Arbeitgeber fragen sich, wie sie die Effizienz und Loyalität ihrer Arbeitnehmer steigern können. Arbeitnehmer fragen sich, wie sie in ihrem Job Erfüllung und bestmögliche Rahmenbedingungen verwirklichen können. Beide Seiten wissen, dass sie zwei sich gegenüberliegende Stellschrauben dafür haben: Kooperation und Druck. Ist meine Verhandlungsmacht stark, kann ich die Gegenseite bedrohen und bestrafen. Ist meine Verhandlungsposition schwach, kann ich das nicht, ohne eine vernichtende Niederlage zu riskieren. Doch bietet nicht auch gerade innere Stärke die Möglichkeit, gemeinsame Wege zu finden für den bestmöglichen aller Wege? Ist es nicht gerade dann möglich, für alle Beteiligten Erfüllung und fairen Handel zu verwirklichen, wenn man glücklich ist?
In Frankreich sehen wir gerade, wie ein Volk, dass weiterhin stolz ist auf die revolutionäre Vergangenheit Ende des achtzehnten Jahrhunderts, sich gewaltbereit zur Wehr setzt gegen gesellschaftlich unfaire Rahmenbedingungen. So sieht es aus, wenn Wut und Ohnmacht sich in Handlung ausdrückt. Wohl kaum jemand in Deutschland wünscht sich solche Verhältnisse. Für Wirtschaft, Finanzindustrie und Politik ist dieser „Mob“ wohl das, was am meisten gefürchtet wird.
„Weh wenn sich in dem Schoß der Städte Der Feuerzunder still gehäuft, Das Volk, zerreissend seine Kette, Zur Eigenhilfe schrecklich greift!“ (Aus Friedrich Schiller, Die Glocke)
Apokalypse um zu zeigen, was in uns steckt?
Eine Menge muss zusammenkommen, damit die gesellschaftliche Schweigespirale durchbrochen wird und der stille vereinzelte Protest gegen „Die da oben“ zu einem Flächenbrand wird. Ist denn wirklich die Geschichte immer nur durch solche radikal zerstörerischen Entladungen zu verändern? Ist der Mensch tatsächlich auf Kriege, Katastrophen und Revolutionen geeicht und sehnt diese womöglich nahezu herbei, wenn er der bestehenden Situation emotional überdrüssig wird? Muss das sein?
Ich weiß noch, wie ein junger Mann aus meiner Familie mir anvertraute, dass er sich manchmal nach Krieg und Katastrophen sehnt, weil der Mensch in solchen extremen Notzeiten erst zeigen kann, was wirklich in ihm steckt. Wie gut ich das verstehen kann! Stolz sind wir doch immer dann auf uns, wenn wir Unüberwindliches überwinden konnten und Unbezwingbares bezwungen haben! Auch ich hatte als junges Mädchen häufig Visionen von Aufruhr und Widerstand und wollte beweisen, dass ich in solchen Zeiten zu gebrauchen bin mit meinen Fähigkeiten und meiner Persönlichkeit.
Heute bin ich zwar weiterhin süchtig nach Herausforderungen, die mich bis an meine Grenzen fordern, doch ich habe gelernt, dass auch im Frieden und in der gemeinsamen Suche nach fairem Miteinander solche Meisterleistungen zu vollbringen sind. Ich kenne sehr gut das Gefühl, stolz auf mich zu sein, weil ich aus Ablehnung zu Liebe kam, weil ich aus Ausweglosigkeit gemeinsam mit meinem Gegenüber zu einer genialen Lösung kam. Es ist so glücklichmachend, sich zu vereinigen und darüber zu staunen, welch Zauberland hinter dieser bewussten Vereinigung beginnt.
Spirituelle Unternehmensführung?
Ich weiß, dass es für Unternehmer (wobei man bedenken muss, dass rund 90 Prozent aller Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen) nicht leicht ist, den Spagat zu schaffen zwischen Effizienz und spiritueller Unternehmensführung. Es ist wie bei einer kinderreichen Familie: Der Haushalt muss funktionieren, die Familienmitglieder müssen sich gemäß ihrer Ausrichtung entfalten können, – und Harmonie ist das Bindemittel zwischen all diesen Aufgaben.
