Tanja Kollodzieyski ist Studentin der Literaturwissenschaften an der Ruhruniversität Bochum. Die literarische Bloggerin, Rollstuhlfahrerin und Social Media Expertin wird im Sommer 2014 durch Südeuropa mit dem Zug reisen und einen Reiseführer für Menschen mit Behinderung erstellen. Das Projekt ist sehr wichtig da es bisher tatsächlich noch keinen solchen Reiseführer für südeuropäische Städte wie Paris, Madrid, Lissabon, Barcelona etc. gibt!
Bei der Planung der Südeuropa-Reise (die erste Europareise in Tanjas Leben überhaupt) hatte die taffe junge Frau gemerkt, wie schwer es ist, barrierefreie Hotels, Restaurants und Sehenswürdigkeiten zu finden – das brachte sie auf die Idee, einen barrierefreien Reiseführer mit Crowdfunding-Unterstützung zu realisieren. ich habe die Studentin interviewt und so an ihrem Beispiel erfahren, wie man bei Startnext ein Crowdfunding-Projekt umsetzen kann.
SteadyNews: Tanja, was genau ist Dein Ziel bei Deinem Crowdfunding-Projekt?
Tanja K.: Mein Ziel ist es, einen barrierefreien Reiseführer in der Druckversion zu finanzieren. Denn eine gedruckte Version ist viel praktischer als ein eBook, da man den Reiseführer auf der Reise mitnehmen kann.
Bei 3.000 Euro kann der Reiseführer gedruckt werden. Die 1.000 Euro für meine Reisekosten kann ich zum großen Teil selbst finanzieren. 2.000 Euro brauche ich für die Erarbeitung des eBooks. Bei ungefähr 3.000 Euro geht es in Druck.
SteadyNews: Weißt Du schon wo Du den Reiseführer drucken lassen willst? Hast Du bereits Kontakt zu Verlagen?
Tanja K.: Ich überlege noch ob ich den Reiseführer lieber im Eigenverlag publizieren will anstatt einen Verlag einzuschalten. Der Selbstverlag hat den Vorteil, dass ich alle Entscheidungen selbst treffen kann. Heutzutage ist das Alles ja durchaus möglich.
Der Vorteil ist, dass ich dann Niemanden habe, der mir in das Projekt reinredet. Was ich mir auf jeden Fall dazu holen muss, ist ein gutes Lektorat. Dafür ist das Geld aus der Crowdfunding-Aktion unter Anderem auch gedacht.
SteadyNews: Hast Du im Crowdfunding-Projekt die Kosten genau aufgelistet?
Tanja K.: Nein, das habe ich erst mal sehr allgemein gehalten. So genau kann ich das noch nicht kalkulieren. Aber zu möglichen Lektoren habe ich gute Kontakte, da das ja auch meine Fachrichtung ist.
SteadyNews: Was für Kosten fallen in dem Projekt noch an?
Tanja K.: Bei der Printversion natürlich die Druckkosten, die sind erheblich – mindestens 1.000 Euro. Dann neben dem Lektorat für mindestens 800 Euro noch die Vermarktungskosten. Bei epubli zahle ich ungefähr 150 Euro für diese Vermarktung. Epubli ist ein Anbieter, der aus dem Text ein eBook macht und online stellt. Außerdem übernimmt epubli die Verteilung des eBooks bei amazon, Thalia und anderen Online-Buchhändlern für diesen Gesamtpreis.
SteadyNews: Was brauchst Du alles um den barrierefreien Reiseführer zu erstellen?
Tanja K.: Für die Reise brauche ich auf jeden Fall ein mobiles WLAN-gerät, damit ich überall online bin und bloggen kann. Das kostet etwa 100 Euro. Hinzu kommen SIM-Karten für etwa 40 Euro und 3 Euro am Tag für die Verbindungskosten.
Abgesehen vom Schlafen und Essen bin ich damit eigentlich schon ganz gut ausgestattet. Je nachdem wieviel Geld zusammenkommt würde ich noch eine Digitalkamera kaufen um qualitativ gute Videos drehen zu können. Aber das ist nicht unbedingt nötig.
SteadyNews: Wenn alles optimal läuft, was würde der Reiseführer dann beinhalten?
Tanja K.: Auf der einen Seite konkrete Adressen wie Hotels, Restaurants, Sehenswürdigkeiten usw., die barrierefrei zugänglich sind. Auf der anderen Seite möchte ich darüber schreiben, wie die Menschen in den verschiedenen Ländern und Städten sind, wie aufgeschlossen mir gegenüber, und welche Lösungen für Schwierigkeiten gefunden werden. Vielleicht sind ja auch einige Kulturen nicht so kompliziert wie wir Deutschen.
Mir ist einerseits wichtig, Menschen im Rollstuhl konkrete Hilfe zu geben. Aber andererseits soll der Reiseführer auch interessant sein für Menschen, die sich für Barrierefreiheit interessieren. Außerdem möchte ich das Ganze so unterhaltsam verpacken, dass man es hinterher einfach gerne liest, mit Humor – nicht so furchtbar ernst. ich bin ja selbst ein Mensch, der viel mit Humor arbeitet und das soll sich im Reiseführer widerspiegeln.
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SteadyNews: Konkret, wie hast Du Dein Crowdfunding-Projekt begonnen?
Tanja K.: Ich war schon bei Startnext registriert da ich mal selbst ein Projekt unterstützt hatte. So musste ich mich jetzt nur einloggen. Zunächst habe ich mir alle Hilfe-Seiten durchgelesen um zu wissen, was ich überhaupt machen muss. Ich hatte ja überhaupt keine Ahnung.
