Existenzgründungen weiter rückläufig: Chancengründung oder Notgründung?

Es gibt zwei Grundmotive, sich selbstständig zu machen bzw. ein Business im Nebenerwerb zu starten: Die Chancengründung und die Notgründung. Bei der Chancengründung handelt es sich meist um eine innovative Geschäftsidee, die der/die Gründer/In erfolgreich verwirklichen will. Die Energie kommt in jedem Fall aus der Leidenschaft, sich als unabhängiger Marktteilnehmer zu verwirklichen. Notgründungen entstehen aus einer Notlage: Wer keine Chancen für sich im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsmarkt sieht und befürchten muss, in Arbeitslosigkeit und Armut zu enden, wagt den Schritt in die Selbstständigkeit.

Die Nebenerwerbsgründung

Als dritte Möglichkeit, eine Selbstständigkeit zu starten, gibt es die Nebenwerbstätigkeit. Nebenerwerb bedeutet, dass es sich um keine Vollzeitselbstständigkeit handelt. In der Regel sind Nebenerwerbsselbstständige sozialversicherungspflichtig beschäftigt, doch auch Hausfrauen und -männer, Schüler/Innen, Studenten/Innen und Rentner/Innen nutzen manchmal diese Möglichkeit, um zusätzlich Geld zu verdienen. Häufig wird mit einer Nebenerwerbsgründung gestartet, um eine Geschäftsidee zu testen, ohne sich in ein existenzielles Risiko zu begeben.

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Unternehmer und Freelancer

Unternehmer starten ihr Business mit dem Ziel, zu wachsen. Sie sind darauf ausgerichtet, Arbeitgeber zu sein und sich selbst möglichst auf unternehmerische Aufgaben zu fokussieren. Es gibt im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Kleinstunternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern, kleine, mittlere und große Unternehmen. (Quelle destatis).

Freelancer und Solo-Selbstständige sind darauf ausgerichtet, ihre eigene Arbeitskraft am Markt zu verkaufen. Freelancer arbeiten hierbei für Auftraggeber. Dabei achten sie darauf, ihre verschiedenen Projekte so zu managen, dass sie nicht in die Scheinselbstständigkeit geraten, wenn sie zu viel und zu lange für einen einzigen Auftraggeber tätig sind.

Solo-Selbstständige verkaufen ihre Leistungen bzw. Produkte an Kunden. Ob als Online-Händler, Coach, Designer, Sofwareentwickler oder Künstler – sie haben ihr eigenes Business und vermarkten es selbst. Heutzutage gibt es zum Beispiel viele Solo-Selbstständige im Bereich der Social-Media-Verkaufstätigkeit. Man nennt sie Influencer. Die wenigen, die wirklich erfolgreich werden, bauen dann ihre Solo-Selbstständigkeit zu Unternehmen mit Angestellten auf.

Warum sinken die Gründerzahlen in Deutschland seit vielen Jahren?

Als Deutschland Ende der Neunziger Jahre als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wurde, wurde die Politik aktiv. 2004 startete mit den Hartz-Reformen auch ein umfassendes Förderprogramm, das der Masse an Arbeitslosen eine Perspektive in Bezug auf Existenzgründung bot, mit umfangreichen finanziellen Unterstützungen, Schulungen, Gründungsberatungen, Coachings. Diese Förderung war ausgesprochen erfolgreich.

Nachdem sich der Arbeitsmarkt wieder aufgebaut hatte, wurde diese Fördermaßnahmen weitgehend gestrichen. Man wollte „Notgründungen“ nicht weiter unterstützen, da Selbstständige nicht in die Sozialversicherung einzahlen. Chancengründungen waren so lange attraktiv, wie private Investoren in skalierende StartUps investierten (siehe Höhle der Löwen). Durch Corona hat sich viel verändert, und innovative Gründungsideen haben heute einen schwierigen Stand – auch bei Gründungen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Energiewandel.

Brauchen wir Gründer in Deutschland?

Meiner Meinung nach brauchen wir zwei Arten von Gründern, für die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten.

Freie Mitarbeiter: Viele Unternehmen sind auf freie Mitarbeiter angewiesen, da sie nicht abschätzen können, wie lange sie diese Experten und Fachkräfte brauchen für Auftragsspitzen, Projekte und Innovationen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind jedoch für Freelancer so ungünstig, dass die allermeisten Angestellten und Berufseinsteiger diesen Weg scheuen. Kein Zugang zum gesetzlichen Sozialversicherungssystem, keine Alters- und Arbeitsunfähigkeitsabsicherung, kein Urlaub, keine Einkommenssicherheit – nur „Abenteurer“ fühlen sich trotz alledem in der Selbstständigkeit wohler als in einem angestellten Arbeitsverhältnis. Die skandinavischen Sozialversicherungssysteme bieten Solo-Selbstständigen sehr viel mehr Sicherheit, da könnte man vieles von lernen.

Innovative StartUps: Der Gang zu privaten Investoren erschien gerade Studenten und jungen Akademikern einige Jahre lang als die Treppe zum Reichtum. Dieser Traum ist zwischenzeitlich der Erkenntnis gewichen, dass die Abhängigkeit von Investoren sich auch als Einschnürung und Bedrohung entpuppen kann – und man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten (wie während der Corona-Lockdowns) loyalitätsfrei fallen gelassen wird. Vermutlich ist zwischenzeitlich an den Universitäten eine Ernüchterung eingetreten, die dann doch lieber in eine Karriere als Angestellte/r mündet als in eine Karriere als Unternehmer.

Fazit

Ich wünsche mir, dass Deutschland ähnlich wie Ende der Neunziger erneut in die Chancen von Mainstream-Perspektivlosen, Querköpfen, Idealisten und unternehmerisch Denkenden investiert. In Zeiten wie diesen brauchen wir Menschen, die Eigeninitiative zeigen, fleißig sind, Ideen haben, Freude an Handel und Vernetzung. Es gibt viele erfolgreiche Beispiele gerade in den skandinavischen Ländern – vielleicht können wir davon etwas lernen, bevor wieder nur die Notgründer bleiben…

KfW: Existenzgründungen gehen auch 2022 weiter zurück

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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