Warum ich als Coach für Bürgergeld-Empfänger arbeite

„Armer Mann und reicher Mann standen da und sah’n sich an.  Und der arme sagte bleich: wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ Diese Worte Bertolt Brechts sind vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint. Der erste Blick könnte zu dem Schluss kommen, Geld wäre eine Torte. Wenn zehn Prozent der Menschen einen riesigen Teil der Torte für sich beanspruchen, bleibt nur sehr wenig für die neunzig Prozent. Doch Geld ist keine Torte. Was ist Geld?

Geld ist ein Symbol

Geld ist ein Symbol für Macht und Besitz. Das Gedicht könnte auch lauten:

Besitzender Mann und versklavter Mann stehen da und seh’n sich an. Sagt der Sklave bitterlich: „Wär‘ ich frei, wärst Du wie ich.“

Vielleicht gibt es keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Nimmt man den Reichen ihren Besitz und ihre Macht, wird sich in kürzester Zeit erneut ein vergleichbares System ausbilden. Oder wie Bertolt Brecht es formulierte:

„Die Ballade vom Wasserrad“ (unten verlinkt)
Refrain:

Freilich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Wasser unten heißt das leider
nur: Dass es das Rad halt ewig treibt.

Warum ist das so?

Vor vielen Jahren sah ich eine Dokumentation über ein riesiges südamerikanisches Gefängnis. Die eine Seite war unter mafiöser Kontrolle. Dort gab es klare Hierarchien der Macht. Die Mächtigen bestimmten, was geschieht, die Machtlosen mussten tun, was man ihnen befiehlt. Wer auch nur eine Stufe höher in seiner Macht stand als der Machtloseste, hatte diesen in der Hand. Ohnmacht bedeutet, in ständiger Angst zu leben und alles zu tun, damit man nicht gefoltert wird durch Worte, Taten, emotionale Grausamkeit. Diese Seite des riesigen Gefängnisses funktionierte wie eine gut organisierte Stadt: Es gab Geschäfte, Restaurants, Polizei … Es herrschte Ruhe, Ordnung, Sauberkeit.

Die anderen Seite des Gefängnisses war links, kommunistisch – hier lebten die politischen Gefangenen und ihre Sympathisanten. Diese Seite war entsetzlich arm, schmutzig, viele Gefangene waren krank. Sie waren den sadistischen Gefängniswärtern schutzlos ausgeliefert. Die Menschen vegetieren vor sich hin in Elend und Perspektivlosigkeit. 

Diese Dokumentation hat mich tief beeindruckt. Ich sehnte mich danach, auf der Seite der Armen zu leben und ihnen ein wenig Freude und Würde zu geben – ein wenig Lachen, Selbstvertrauen und Hoffnung. 

Wir Machtfreien

Ja, wir werden nie gewinnbringende Restaurants auf unserer Seite haben, nie Geschäfte, nie Polizei. Wir werden arm bleiben, da wir nicht vom Blut des Büffels trinken. Niemand von uns will Macht haben über seinen Nächsten, und das hat Konsequenzen. Wer nicht ausbeutet, holt nicht das Letzte aus dem heraus, was in einer Gesellschaft möglich ist. 

Galeerenschiffe

Oder gibt es die Vision eines Galeerenschiffes, auf dem dauerhaft die Mannschaft freiwillig unter Deck die quälende Arbeit der vielen Ruderer übernimmt, die bis an die Grenze des Möglichen sich selbst quälen – angetrieben durch den Takt der Trommel? 

Nein, so weit geht nur eine Herde von Sklaven, die aus Angst vor der Peitsche gehorsam ihr Letztes geben. Nie wird die Galeere der Freien die Galeere der Sklavenhalter überholen. 

Was sage ich?

Lasst sie siegen! Winken wir ihnen hinterher und feiern auf unsere langen Reise durch das menschliche Leben – zur Not auch mit Maden in unserem Zwieback und mit fauligem Wasser. Hauptsache, wir feiern….

Mein Leben lang war ich auf der Seite der Armen, der Besitzlosen, auf Seiten derer, die im Krieg stets die sind, die wie Nutzvieh verwertet und geschlachtet werden. Stets war ich auf der Seite derer, die nie die Chance hatten, zu Besitz und Macht zu kommen. Nicht, weil sie die besseren Menschen sind! (Obwohl, laut Bergpredigt sind sie die besseren Menschen). Das erwarte ich nicht von ihnen!

Da gibt es die, die ihre Schulkameraden, Frauen und Kinder verprügeln. Es gibt die, die jede Gelegenheit nutzen, um für sich Profit daraus zu schlagen. Es gibt die Verbitterten, die Nutzlosen, die Gelähmten, die Gefährlichen und die Sucht-Zombies…

Doch schon während ich dies schreibe, fühle ich, wie mein Herz sich erwärmt und wie ich beginne, zu lächeln, weil ich sie alle so lieb habe. Würde Geld etwas an ihrer Situation ändern? Ein kluger, trauriger, tief fühlender Junkie sagte mal zu mir: „Gib einem Mann in Lumpen Geld, und er kauft sich Lumpen“

Würde ich wirklich wollen, dass die Ärmsten der Armen in den Tagelöhner-Jobs arbeiten, die sie bekommen können? Jobs, sie so wenig Einkommen bringen, dass sie mit ihren Familien weiter Bürgergeld-Aufstocker bleiben? Jobs, wo ihnen ungestraft einfach ihr Lohn nicht gezahlt wird und sie vom Jobcenter gesperrt werden, weil der Betrüger ihnen keine Gehaltsabrechnung schickt und sie selbst gekündigt haben, was ihnen untersagt ist? Wo sie ihre Miete nicht zahlen können, ihre Kinder nicht versorgen können, verzweifelt nach Anschlussjobs suchen ohne Erfolg?

