Kürzlich hatte ich ein anregendes Gespräch mit Eva Ihnenfeldt von der Social Media Akademie Ruhr. Thema war der Wandel der Medienlandschaft und wie sich die verändernden Rahmenbedingungen auf meine Arbeit als PR-Berater und Kommunikationsmanager auswirken.
Im Studium noch erklärte mir mein PR-Lektor wie es damals war, als man für ein PR Konzept mehrere Tage in der Bibliothek recherchieren musste. Für uns junge PRler sei das Internet ja die Informationsquelle schlechthin und quasi ein Segen, hieß es. PR war nicht mehr so zeitaufwendig. Das war vor etwa 10 Jahren. Ich erinnere mich gut an meine darauf folgende Agenturzeit in der langfristige PR-Konzepte manchmal binnen 2 Tagen aus dem Boden gestampft wurden und trotzdem gut funktionierten und honoriert wurden. Die Welt war in Ordnung.
Doch das Internet mit all seinen schillernden Möglichkeiten wurde in der Folgezeit zunehmend die Informationsquelle für Jedermann. Jetzt konnte Lieschen Müller selbst bei Google & Co. den letzten Verbrauchertest des Waschmittels ihrer Wahl finden, hunderte Erfahrungsberichte und Bewertungen lesen und sich dann für ein anderes Produkt ihrer Wahl entscheiden. In Marketing- und PR-Abteilungen spielten sich Dramen ab. Der Konsument bekam keine Meinung vermittelt, er bildete sich selbst eine. Viel schlimmer noch, Social Media macht es in den letzten Jahren verstärkt möglich, dass echte Fürsprache oder Ablehnung zunehmend in den Reihen der Konsumenten gebildet wird. Lieschen Müller wird selbst zum Sprachrohr. Die klassischen Meinungsführer und Multiplikatoren verlieren ihre Bedeutung. Aber wir Marketing-Experten, Werber und PR-Fachleute waren doch diejenigen, die jahrzehntelang die wunderbare Welt von Lieschen Müller bestimmten… Diese Zeiten sind vorbei.
Was sind Marketing, Werbung und PR heute? Wie kann man die veränderte Situation von Kommunikatoren bezeichnen? Was uns als Experten ausmachen muss ist und bleibt die Kunst des Überzeugens. Relevante Informationen beim Konsumenten platzieren, die letztlich eine Kaufentscheidung auslösen und vor allem das halten, was sie versprechen. Dabei geht es nicht mehr mit Frontalunterricht, sondern mit Dialog. Wir müssen mit Konsumenten in direkten Kontakt treten, in seine Lebenswelt eintauchen, den Dialog auf Augenhöhe führen und ihn als mündigen, wissenden Kunden ernst nehmen.
Doch wie in Dialog treten und auch noch überzeugen, wenn Dank Social Media alle gleichzeitig reden? Wie schaffen wir es, uns im Sprach- Sprecher- und Meinungs-Wirrwar des Social Web Gehör zu verschaffen, ohne dass ständig der Konkurrent dazwischenredet, ablenkt, relativiert – wir also dennoch den Dialog aufrechterhalten? Wie erreichen wir möglichst viele Menschen persönlich, ein möglichst großes und am besten begeistertes Publikum?
Das Bild eines alten Basars aus 1001 Nacht kommt mir wieder in den Sinn. Das größte, an einem Punkt konzentrierte Publikum hatten auf dem alten Basar nicht die Marktschreier. Sie genossen auch nicht die größte Glaubwürdigkeit oder besonderes Vertrauen. Die meisten Zuhörer, ob jung oder alt, scharten sich immer um den Geschichtenerzähler am Brunnen. Und selbst die laut plappernden Waschweiber mit ihren großen Körben hielten inne, um dem Geschichtenerzähler eine Zeit lang ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
Wie hat der Geschichtenerzähler das geschafft? Wie konnte er so viele Menschen in den Bann ziehen? Durch Faszination! Er hat die Menschen um sich herum fasziniert, sie in diesem besonderen Moment der Faszination zum Schweigen und Zuhören gebracht. Er hat eine Geschichte erzählt.
Und welche Geschichten funktionieren am besten? Natürlich die Geschichten, die uns alle bewegen, faszinierende Geschichten, die direkt mit unserem Lebensumfeld zutun haben. Geschichten, die Emotionen wie Freude, Trauer, Sorge, Glück und vor allem – die stärkste Emotion – Liebe auslösen. Aus diesem Grund bekommt das super niedliche Katzenbild bei Facebook hundertmal mehr „Likes“ als die dröge Information der Stadtreinigung. Und dabei geht es auch ums Zuhören, den Austausch, den Dialog. Wer beim Reden nicht auch zuhört, verliert seine Hörerschaft.
Wir als Kommunikatoren müssen die alte Kunst des Geschichtenerzählens – des Storytellings – wiederentdecken und uns neu aneignen – analog wie digital. Denn ob offline oder online, trotz unterschiedlicher Kommunikationskanäle bekommen wir nur dann die Aufmerksamkeit unserer Zielgruppe, wenn wir die Menschen ein Stück weit neugierig machen, begeistern, mitreißen, faszinieren und träumen lassen. Es genügt nicht nur, zu wissen wie Facebook, Twitter und Co. funktionieren – wir müssen als Kommunikatoren vor allem wissen, welche Geschichte wir wie erzählen wollen – das ist unser Sprech(er)kunstwerk.
Und der Geschichtenerzähler vom Basar? Immer dann wenn der alte Mann vom beschwerlichen Weg des jungen Prinzen durch die brennende, glühend heiße Wüste und dessen abenteuerliche Rettung in der grünen, luftigen Oase mit dem kleinen Bachlauf und den dort stehenden Bäumen und großen, runden, saftigen Orangen erzählte – genau dann verkaufte der Obsthändler des Basars besonders viele Orangen. So funktionierte Kommunikation und Fürsprache damals, und so funktioniert sie noch heute. Und wenn sie nicht gestorben sind…
@steadynews Geschichten. Geschichten. Geschichten. 🙂
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