Lohnt es sich, Kunden zu beschimpfen?

Vor Kurzem las ich bei Facebook einen Post von dem wunderbaren „Gastronomicus – Alltagsgeschichten eines Kellners“, in dem er sich darüber beschwerte, dass Gäste zwar immer die beste Qualität verlangten, aber nicht bereit waren, dafür angemessen zu bezahlen. Wer das ausbaden müsse, seien die abhängig Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie. Unter dem Post gab es mehr als hundert Kommentare von Gastronomie-Profis, die sich ebenfalls bitter über die geizigen Gäste beklagten. Das hat mich nachdenklich gemacht. Wie lässt sich zum Beispiel der Geldbeutel der geizigen Eva öffnen? Welche Strategien gibt es, mich als Gast oder Kunde zum großzügigen Zahlen zu bewegen? Und wie reagiere ich, wenn ich moralisch verurteilt werde?

Lohnt es sich, die Kunden zu beschimpfen?

Ich kenne so einige Einzelhändler und Gastronomen, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Für kleine Händler und Betriebe werden die Bedingungen immer schwieriger, wie die Statistiken beweisen. Große Fische fressen kleine Fische – und Ketten können weitaus günstiger wirtschaften als ein einzelner Betrieb. Doch ist es sinnvoll, die Gäste für ihren Geiz zu beschimpfen bzw. sie hinter ihrem Rücken zu verurteilen, weil sie so gern günstig einkaufen online und offline?

Ja, auf Kunden schimpfen kann sich lohnen

Keine Frage, es gibt durchaus gesellschaftliche Systeme, in denen eine moralische Verurteilung zur ethischen Grundlage gehört. Gerade im Bildungsbürgertum sind Geizkragen ein Ärgernis. Man legt Wert auf den Zusammenhalt der eigenen Gemeinschaft. Großzügigkeit, Wertschätzung, ehrenamtliches Engagement und Treue zu den traditionellen Institutionen des Systems sind Grundlagen – nicht nur in ländlichen Gebieten. Wer also sein Unternehmen auf diesen oder ähnlichen Communities aufgebaut hat, kann durchaus gemeinsam über geizige Verweigerer schimpfen, denen die Preise zu hoch sind und die zu Billiganbietern gehen, anstatt ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten.

Wenn traditionelle Systeme sich auflösen

Problematisch daran ist, dass diese traditionellen Gemeinschaften (wie Thomas Mann sie so wunderbar in den Buddenbrooks beschreibt) schrumpfen. Die Kinder ziehen weg, die Strukturen lösen sich auf, immer mehr kleine Unternehmen schließen. Heißt das, dass es keine Lösung mehr gibt für unternehmerische Persönlichkeiten, die Lust auf ihr eigenes kleines Reich haben, unabhängig und profitorientiert?

Wie kann ich Kunden locken und verführen?

Ja, es ist schwer, Kunden anzuziehen wie Motten das Licht. Ich erzähle einfach mal, wie ich als geiziger Prototyp verführbar bin, was mich bereit macht, auf meinen Jägerinstinkt zu verzichten und hohe Preise gelassen zu akzeptieren.

Nicht meine Community

Gestern war ich in einem italienischen Restaurant, das Wert legt auf Etikette. Der Kellner war etwas blasiert in seinem Auftreten und das Mädchen, das die Getränke brachte, durfte nicht die Essensbestellung entgegennehmen.  Das Gäste-Klientel mag diese Atmosphäre. Ein sehr beliebtes Restaurant in meiner Heimatstadt, das seine Community gefunden hat. Alternatives, gut verdienendes „grünes“ Bürgertum, Gäste und Anbieter passen zusammen. Nicht meins (ich werde da nie wieder hingehen) aber ich gehöre eben zu einer anderen Community.

Evas Community

Was mir persönlich noch wichtiger ist als Geld, sind Liebe, Persönlichkeit, Begeisterung, Ausstrahlung. Fühle ich mich angenommen wie in einem exotischen Paradies, gebe ich gern und komme gern immer und immer wieder. Dann ist mir der Preis egal. Mich macht glücklich, wenn das Personal und die Inhaber freakig, laut und unkonventionell sind. Je verrückter, je besser. Ich mag es, wenn die Auswahl der Produkte eine ganz eigene Handschrift hat – aber wie gesagt, wer bin ich schon. Jeder Jeck ist anders.

Ich bin nicht der Nabel der Welt!

Es gibt sooooooo viele Communities, so viele Systeme – wichtig ist, die eigene passende Community zu kennen und ihnen das zu geben, was sie sich wünschen. Frei nach dem Motto „Es jedem Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“. Gar nicht erst versuchen! Die Stärke der unabhängigen Kleinbetriebe gegenüber den preiswerten Konzernen ist ihre Persönlichkeit!

Traut Euch, ein wenig verrückt zu sein, Ihr werdet es nicht bereuen. Ihr Blasierten, traut Euch so richtig blasiert zu sein! Verhaltet Euch zum Beispiel wie britische Royalisten. Nehmt Eure Gäste ruhig ran – sie mögen es, sich benehmen zu müssen. Oh, sie werden gern bezahlen und gutes Trinkgeld geben.

Macht Euch kenntlich in Eurer Einzigartigkeit!

Du Boutique-Besitzerin mit der Leidenschaft für ganz besondere Kleidung, mache keine Kompromisse. Kaufe nur ein, wovon Du überzeugt bist, mit dem Instinkt einer Kunstgaleristin! Schule Dein Personal, so dass sie die gleiche Begeisterung für Eure ausgewählten Stücke entwickeln können wie Du. Filme Dich (so möglich) beim Einkauf und im Kontakt zu Deinen Lieferanten und Produzenten. Erkläre in Videos, wie Du vorgehst bei Deiner Auswahl. Präsentiere Dich selbst in Deinen Kleidungsstücken und Accessoires!

Du kannst in Deinen Schaufenstern digitale Bilderrahmen platzieren mit Deinen Videos, die natürlich auch bei Instagram, YouTube und Facebook zu finden sind. So lockst Du Menschen an, die bisher Hemmungen hatten, den Laden zu betreten. Und Leute, liebt Eure Schaufenster! Seht zu, dass Ihr wenig Arbeit damit habt, neu zu dekorieren – je häufiger und müheloser Ihr neu gestalten könnt, desto verlockender wird Euer Schatzkästchen. Und macht Eure Social Media Kontaktdaten in den Fenstern sichtbar (QR-Codes nutzen ist manchmal gar nicht so schlecht…).

Egal, wie Ihr Eure Gäste behandelt: Ob von oben herab, wie gute Freunde, demütig oder distanziert: passen muss es. Der Geizkragen wird weich, wenn seine Sehnsüchte berührt werden, wenn ihn ein Kauf oder ein Genuss glücklich macht.

Von Konsumenten und anderen Kunden 😉

Im Grunde genommen geht es beim Konsumieren zu wie im Freudenhaus: Von der Domina über den Gigolo bis zur Seelentrösterin gibt es für jeden Kunden und jede Kundin den idealen Sehnsuchtsbefriediger. Und die, die einfach nur nach billiger, schneller „Entladung“ suchen, kann man sowieso nicht überzeugen, die kommen sowieso nicht, auch nicht wenn man sie beschimpft…

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert