Viele Menschen wünschen sich, mehr Empathie aufbauen zu können in Gesprächen. Ob privat, beruflich oder geschäftlich: Empathie ist wichtig, um den Gesprächspartner zu verstehen. Wir fühlen uns in unser Gegenüber ein, versetzen uns wertfrei in seine gegenwärtigen Bedürfnisse und ziehen unsere eigenen Bedürfnisse völlig zurück, so lange das Gespräch dauert. Dafür müssen wir uns trauen, uns mit dem Gesprächspartner liebevoll zu verbinden. Doch wie bekommt man das hin?
Der Wille steht vor der Tat
Am Wichtigsten ist wohl, dass wir uns tatsächlich in unser Gegenüber hineinversetzen wollen. Wir wollen Distanz eintauschen gegen echte Verbindung von Mensch zu Mensch. Doch woher stammt dieser Wille?

Empathie in der erotischen Liebe
Es gibt mehrere Arten von Liebe. Die erotische Liebe strebt nach Vereinigung und in den meisten Fällen danach, dauerhaft zusammen bleiben zu wollen. Körper, Seele und Geist sehnen sich danach, mit dem geliebten Menschen liebevoll verbunden zu sein. Die erotische Liebe ist zielgerichtet und durchaus an eigene Bedürfnisse gebunden.
Empathie kann in Zweierbeziehungen also schlimmstenfalls sogar schädlich sein für das Ziel der erotisch/liebenden Dauervereinigung. Wer empathisch ist, nimmt schließlich den eigenen Willen heraus und akzeptiert wertfrei alles, was das Gegenüber sich wünscht und wonach es sich sehnt. Es erfordert sehr viel Vertrauen, sich fallen zu lassen und bedingungslos in das Gegenüber „hineinzukriechen“.
Empathie von Eltern zu Kindern
Auch gegenüber den eigenen Kindern ist es aufgrund der eigenen Wünsche und Bedürfnisse schwer, Gespräche empathisch zu führen. Eltern machen sich häufig Sorgen um ihre Kinder – und selbst wenn sie es nicht tun, empfinden sie ihren Erziehungsauftrag während eines Gesprächs und können sich nur schwer davon lösen, das Beste fürs Kind zu wollen. Es steckt einfach in jeder Zelle, das Kind führen und lenkend begleiten zu wollen.
Empathie in emotionaler Freiwilligkeit
Leichter als bei Familie, Freunden und verpflichtenden Bezugspersonen fällt es, mit Menschen empathische Gesprächsführung zu üben, bei denen eine unverbindliche Beziehung besteht. Gerade berufliche Beziehungen eignen sich gut, wenn es keine hierarchischen Systeme zwischen den Gesprächspartnern gibt. Nachbarn, Bekannte, Kunden, Klienten, Geschäftspartner… empathische Gesprächsführung zu üben funktioniert besonders gut, wenn sich beide Seiten frei und unabhängig voneinander fühlen.
Grundhaltung für eine empathische Gesprächsführung
Wichtig ist zunächst die Grundhaltung in einem Gespräch. Ich schalte bewusst um auf folgende Grundhaltung gegenüber meinem Gesprächspartern:
- Egal, was Du bist, willst, zeigst und verschweigst: Ich akzeptiere es bedingungslos
- Ich wünsche mir von Herzen, dass es Dir gut gehen möge
- Unabhängig meiner eigenen Werte und Vorstellungen spüre ich Liebe und Anerkennung dafür, wie Du Dein Leben gestaltest
- Ich möchte lernen und erfahren, mit welchen Ressourcen Du Dein Leben bewältigst. Ich möchte von Dir lernen
- Ich höre Dir zu und rede so wenig wie irgendwie möglich
- Ich frage anstatt Antworten zu geben. Ich folge Dir, anstatt Wege zu weisen. Ich will von Dir lernen
Übungen zur empathischen Gespächsführung
- Wähle einen Rahmen, der Dir das aktive Zuhören erleichtert. Ruhig soll es sein, ungestört, emotional entspannt und freundlich.
- Gemeinsam spazieren zu gehen, ist besonders geeignet für den/die empathische/n Zuhörer/In. Man bleibt durch die aktive Bewegung leichter fokussiert. Man kann sich über die gemeinsamen Schrittbewegungen mit dem Partner/der Partnerin besser verbinden. In freier Natur spricht es sich fließender – und das Zuhören fällt leichter.
- Höre zu, ohne einzugreifen. Falls Du wichtige Nachfragen hast, formuliere diese in Ich-Botschaften „Habe ich richtig verstanden?“ und stelle Verständnis-Fragen, um den Redner noch besser zu verstehen: „Erkläre es mir bitte noch genauer“.