Doch ist es nicht auch eventuell ein unbewusstes oder sogar bewusstes Motiv bei der Unternehmens-Gründung gewesen, genau das zu tun? Eine Familie aufbauen und pflegen, die einer Blutsfamilie gleicht? Ich kenne viele Kleinstunternehmer, die 60 bis 80 Stunden in der Woche genau dafür alles geben, und die totunglücklich sind, wenn Konflikte und Existenzbedrohungen diesen Organismus gefährden.
Du lass Dich nicht verbittern
Viele Unternehmer werden verbittert und resignieren mit der Zeit. So wie viele Lehrer meinen, ihre Schüler wären „verkehrt“, sind viele Arbeitgeber enttäuscht von ihren Mitarbeitern. Schnell werden Urteile wie faul, dumm, unverschämt, egoistisch in feinere Worthülsen gekleidet um nicht zu deutlich zu werden, und ich verstehe das. Gerade wenn man mit so großen Träumen ein Unternehmen gründet, ist die Gefährdung groß, menschlich verletzt zu reagieren, wenn Mitarbeiter sich nicht dankbar zeigen und nur an sich zu denken scheinen. Man fühlt sich in die Rolle des Ausbeuters gedrängt, auch wenn faktisch das existenzielle Risiko für einen Unternehmer größer ist als für einen Angestellten.
Wie also führen Eltern eine kinderreiche Familie, ohne dass der Respekt verloren geht und das Chaos ausbricht? Autoritär? Kooperativ? Laissez fair? Hilft da womöglich wirklich eine spirituelle Grundhaltung, um in jedem Moment die richtige Strategie zu finden in Konfliktsituationen? Ist es wirklich so ein Unterschied, ob ich Kinder in meiner Familie habe oder gestandene Erwachsene? Sind Kinder „Werdende“ und Erwachsene „Gewordene“? Bin ich als Unternehmer nicht auch von Tag zu Tag ein „Werdender“? Sind wir nicht alle Kinder – und ist es nicht wunderbar dass es so ist?
Spirituelle Unternehmensführung
An dieser Stelle ist es vielleicht an der Zeit, für sich ganz persönlich zu definieren, was wir uns unter „spiritueller Unternehmensführung“ vorstellen. Was bedeutet Kongruenz von Fühlen, Denken, Sprechen, Handeln? Woran erkennen wir, dass wir Eins sind mit dem, was uns umgibt? Was zeichnet es aus, sich zu vereinigen mit dieser wunderschönen perfekten Welt? Was ist die Formel für „Lieben im Hier und Jetzt“?
Ich muss gestehen, dass ich dem französischen Präsidenten Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron zutraue, dieses unglaubliche Kunststück zu vollbringen. Seitdem ich damals eine Dokumentation bei Netflix über seinen Wahlkampf gesehen habe, bin ich beeindruckt von seiner Persönlichkeit.
Kann gut sein, dass ich mich irre, und Macron es nicht schafft, die „Reichen“ und die „Armen“ zu vereinen und lösungsorientiert zu führen. Aber dann schafft es vielleicht ein Anderer, wir werden sehen. Ich glaube an spirituelle Unternehmensführung gerade deshalb, weil sie oft genug funktioniert. Warum nicht auch in der Politik! Mohandas Karamchand Gandhi? Nelson Mandela?
Wir haben die Wahl: Krieg oder fairer Handel. Fairer Handel bedeutet, sich in mein Gegenüber hineinversetzen zu können, zuhören zu können, aufrichtig nach Win-Win-Lösungen mit aller kreativer Intelligenz zu fahnden. Wie in einer kinderreichen Familie. Lasst es uns einfach üben – als Arbeitnehmer wie als Arbeitgeber. Und natürlich wie die vielen vielen autonomen Selbstständigen, die Niemandes Herrn sein wollen und Niemandes Knecht.
Hauptsache wir können stolz auf uns sein. Das ist Grundlage für Glück: Stolz und Geborgenheit. Autonomie und Heimat. Das wünsche ich jedem Menschen auf diesem Planeten. Danke.