die Hundesteuer angesetzt wird oder ob eine flächendeckende Kameraüberwachung eingeführt wird?
Öffentliche Facebook-Gruppe Kooperative Basisdemokratie – Witten
Es ist ein unfassbar gewagtes Experiment, wenn man es in seiner Komplexität betrachtet. Ich verstehe gut, wenn viele erschrocken abwinken und schon ein brutales System vor sich sehen, das den Social Media Kommentatoren entspricht. Also: Was tun? Sich mit der repräsentativen Demokratie und dem System der Günstlingspolitik abfinden? Versuchen, selbst Lobbyismus zu betreiben, um außerhalb der parlamentarischen Betriebe Einfluss zu nehmen?
Ich bin sehr gespannt auf das, was sich in der basisdemokratischen Liste in Witten entwickeln wird. Ich bin gespannt darauf, wie sich der Wahlkampf dieser Visionäre und Idealisten entwickeln wird. Es wäre wunderschön, wenn wir uns trauen, Basisdemokratie ernsthaft und nachhaltig aufzubauen, so wie man eine Gründungsidee ernsthaft und nachhaltig aufbaut.
Ja, es würden viele Herausforderungen und Hindernisse auftauchen, viele Wertediskussionen müssten geführt werden. Eine neue Debattenkultur müsste eingeübt werden, in der niemand weniger wertgeschätzt wird als der Andere. In der unabhängig von Parteizugehörigkeit, Einkommen und Zukunftsvision gemeinsam nach Strategien und Maßnahmen gefahndet wird, die aus Witten einen besseren Ort für alle Menschen machen.
Vielleicht werde ich aber auch die Erste sein, die als alter Hedonist (lustorientierter Kick-Sucher) den Spaß verliert und sich einfach zurückzieht, weil es ihr zu langweilig und mühselig wird. Oder weil sie genervt ist von den vielen Diskussionen und diesem Eindreschen auf Werte-Gegner. Wir werden sehen – wäre ja nicht das erste Mal…
7 Tage zuvor: Mein erster Beitrag zu meiner „Parteien-Tournee“ in Witten – und was ich dabei gelernt habe…