- Halte Pausen aus und warte geduldig, bis Dein Partner/ Deine Partnerin weiter spricht. Fällt Dir das Warten schwer, vertreibe Dir die Sekunden damit, still vor Dich hin zu zählen.
- Denke beim Zuhören wenn möglich nicht nach – Nachdenken führt zu Bewertungen. Und Bewertungen wollen wir auf keinen Fall vornehmen.
- Bleibe frei von eigenen Lösungsgedanken. Höre weiter zu und suche dabei nach dem Expertenwissen Deiner/s Gesprächspartners/ Gesprächspartnerin. Wie entwickelt Der/Diejenige in ähnlichen Fällen Lösungsstrategien?
- Um die Ressourcen und Kompetenzen Deiner/s Gesprächspartners/ Gesprächspartnerin zu verstehen, gebe Rückmeldungen wie „Was hast Du in vergleichbaren Situationen getan?“ „Sind Dir ähnliche Probleme bzw. Herausforderungen bekannt? Wie hast Du sie damals gelöst?“
- Gib keine Antworten – höre einfach nur zu und unterstütze durch Rückmeldungen den Redefluss Deines Gegenübers.
- Geduld, Akzeptanz und wertschätzende Liebe sind die wichtigsten Tugenden für all jene, die Empathie lernen wollen.
Wie vermeide ich Misstrauen?
Übung macht den Meister. Falls Du wirklich Empathie in der Gesprächsführung lernen willst, suche Dir möglichst viele Situationen, in denen Du das „aktive Zuhören“ lernen kannst. Eventuell ist es nützlich, entweder vor oder nach dem Gespräch Dein Gegenüber darüber aufzuklären, dass Du Dich um empathisches Verständnis bemühst, indem Du aktives Zuhören anwendest.
Dein Gegenüber wird es auf der einen Seite genießen, dass Du nicht mit eigenen Erfahrungen und gar Ratschlägen seine/ihre Gedanken durchbrichst – doch auf der anderen Seite kann es sein, dass er/sie bemerkt, dass irgendetwas nicht so verläuft wie üblicherweise in einem Gespräch.
Bleib authentisch
Er/sie könnte misstrauisch werden. Es könnte sich so anfühlen, als wenn Du etwas vorspielst und nicht wirklich interessiert bist und Dein Interesse nur vorspielst. Sei echt und horche beim Zuhören in Dich hinein, ob Du wirklich echtes mitfühlendes Interesse zeigst!
Auf keinen Fall darf Misstrauen Eure Beziehung beeinträchtigen. Entscheide einfach situationsbedingt, ob Du Dein aktives Zuhören thematisierst. Wenn Du spürst, dass Du beginnst, Dich zu langweilen oder abwertende Interpretationen im Kopf zu formulieren, brich das Experiment sanft ab und kehre zur „Normalität“ zurück. Oder nutze ein Hilfsmittel, um Deine Empathie zurückzuerlangen.
Einige Hilfsmittel
Hilfsmittel für die empathische Gesprächsführung können alle Dinge sein, die den Spieltrieb des Menschen ansprechen. Ich zum Beispiel lasse gern eine Karte ziehen aus einem Coaching-Karten-Set und stelle dazu eine Frage wie „Wie fühlst Du Dich gerade?“ oder „Was wäre das Schönste, was Dir passieren könnte?“. Oder „Wie möchtest Du in einem Jahr leben?“
Übung macht auf jeden Fall den Meister. Du wirst zunächst viele Fehler machen und den Gesprächspartner aus seinem Fühl-Denk-Sprech-Flow bringen durch Unachtsamkeiten, eigene Befindlichkeiten, Interpretationen und mangelnde Geduld. Doch da wir alle es so extrem selten erleben, dass uns Jemand wirklich zuhört, ist das kein Beinbruch.
Selbst wenn wir uns anfangs noch so tollpatschig anstellen werden wir wahrscheinlich besser sein als jeder „normale“ Gesprächspartner. Warum nicht mit Freunden oder Angehörigen ein Spiel daraus machen? Erst höre ich Dir dreißig Minuten lang bedingungslos zu – dann Du mir. Und danach sprechen wir darüber, wie die Erfahrung für uns war.
Üben, üben, üben
Üben, üben, üben – und Empathie stellt sich immer mehr ein. Lebendiges Mitgefühl liegt der menschlichen Natur so nah – es macht glücklich und befreit. Empathie zuzulassen, heißt Liebe zuzulassen. Versprochen.