Ein provokanter Titel, ich weiß. Doch durch meine vielen Erfahrungen mit Menschen im beruflichen Changeprozess habe ich das Gefühl, dass es auf erstaunlich Viele zutrifft. Man ist unglücklich im Beruf – oder (bei Berufsstartern, Arbeitslosen und Berufsrückkehrerinnen) – man hat Angst, den Anforderungen der potentiellen Arbeitgebern nicht zu genügen. Oder man befürchtet, erneut in Strukturen zu geraten, die krank machen. Komme ich dann mit der Idee, sich eventuell selbstständig zu machen, höre ich Argumente dagegen, die mich an Süchtige oder misshandelte Frauen erinnern.
Warum Menschen sich nicht selbstständig machen wollen
„Ich habe Angst, meine Sicherheit zu verlieren“, „Ich bin nicht der Typ dafür“, „Das ist mir zu gefährlich“, „Dafür braucht man Kapital, das habe ich nicht“… Irgendwo kann ich es verstehen, und ich lasse dann anschließend auch meine Coachees mit der Idee in Ruhe – aber insgeheim hoffe ich, dass sie sich irgendwann doch von sich aus öffnen für den Gang ins freie Nichts.
Selbstständigkeit
Ja, Selbstständigkeit ist mit vielen Risiken verbunden. Es ist gefährlich, unsicher, erfordert Mut, Flexibilität, Disziplin – und immer wieder ein Quentchen Glück: Zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein ist der Schlüssel für die passenden Kooperationen und Aufträge.
Wir alle sind unterschiedlich. Da gibt es die Resilienten, die nie zwischenmenschliche Probleme bekommen in Jobs. Sie können Systeme und Strukturen achselzuckend akzeptieren wie das Wetter. Sie können sich abgrenzen und können sich durchsetzen. Sie sind in der Lage, Chancen im System für sich zu nutzen und pragmatisch Entscheidungen zu treffen, die ihnen nützen. Sie gehen nach der Arbeit nach Hause und denken nicht weiter über eventuelle Widrigkeiten nach.
Auch gibt es die Glückskinder. Sie landen in beruflichen Umgebungen, die sie glücklich machen, sie anspornen und genau richtig herausfordern. Die Work-Life-Balance stimmt, Anerkennung und faire Bezahlung sind gegeben. Sie haben Mitspracherechte und können sich bei Schwierigkeiten an vertrauenswürdige Institutionen wenden, die dafür da sind, die Mitarbeiter zu unterstützen.
Ich weiß nicht, wie hoch der Prozentsatz der abhängig Beschäftigten sind, die so oder ähnlich zufrieden und perspektivisch aufgehoben sind in ihrer Position. Ich lerne ja immer nur Diejenigen kennen, die sich nach solch einer Arbeitsumgebung sehnen und die sie nicht haben. Die Einen sind hochqualifizierte Wissensarbeiter, die Anderen kommen aus prekären Beschäftigungen, die Meisten bewegen sich irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Polen.
Ich kann was!
Im Coachingprozess geht es recht schnell darum, gemeinsam herauszuarbeiten, was man kann und was den Klienten/ die Klientin von anderen Menschen unterscheidet. Im „Lebensportrait“ werden diese Fähigkeiten, Fertigkeiten und Soft-Skill-Potentiale deutlich. Und immer wieder komme ich zum Schluss: Also als Selbstständige/r würdest Du immer irgendwie überleben – und die Freien werden gesucht!
Der neue Arbeitsmarkt
Unternehmen und Organisationen haben häufig das Problem, dass sie in der sich rasend schnell entwickelnden Welt nicht mehr langfristig planen können. Festangestellte müssen sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten wie in einer Ehe mitgetragen werden. Freiberufler und Selbstständige können eingesetzt werden, so wie es gerade die Auftragslage erfordert.
Gerade in der IT und im Projektmanagement sind „Die Freien“ Gold wert. Sie haben den objektiven Blick von außen und sind nicht involviert in die hierarchischen Systeme. Außerdem können sie wertvolle Dienstleistungen erbringen im zwischenmenschlichen Bereich: Als Berater/In, Coach, mit gesundheitsfördernden Leistungen, als Trainer usw. „Die Freien“ brauchen nicht bei Krankheit und Urlaub finanziert werden. Man wird sie problemlos los, das sie keinen Kündigungschutz anmelden können.
Brutal?
