Traditionell stehen sich Wirtschaft und soziale Errungenschaften wie Feinde gegenüber: Der gierige Kapitalist versucht, die Arbeitskräfte bestmöglich auszubeuten, die Umwelt für eine kostengünstige Produktion zu vergiften und die Kunden übers Ohr zu hauen mit ungerechtfertigten Preisen und falschen Versprechungen. Doch passt dieses Struwwelpeter-Bild noch in die heutige Zeit? Passt das Bild auf die über 90 Prozent kleinsten, kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die als Deutschlands Mittelstand bezeichnet werden? Passt das Bild zu Global Playern, die neben ihrem Gewinnstreben auch als Investoren aktiv sind in der StartUp Szene, die gesellschaftliche Diskussionen und die Vision einer besseren Welt mitgestalten? Ist zum Beispiel die Bill & Melinda Gates Foundation nichts weiter als ein Werbetrick, alles nichts als Lüge???
Ich kenne keine Global Player, meine persönliche Reichweite in zehn Jahren Gründer- und Unternehmensbegleitung geht nur bis zum Inhaber von mittelständischen Unternehmen mit einigen hundert Mitarbeitern. Dort gibt es durchaus auch ignorante, statusgetriebene, herrische Chefs, die es ihren Mitarbeitern schwer machen und eine hohe Fluktuation aufzuweisen haben – doch die allermeisten Unternehmen sind wie Familien, in denen die Mitarbeiter stolz sind auf die Firma. Auch da läuft nicht alles ideal, keine Frage, doch der Grundtenor ist kollegial und konstruktiv. Der Wunsch, dass es allen Mitgliedern der Gemeinschaft gut gehen möge ist vorhanden, ebenfalls der Respekt vor der Natur und der sozialen Verantwortung gegenüber der Gemeinde/ dem sozialen Gefüge, in dem man tätig ist.
Gutes tun und Geld verdienen? Kann das funktionieren?
Ebenfalls sind wir von Kindheit an darauf geeicht worden, dass man nur dann Gutes tut, wenn man dafür Opfer bringt. Sobald ein persönlicher Gewinn mit einer guten Tat einhergeht, ist das Motiv zweifelhaft, da es nicht mit Verlust und Schmerz verbunden ist. Aber was ist das für eine verwirrte Einstellung? Schließlich müssen wir alle wohnen, essen, trinken, uns kleiden und uns fortbewegen – sind nur die „Gute Menschen“, denen das dafür benötigte Geld der Staat zahlt, wie z.B. Lehrer? Oder die, die ihre Haut für acht Stunden am Tag an Unternehmen verkaufen, und die sich dann in ihrer Freizeit zum Ausgleich sozial, ökologisch und/ oder kulturell engagieren? Oder Journalisten, die ihr Geld von Verlagen und öffentlichen Sendern erhalten?
Ich denke, dass gerade die Menschen, die unternehmerisch tätig sind, ob als Inhaber eines Handwerksbetriebs, eines Geschäfts, einer IT-Firma, eines produzierenden Unternehmens oder einer Agentur, die sind, die für soziale Veränderungen prädestiniert sind. Das, was die Selbstständigen miteinander verbindet, ist ein hoher Grad an Selbstverantwortung und Freiheitsstreben. Jeder Unternehmer will auch ein bisschen „die Welt verändern“, das liegt ihm im Blut, sonst hätte er nicht gegründet.
Spenden oder Gründen?
Ich selbst bin kein Freund von Spenden. Sicher ist es wichtig zu spenden, wenn akute Notsituationen auftreten wie bei einer Naturkatastrophe oder in einem Flüchtlingslager, doch grundsätzlich mag ich es nicht, wenn wir die Menschen aufteilen in „bedürftige Opfer“ und „großzügige Helfer“. Ich selbst würde es verabscheuen, als Opfer leben zu müssen und meinen Spendern dankbar sein zu müssen – und ich möchte diese Rolle auch niemand anderem zumuten. Jeder Mensch ist wertvoll und kann etwas Wichtiges geben, auch wenn er Analphabet ist – auch (oder gerade dann) wenn er in schlimmsten Verhältnissen leben muss und weiß, was Angst und Überlebenskampf bedeuten.
Wir Satten in den Wohlstandsländern würden in vielen Regionen dieser Welt wahrscheinlich keinen Monat Überlebenschance haben, da wir nichts können, was zum Überleben wichtig ist. Was ich mir wünsche, ist Respekt und ein Dialog in Augenhöhe mit jedem, der sich in Gefahr und Not befindet. Ich will seine Würde wahren, in dem ich ihm ein Tauschgeschäft anbiete, das ihn stolz und aufrecht sein lässt und uns Beiden Gewinn bringt. Gewinn ist nicht nur Geld – aber „Dankbarkeit“ ist für mich ein unseriöser Gewinn. Niemand soll mir dankbar sein müssen.
Was mir zum Beispiel sehr gut gefällt ist dieses StartUp aus den USA – umano hier in t3n vorgestellt -, ein junges Unternehmen das Fashion-T-Shirts mit Bildern von Kindern verkauft, die nicht mit dem goldenen Löffel aufgewachsen sind – welche Kraft liegt in den Zeichnungen dieser Überlebenskämpfer – und wie gut, wenn sie über ihre Zeichnungen ihre eigene Bildung und aufstrebende Zukunft finanzieren können! Gibt es nicht unzählige Ansätze, wie man im „fairen Handel“ Freiheit und Selbstbestimmung in Wohlstand und Sicherheit fördern kann, wenn man unternehmerisch denkt anstatt mit Schuldgefühlen zu operieren?
Michael Porter als Marketing- und Wirtschaftsprofessor ist einer der wichtigsten Vordenker und Gestalter von Marketing und gewinnbringenden unternehmerischen Lösungen. Er ist Jahrgang 1947 und hat somit viele Wirtschafts-Phasen erlebt und gestaltet. Sein 16-minütiger TED-Videovortrag von 2013 (mit deutschen Untertiteln) spricht mir aus der Seele. Wirtschaftsunternehmen sind womöglich viel geeigneter als NGO’s und politische Insitutionen, um die Welt zu verbessern, da sie mit ihrem unternehmerischen Denken an gewinnbringenden Lösungen interessiert sind. Es wird keine „Nabelschnur“-Struktur geschaffen, bei der die angeblichen „Opfer“ dauerhaft in Abhängigkeit gehalten werden, sondern es werden partnerschaftliche Wege geebnet, bei denen alle fühlenden Wesen konstruktiv an gemeinsamen Zielen arbeiten: Frieden, Wohlstand, Freiheit, Bildung, fruchtbare gesunde Natur und Kreativität. Also wenn wir so eine Leitidee hier im Ruhrgebiet als Unternehmens-Netzwerk verfolgen, können wir viel Gutes tun, dürfen damit Geld verdienen – und können stolz auf uns sein!
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ich komme aus dem Handwerksbetrieb, bin im Handwerksbetrieb, liebe meinen Beruf, und mein Cafe, habe den Text nicht verstanden, kann nicht so gut englisch, Dankbarkeit ist für mich wichtig, kann man aber nicht erwarten, muss die Kunden so nehmen wie sie sind.
Liebe Annette, ich verstehe dass Ihnen Dankbarkeit wichtig ist. Gerade wenn man hart arbeitet und wenig Lohn dafür erhält, kann Dankbarkeit trösten und motivieren. Doch ist nicht gerade dieser Effekt (Bindung und Treue durch Dankbarkeit) Augenwischerei für Menschen – wie z.B. Mütter – die nicht angemessen für ihren Einsatz und ihre Leistung entlohnt werden?