Nein, ich bin stolz, Coach der Besitzlosen zu sein. Ich stehe bedingungslos zu ihnen, egal, ob sie schwarz arbeiten, Drogen nehmen, ungesund leben, arbeitsscheu sind, den Staat betrügen oder täglich zwölf Stunden lang am Computer zocken. 

Ein unehrenhafter Beruf?

Ich verstehe, wenn die Steuerzahler und die leidenden Rentner, Kranken und Pflegebedürftigen mich deshalb feindlich betrachten. Sie gehören zu den Besitzlosen, die sich ihr Leben lang abmühen, durch Fleiß und Redlichkeit einen bescheidenen Wohlstand aufzubauen, der sie bis zum Tode vor Armut bewahrt. 

Sie sind die tragende Stütze jeder Gesellschaft, aus der sich die Besitzenden bedienen – und dabei ihren Besitz und ihre Macht vermehren. Und wie gesagt! Auch wenn es immer wieder Zeiten und Zivilisationen gegeben haben mag, in denen Gesellschaften in Liebe, Frieden und Sicherheit gemeinsam über lange Zeiten gelebt haben – in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – ich lebe hier und heute.

Ich lebe hier und heute in einer Welt der Besitzenden, der Gehorchenden, der Ohnmächtigen und der Störenden. Ich liebe es, in genau dieser Welt zu leben. Dass ich seit Corona mit den Armen arbeiten darf, ist für mich wie die Erfüllung meines Lebenstraums. 

Schon als 15-Jährige habe ich Kindern aus Obdachlosenwohnungen Nachhilfe gegeben und war voller Bewunderung, wenn ich bei ihnen zu Hause erlebte, wie tapfer, klug und freundlich ihre Eltern waren.

Ich will keine Revolution gegen die Mächtigen, da ich weiß, wie es bisher immer verlief: Französische Revolution, Russische Revolution, Deutschland in der Weimarer Republik… Am Ende wird es stets grausamer, als es zuvor war. Ich akzeptiere, dass es Mächte gibt, für die wir Menschen hier unten nichts weiter sind als Nutzvieh. Ich esse Fleisch aus Massentierhaltung, ich trage Kleider, die von den Ärmsten der Welt zu schlimmsten Bedingungen angefertigt werden. Ich bin nichts Besseres – ich habe einfach nur das Glück, keine Macht zu haben.

Ich hege keinen Groll gegen die Mächtigen, die Recht und Ordnung in ihrem Sinne gestalten, solange sie ungestört schalten und walten können – und die in ständigem Krieg mit ihresgleichen sind. Ich habe kein Bestreben, ihnen gefallen zu wollen. Ich bin ihnen dienlich, indem ich mich um die Armen kümmere. Ich freue mich, wenn es meinen Armen so gut geht, wie nur möglich. 

Auch denen, die lange im Gefängnis waren, weil sie im Suff aus Eifersucht ihre Freundin erschlagen haben, stehe ich nicht verurteilend gegenüber. Erzählen sie mir aus ihrer Kindheit, empfinde ich Mitgefühl. 

Ich wünsche allen Steuerzahlern und allen Rentnern (die mittlerweile ja auch noch Steuern zahlen müssen!), dass sie ohne Bedrohungen durch Geldmangel und Arbeitsplatzverlust ihr Leben genießen können. Egal, ob sie der Obrigkeit vertrauen oder ob sie Politik als „schmutziges Geschäft“ beurteilen. Mögen sie gut durchs Leben kommen – und möge ebenfalls die wachsende Zahl der unbrauchbaren Produktionsmittel gut durchs Leben kommen. 

Mein Wunsch: Alle arbeiten für ihr Geld

Ich liebe Arbeit. Ich würde, wenn ich könnte, Sorge dafür tragen, dass alle Menschen im arbeitsfähigen Alter arbeiten – und sei es als Straßenkehrer. Bettler sein ist ein Leben ohne Würde. Arbeit ist Würde. Geben und Nehmen sollten immer im Ausgleich stehen für ein würdiges Dasein.

Doch es ist nicht so. Die Mächtigen benutzen die Menschen wie Nutzvieh für ihre Interessen – am deutlichsten im Kriege. Nicht meine Welt. Ich bleibe lieber den Amen treu, auch wenn manche von ihnen faul, unverschämt, verlogen und gefährlich sind. Ist halt so.

Plantagenbesitzer und Sklaven-Mann
stehen da und seh’n sich an.
Und der Sklave grinst und spricht:
„Wär‘ ich frei, wärst Du wie ich.“

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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