Marketing im digitalen Zeitalter: Sind Kampagnen nur noch Umweltverschmutzung?

Wir alle werden tagtäglich von rund 30.000 Werbebotschaften penetriert. TV, Radio, Außenwerbung haben durch das Internet eine Erweiterung der Möglichkeiten erfahren, die zu inflationären Verhältnissen führt. Das heißt für das Marketing, das von den Verantwortlichen ganz neue Eigenschaften gebraucht werden, um überhaupt noch erfolgreich sein zu können. StartUps machen es vor: Marketing in einem innovativen Geschäftsmodell ist nicht erfolgreich durch ein großes Werbebudget (das kann unter Umständen sogar die Glaubwürdigkeit beschädigen), es ist erfolgreich, weil die (wenigen) Mitarbeiter des StartUps begeistert hinter der Problemlösung stehen, die dort ständig weiterentwickelt und optimiert wird. Modernes Marketing geht vom Produkt aus. Aufmerksamkeitsheischerei durch Kampagnen wird mehr und mehr als Umweltverschmutzung wahrgenommen – als krankmachender Faktor für jedes multitaskinggeplagte Leben.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Müssen Menschen sich vor Werbung schützen wie vor Umweltverschmutzung?

Müssen Menschen sich vor Werbung schützen wie vor Umweltverschmutzung?

Etablierte Unternehmen gestalten ihr Marketing so, dass die einzelnen Abteilungen voneinander getrennt arbeiten – und sich auf Meetings begegnen. die Marketing-Abteilung empfindet sich als Kampagnen-Organisator – immer auf der Suche nach neuen Ideen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Aufmerksamkeit als Weg zum zahlenden Kunden wird vorbereitet, indem man in Zusammenarbeit mit Agenturen Werbebotschaften kreiert – aber wollen die Kunden das noch? Sind wir noch „hungrig“ nach kreativen, emotionalen Werbebotschaften? Oder sind die potentiellen Kunden nicht schon längst übersättigt und wenden sich von Werbung (ja, auch im B2B-Bereich mit den kreativen Broschüren, Imagefilmen und Events etc.) angewidert ab? Brauchen wir nicht ein ganz neues Denken im Marketing? Weg von der Einweg-Werbebotschaft – hin zu einer nachhaltigen Beziehung auf Augenhöhe?

Marketing im digitalen Zeitalter

Wonach unsere Kunden suchen, sind immer uns ausschließlich Problemlösungen. Egal, ob sich ein Endverbraucher neue Highheels kauft, obwohl er schon 50 ungetragene Highheel-Modelle im Schrank hat – oder ob ein Business-Kunde seinen Umsatz durch neue Maschinen steigern will – Kunden sind Menschen mit Problemen und unerfüllten Wünschen. Anbieter sind Problemlöser.

Als ich die Dropbox vor vielen Jahren kennen lernte, saß ich in einem BarCamp (2008/ 2009) und erfuhr von den Nerds um mich herum, wie großartig diese Cloud-Lösung für meine Dateien sei. Da Dropbox kostenlosen Speicherplatz für die Anwerbung neuer Nutzer verschenkte – und da die Nutzung der Dropbox auf einem Freemium-Modell beruht, ließ ich es mir gleich an Ort und Stelle von einem dieser Nerds installieren. Er war glücklich, da er wieder mehr Speicherplatz hatte – ich war glücklich, da ich nun von überall aus auf all meine Dateien zugreifen konnte. Den Nerds vertraute ich in Bezug auf Datensicherheit. Ich wusste, sie waren da viel kritischer als ich und würden keine unsichere Lösung akzeptieren.

Dropbox brauchte keine TV-Werbung – im Gegenteil! Wenn damals die Dropbox beworben worden wäre wie ein Telekommunikationsvertrag, wären die Menschen sicher sehr misstrauisch gewesen. Da man ja zunächst bei einer innovativen Lösung die „Early Adoptor“ überzeugen muss, hätte man diese womöglich verscheucht durch Massenwerbung und Papiermüll. Google, Amazon, Facebook… keine dieser Giganten sind groß geworden, weil sie Geschäftsanteile an Pro7/SAT1 verkauft haben, um Werbesports senden zu können. Die Qualität ihrer Produkte hat für den viralen Effekt gesorgt. Und die persönliche Beziehung zum Kunden: Der Service.

