Bringt uns unser Glaube an das richtige Wünschen in faust’sche Not?

Glauben Sie daran, dass man mit der Kraft des Wünschens die Zukunft beeinflussen kann? Dass es möglich ist, Vorstellungen von Liebe, Reichtum, Anerkennung und Freude zu visualisieren – und sie damit in die Realität zu bringen? Hängt unser persönliches Glück davon ab, dass wir von klein auf gelernt haben, uns selbst zu lieben und uns wertvoll genug zu wissen, um zu entscheiden, dass wir es verdienen, glücklich zu sein?

The Secret

Im Jahr 2006 erschien „The Secret“, ein Film, der aus Interviews mit spirituellen Lehrern besteht. Diese Lehrer erläutern das seit Ewigkeiten überlieferte „Gesetz der Anziehung“. Das, was Du denkst, wird Wirklichkeit. Wenn Du von ganzem Herzen glaubst, dass Du die große Liebe findest, wirst Du sie finden. Wenn Du an Dich und Deinen Wert glaubst, wirst Du beruflich erfolgreich sein. Wenn Du einen gigantischen Scheck ans Universum sendest, wirst Du so reich werden, wie Du es in dem gigantischen Scheck eingetragen hast.

Auch ich habe „The Secret“ kennengelernt, kurz nach Erscheinen des Buches zum Film von Rhonda Byrne. Begeistert war ich nicht, da mir die darin vorgestellten Wunsch-Themen vorkamen wie die Versprechungen des Teufels bei Goethes Faust. Ich verkaufe doch nicht meine Seele für Liebe, Jugend, Reichtum und Ruhm! Doch ich musste zugeben, dass die Strategie erstaunlich gut funktioniert.

In den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Vorstellung, dass die Macht des Unterbewusstseins zu Seelenpartner-Liebe, Erfolg und strahlender Gesundheit führt, anscheinend weltweit durchgesetzt. Menschen, die unglücklich sind, sind überzeugt davon, dass sie nicht selbstbewusst genug sind, um ihr Unterbewusstsein positiv aufzuladen. Vor allem Eltern werden dafür verantwortlich gemacht, dass man psychisch krank geworden ist. Es fehlte in der Kindheit an bedingungsloser Liebe. Stattdessen wurde man mit Glaubenssätzen gefüttert, die Schuld und Versagen einprogrammierten.

Charisma und Wuchtigkeit

Ich will wirklich nicht behaupten, dass irgendetwas davon falsch ist. Ja, auch ich denke, dass jemand mit großem Selbstbewusstsein und überzeugendem Charisma Erstaunliches zuwege bringen kann. Auch wenn gerade in puncto Geld die Statistiken belegen, dass in erster Linie die Herkunft verantwortlich ist für Macht, Ruhm und Reichtum, gibt es immer wieder Überraschungen, wenn sich jemand Gewöhnliches aus der Masse erhebt.

Es gibt so Typen, die allein durch die Wucht ihrer Persönlichkeit Unvorstellbares erreichen – so wie mein großes Vorbild Rosa Parks, die in den USA die Bürgerrechtsbewegung der seit dem 17. Jahrhundert aus Afrika verschleppten Menschen den entscheidenden Schub brachte – einfach, weil sie im Bus sitzen blieb. Gibt so Menschen, die „wuchtig“ sind, in früheren Zeiten nannte man sie oft Heilige.

Die Religion der Erfolgs-Coaches

Und da sind wir beim Thema: Ja, es kann sein, dass man durch Techniken, Beschwörungen, Forderungen ans Universum und eine profitorientierte Ausrichtung Erfolg hat – zumindest die Erfolgs-Coaches „ganz oben“ in der Nahrungskette scheinen das zu beweisen. Frauen wünschen sich bei den teuren Coachings oft die große Liebe, Männer oft das große Business. Zwar sind sie in der Regel einfach nichts weiter als die untersten Elemente im Schneeballsystem „Macht des Unterbewusstseins“, doch es kann auch hier und da funktionieren.

Die Versuchungen Jesu in der Wüste…

Gestern früh führte ich (wie ich es beim Frühstück gern tue) ein schriftliches Selbstgespräch im Handy. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fand dieses innere Selbstgespräch mit Jesus statt. Ich meine Jesus! Wie uncool ist das denn! In einer Zeit, in der unser persönliches Glück das Ziel ist, kann man doch nicht im Ernst mit jemandem reden, der Dinge vertritt wie „Nimm Dein Kreuz auf Dich“ oder „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert“ oder noch schlimmer „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“.