Ja, das hört sich brutal an. Aber auf der anderen Seite ist es auch für Die Freien von Vorteil, nicht mit einem Unternehmen oder einer Organisation „verheiratet“ zu sein. Auch sie können sich jederzeit neue Auftraggeber suchen, wenn ihnen die Zusammenarbeit nicht mehr gefällt. Sie können sich immer wieder neu erfinden, wenn ein bisheriges Geschäftsfeld veraltet. Sie sind nicht passiv ausgeliefert und müssen Sanktionen, Mobbing und Entlassung fürchten. Was für ein Segen!
Ist gründen wie aufhören mit dem Saufen?
Die berühmte „Komfortzone“ ist ja nicht die Zone, in der man sich kuschelig wohl fühlt. Die Komfortzone ist die Zone, die vertraut ist – die man gewohnt ist. Der Alkoholiker findet erst die Kraft zur lebenslangen Enthaltsamkeit, wenn er um Leib und Leben fürchtet. Die misshandelte Frau traut sich erst dann aus ihrer qualvollen „Komfortzone“, wenn es ihr egal ist, was da draußen auf sie wartet. Sie will einfach weg.
Jetzt reicht’s – ich mach‘ mich selbstständig
Als ich 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer im Ruhrgebiet gründete, waren ausschließlich Notgründungen unser Klientel. Da durch SPD und Grüne die Hartz IV-Reformen realisiert wurden und viele kurzzeitarbeitslose Menschen panische Angst davor hatten, alles zu verlieren, konnten wir weit über 500 Menschen dabei begleiten, sich selbstständig zu machen. Quer durch alle Schichten ging unser Klientel. Von der Gardinennäherin bis zum hochdotierten Manager was alles dabei.
Die Angst vor Hartz IV weckte Bärenkräfte in unseren Leuten. Und was soll ich sagen: So gut wie niemand fiel zurück in die Arbeitslosigkeit – und kein mir bekannter Fall ging später zurück in eine abhängige Beschäftigung. Wer einmal Freiheit und Eigenverantwortung kennen gelernt hat, weiß es zu schätzen, selbstständig zu sein.
Selbstständige werden nur selten Unternehmer mit Angestellten. Die meisten bleiben allein, entwickeln sich weiter, kennen gute Zeiten und schlechte Zeiten. Viele sind als Freelancer aktiv, werden Dozent/In, IT-Dienstleister, nehmen Aufträge an im sozialen, kreativen, digitalen, handwerklichen und vertrieblichen Bereich. „Irgendwie geht es immer weiter“ ist ein Spruch, der viel gebraucht wird. Und es stimmt! Es ist wie ein Wunder, aber es funktioniert.
Reich und glücklich?
In Deutschland herrscht immer noch die Vorstellung, dass man sich (mit viel Kapital) selbstständig macht, um reich und glücklich zu werden. Das ist natürlich Quatsch. Man macht sich selbstständig, um sich mit seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Talenten finanziell unabhängig zu machen! Um sich auszuprobieren, um sein Bestes zu geben, um stolz auf sich zu sein und um zu erleben was es heißt, Gestalter des eigenen beruflichen Lebens zu sein.
Natürlich gibt es auch die Unternehmertypen, die in der Lage sind, ein Unternehmen aufzubauen. Menschen, die Innovationskraft besitzen und Führungsfähigkeit. Aber die Meisten sind einfach nur selbstständig aus schmerzlichen Erfahrungen heraus – oder weil es sich zufällig ergeben hat – oder aus Sehnsucht nach Freiheit und Erfüllung.
Darum möchte ich Mut machen: Es ist nicht leicht, die Komfortzone zu verlassen, ich weiß. Der rechte Moment muss kommen. Und leider sind in den letzten zehn Jahren die Förderbedingungen für Gründer so gering geworden, dass sie Quote der Existenzgründer sich seit 2003 halbiert hat. Ich hoffe da kommen wieder bessere Zeiten.
Aber immerhin gibt es für Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus Förderung über Coaching und Gründungszuschuss bzw. Einstiegsgeld für die erste Zeit als Selbstständige/r. Das sind zwar Kann-Leistungen ohne Rechtsanspruch – doch die Mitarbeiter von Arbeitsagentur und Jobcenter sind häufig ihrem Klientel gegenüber zugewandt und wollen helfen.
Gern können wir in einem kostenlosen Erstgepräch telefonisch darüber sprechen: Anfragen bitte per Mail unter [email protected]
Eva Ihnenfeldt: Coach
Einen Überblick über mein Coachingangebot inklusive Zielgruppen, Honorar und mögliche Finanzierungsquellen finden Sie hier in den SteadyNews.
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Eva Ihnenfeldt
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