Marketing ist wie Fahrradfahren – man lernt es nur durchs Tun – und durch Spaß!

Natürlich macht man als kleines Unternehmen laufend Fehler bei Social Media. Dadurch, dass man mit Begeisterung Facebook, Newsletter, Video, Twitter und Co ausprobiert, wird man langsam immer besser. Aus dem „Kleinkind“, das sich auf ein Fahrrad mit Stützrädern begibt, wird nach und nach ein souveräner Fahrradfahrer, der sich im Social Web bewegt wie ein Fahrradfahrer in Metropolen. Auch da gibt es lauter schwierige Situationen – aber je häufiger man sie bewältigt hat, desto gelassener geht man damit um. Hauptsache, Neugier, Mut, Selbstvertrauen und Spaß sind da, der Rest kommt von Allein. Das wissen schon viele kleine Unternehmen und StartUps – nur die größeren und etablierten Unternehmen tun sich so schwer. Sie wollen immer Rezepte.

Marketing fängt bei der Produktentwicklung an

Der Kunde von heute will nicht mehr durch Werbung verführt werden und sich mit unperfekten Produkten zufrieden geben, er wird immer anspruchsvoller. Wenn es nun mal ein einziges Produkt gibt, das einen neuen Standard gesetzt hat (z.B. bei Google Maps sehen, wie voll es gerade in Restaurants der Umgebung ist), dann erwartet er ganz schnell diesen Standard. Restaurants, die nicht mit Google Maps zusammenarbeiten und in Echtzeit dies Daten liefern, sind dann ganz schnell out. Ich fahre doch nicht auf Glück dahin und hab dann keinen Tisch! Ich möchte auch nicht immer eine Woche vorher entscheiden, dass ich in einer Woche abends spontan Lust auf italienisches Essen habe – oder einen Grund zum Feiern!

Marketing ist nicht eine Abteilung im Unternehmen, Marketing ist die Grundlage jedes Unternehmens. Produktentwicklung, Preispolitik, Prozessoptimierung, Distribution und Kommunikation greifen Hand in Hand! Social Media geht jeden an – vom Hausmeister bis zum Vorstand. Der Respekt vor dem Kunden und den Beziehungspartnern gebietet es, dass ich mich um das Beste vom Besten bemühe in all meinen Unternehmensaktivitäten – DAS ist Marketing!

Agile Unternehmensstrukturen sind der Schlüssel

Nur wenn jeder Mitarbeiter die Vision des Unternehmens kennt und sich damit identifiziert, nur wenn alle mit ihrem eigenen Kopf denken und gern und selbstbewusst zum Erfolg des lebendigen Organismus „Firma“ beitragen, kann Marketing im digitalen Zeitalter gelingen. Man kann Kommunikationspartner im Web nicht durch Einschüchterungen zum Schweigen bringen, um die Informationshoheit zu halten, man kann nicht Kontrolle bewahren durch Gesetze und Juristen – man muss aus Feedback lernen und zugewandt respektvoll kommunizieren. Lösungsorientiertes Fühlen, Denken, Reden. Schreiben und Tun sind die Werkzeuge im Marketing des digitalen Zeitalters. Trotz Big Data und Überwachung liegt die Macht weiterhin beim Einzelnen – und nicht beim Anbieter. Gewöhnt Euch daran und seht endlich die Chancen, die das bietet: Mitarbeiter begeistern, Unterstützer begeistern, Produktentwickler inspirieren, Kunden umarmen – und Kritiker als wichtigste Berater verstehen (auch wenn sie ungerechtfertigt Kritik üben – sie helfen uns IMMER, besser und sicher zu werden).

Gunter Dueck ist als Mathematik-Professor einer der wichtigsten lebenden digitalen Vordenker. Unzählige Vorträge von ihm liegen bei YouTube. Dort geht es stets um die Folgen der Digitalisierung: Bildung, Arbeit, künstliche Intelligenz, Ökonomie, gesellschaftlicher Wandel. Hier spricht er mal zu Marketing-Verantwortlichen – über „nützliche Werbung“ im digitalen Zeitalter. 34 Minuten, die sich lohnen. Sehr empfehlenswert!

Bildquelle: pixabay_ArtsyBee

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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