Dann habe ich ein Projekt angelegt und Texte erstellt – so etwas Allgemeines wie eine Kurzbeschreibung des Projekts. Und dann musste ich 5 Fragen beantworten – die muss jeder beantworten. Gleichzeitig musste ich einen Kommunikationsplan erstellen.
Sie wollten von mir genau wissen, wie ich mein Projekt vermarkten will: Meine sozialen Kanäle, Blog, Facebook, Twitter, meine Follower und Fans usw. Und dann musste ich mir ein Ziel überlegen, also wieviel Geld ich brauche, und was biete ich den Menschen als „Danke schön“ an. Das war jede Menge Arbeit.
Nachdem ich das alles geschafft hatte, konnte ich Startnext Bescheid geben, dass ich soweit bin. Man wird bei Startnext nur angenommen wenn man ein klar definiertes Projekt vorweisen kann und das Geld dafür begründet.
Wenn das Startnext Team sagt dass alles soweit ok ist, geht es im nächsten Schritt darum, genügend Unterstützter für das Projekt zu finden – also Menschen, die bestätigen dass sie das Projekt gut finden. Bei 2.000 Euro für meinen barrierefreien Reiseführer waren das 25 Leute.
Eine weitere Voraussetzung ist ein Video, das das Projekt beschreibt. Das Video darf nicht länger sein als 3.33 Minuten, damit es nicht zu oft weggeklickt wird.
Als letzten Punkt muss man ein eigenes Konto anlegen bei einer bestimmten Bank, mit der Startnext zusammenarbeitet. Durch das Anlegen dieses Kontos kann überprüft werden, ob Du wirklich der bist, für den Du Dich ausgibst.
Man hat 30 Tage Zeit, um die notwendigen Unterstützer zu finden. Erst dann kann man Bescheid geben und dann geht es in die Finanzierungsphase. Das ist die Phase in der ich gerade bin.
Aber was auch ganz wichtig ist: Bei Crowdfunding heißt es immer „Alles oder nichts“. Entweder ich erreiche mein Ziel, das ich anvisiert habe, oder ich bekomme gar nichts. Die Menschen würden ihr Geld zurückbekommen. Ich selbst bekomme entweder alles Geld nach Abschluss des Projekts komplett, oder eben gar nichts.
SteadyNews: Wie ist es bisher gelaufen?
Tanja K.: Für meine Auffassung ist es besser gelaufen, als ich mir hätte vorstellen können. (Lacht). Ich war schon vorsichtig. Es ist sehr wichtig sich ein Ziel zu setzen, das auch realistisch ist. Ein Ziel mit dem man sein Projekt umsetzen kann – das aber auch erreichbar ist. Das Gute ist ja, dass die Grenze nach oben offen ist. Man kann durchaus mehr Geld erhalten als man sich als Ziel gesteckt hat – nur eben nicht weniger.
SteadyNews: Wie lang läuft Dein Crowdfunding-Projekt noch?
Tanja K.: Da ich nicht erwartet habe, dass das Projekt so gut angenommen wird, habe ich den maximalen Zeitraum gewählt: das sind 90 Tage. Man kann das zwar auch kürzer halten, aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen. Das Projekt endet Mitte 2014.
SteadyNews: Was tust Du, um das Crowdfunding Projekt so lange lebendig zu halten?
Tanja K.: Eigentlich mache ich nur weiter, was ich bisher auch schon gemacht habe. Ich arbeite schon seit einiger zeit daran, meine ganze Entwicklung öffentlich zu machen. Das werde ich so weiter machen.
Ich blogge regelmäßig und begleite meine Blogbeiträge mit Twitter und Facebook. Ich lerne im Web Leute kennen und tausche mich mit anderen Menschen Intensiv aus.
SteadyNews: Noch ein paar Sätze zum Abschluss?
Tanja Kollodzieyski: Wichtig beim Crowdfunding ist, dass man sich über 5 Euro genau so freut wie über 50 Euro. Jeder Mensch, jeder Unterstützer ist gleich wichtig. Schließlich sind das alles Menschen wie du und ich, die ihr Geld für dein Projekt ausgeben. Man sollte allen gegenüber dankbar sein und diese Dankbarkeit auch immer wieder zeigen und leben.
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- Tanja Kollodzieyski’s startnext Projekt: Barrierefreier Reiseführer
- Tanja Kollodzieyski bloggt: thabs.de
Wirklich ein schönes Projekt und unterstützenswert. Aber ich fürchte, die junge Frau rechnet etwa sehr knapp und unterschätzt auch die Zeit, die es braucht, um vor Ort Informationen zu recherchieren. Ich weiß zwar nicht, wie umfangreich sie den Reiseführer plant, aber mit 1000 Euro mehrere Städte in Südeuropa abzuklappern, Eintrittsgelder zu zahlen, zu übernachten (selbst mit Couchsurfing oder AirBnB) und auch noch zu essen und zu trinken – scheint mir ein Kunststück!
Ja da hast Du recht. Wusstest Du, dass Menschen mit Behinderung die auf Assistenz angewiesen sind oder andere monatliche finanzielle Unterstützung für ihr Handicap brauchen ihr Leben lang nie mehr als 2.600 Euro „Vermögen“ ansparen dürfen? Wer so leben muss hat natürlich ein ganz anderes Verhältnis zu 1.000 Euro – und Tanja schafft das schon irgendwie – wirst sehen 🙂 http://www.change.org/de/Petitionen/recht-auf-sparen-und-gleiches-einkommen-auch-f%C3%BCr-menschen-mit-behinderungen-2600