Alle Welt redet immer viel über die „Graswurzelrevolution“, die durch Twitter und Facebook gerade in Nordafrika erst möglich wird. Doch kann sich über den Mikrobloggingdienst Twitter auch in westlichen Ländern ein Kommunikationswiderstand organisieren, ohne dass die Staatsgewalt die unliebsamen Gegner ausschaltet? Gerade hat ein US-Gericht entschieden, dass Twitter die IP-Adressen von Wikileaks-Sympathisanten an die Staatsanwaltschaft ausliefern muss, obwohl diese nicht strafrechtlich verfolgt werden. Begründung: „Eine IP-Adresse ist ähnlich zu werten wie eine Telefonnummer“ – doch kann man das wirklich vergleichen?
Die Behörden in den USA ermitteln seit geraumer Zeit, wie geheime Informationen an die Enthüllungs-Community Wikileaks gelangen konnten. Da sind natürlich sämtliche Kommunikationen zwischen einflussreichen Web 2.0-Aktivisten und Wikileaks-Insidern interessant. So wurde etwa die IP-Adresse von der isländischen Parlamentsabgeordneten Birgitta Jonsdottir an die Behörden weitergegeben, auch der US-Programmierer Jacob Appelbaum und der Niederländer Rop Gonggrijp sind betroffen.
Die Richter begründeten das Urteil damit, es würden keine Persönlichkeitsrechte verletzt – eine IP-Adresse wäre etwa so aufschlussreich wie eine Telefonnummer. Doch kann man das wirklich vergleichen?
Ich weiß nicht, ob und wie und wie lange Twitter die Unmengen von Tweets, Direct Messages, Kontakte und Mentions der Twitter-User speichert. Dass Facebook alle Kommunikationsäußerungen über Jahre speichert, ist ja jetzt bekannt. So wie auch gespeichert wird, wer mit wem in Beziehung steht – ein Genuss für alle Geheimdienste und Behörden.
Man kann aber auf keinen Fall IP-Adressen mit Telefonnummern vergleichen, auch wenn Twitter vielleicht nicht alle Tweets archivieren sollte. Das Netz vergisst nichts und sicher hat die Staatsanwaltschaft so die Möglichkeit, vieles von dem, was die Freunde, Kooperationspartner und Kontaktpersonen miteinander ausgetauscht haben, zu ermitteln und zu verwenden.
Das Urteil ist ein Schlag gegen Demokratie und Persönlichkeitsschutz. Würden die nordamerikanischen Machthaber die Möglichkeit haben, an die IP-Adressen der Twitter- und Facebook Bewegung heranzukommen, wäre die demokratische Bewegung im Keim erstickt. Es bleibt zu hoffen, dass unser gutes altes Europa sich nicht einbinden lässt in diesen Überwachungsstaat, der gerade dabei ist, sich optimal zu institutionalisieren. Mögen unsere Politiker klug und besonnen dagegen vorgehen.