Und da habe ich mich bei ihm bitterlich beschwert:

„Was soll ich denn tun? All mein Geld verschenken? Meine Wohnung verlassen und ziellos umherziehen? Hungern, frieren, mich der Gewalt der Menschen überlassen? Die bedingungslose Wehrlosigkeit wählen? Mein letztes Brot mit dem Hungernden teilen? Du bist so unfassbar streng. Wie könnte ich jemals vor Deinen Augen bestehen? Manchmal hasse ich Dich dafür, dass ich nie nie nie gut genug sein kann für Dich. Mein Trotz hilft mir, damit zu leben, dass ich schlecht bin, dass ich spöttisch ausrufe „Selber essen macht fett“. Was soll ich nur tun?“

Naja, und dann kam diese Antwort aus meinen tippenden Fingern:

„Geh Schritt für Schritt weiter. Bleibe offen und feinfühlig. Folge Deiner Liebe. Feinfühligkeit ist das, was Dich führt zum nächsten Schritt. Das ist gemeint mit dem Satz – werdet wie die Kinder. Wenn Du zweifelst, zweifle. Wenn Du vertraust, vertraue. Wenn Du einsam bist, sei einsam. Lass alles Dunkle in Dir zu. Deine Morgen voller Angst und Schuld sind heilig. Lass alles zu.“

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen…

Und plötzlich wurde mir klar: Was Jesus in den Evangelien predigt und lebt bis zum bitteren Ende, ist nicht, dass wir selbstlos sein müssen bis zum Märtyrertod – es heißt, dass unsere Ideale nicht die eines alternden Faust’s sind, sondern die eines Menschen, der nicht verführbar ist durch sexy Belohnungen. Nimm Dein Kreuz auf Dich beinhaltet auch das Kreuz der grausamen Kindheit, das Kreuz des gemobbten Verstoßenen, das Kreuz des geplagten Kranken und das Kreuz dessen, der Angst hat – Tag für Tag für Tag.

Unsere Anspruchshaltung ist das, was uns unglücklich macht. Jesus, dieser vielleicht einzige politische Gott, dieser Hippie und Anarchist, dieser das Unmögliche von uns Fordernde, wollte uns bewahren vor dem faustischen Pakt mit dem Teufel. Die Welt wird depressiv ohne Glauben an etwas, das größer ist als die Evolution der Biologie.

Bild von Mopsgesicht auf Pixabay

Nun wird uns womöglich der Pakt mit dem „Reich und Glücklich“ Ideal in den Transhumanismus führen. Da würde Goethe sich freuen – ein würdiges Ende für jemanden, der seine Seele verkauft hat. Zu werden wie ein Borg aus Startreck – voll gruselig. Aber ein schönes Bild. OK, ich mach’ dann mal weiter und lebe gern mit meinem ewig schlechten Gewissen, – mit Evas Kreuz der Schuld.

Heute Nachmittag habe ich mich bei einem Bettler entschuldigt, weil ich nie Geld gebe „Ich mag die Rolle nicht“ habe ich ihm erklärt. „Aber immerhin spende ich jeden Monat an die Suppenküche. Kannst Du das verstehen?“ Er lächelte „Ja“, antwortete er, „Das kann ich verstehen“. Und er war völlig versöhnt mit mir Stehender von da unten auf dem Boden sitzend in der Kälte. „Denk bitte kurz an mich, wenn Du das nächste Mal in der Suppenküche was isst“, bat ich ihn und er versprach es.

Fühlt sich verdammt gut an, mit dem eigenen Schweinehund versöhnt zu sein. Aber fühlt sich auch gesegnet gut an, mich zu schämen für mein ewiges Ego-Ding. Und Bettler zu bitten, kurz für mich Reiche zu beten, wenn sie ihr Süppchen schlürfen, beruhigt meine Sorge vor dem Jüngsten Gericht. Vielleicht bessere ich mich ja noch. Auf jeden Fall will ich nicht, dass Jesus, der Spaßverderber, Looser und Höllen-Verkünder, mir weiterhin peinlich ist. Dann ist er eben peinlich. Was soll’s. Ich rede einfach mal wieder öfter mit ihm. Mal gucken, was passiert…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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