Die Neue Züricher Zeitung hat am 15.11.2017 einen sehr spannenden Artikel zu Neuromarketing veröffentlicht (Dem Gehirn schmeckt teurer Wein besser). In dem Beitrag wird ausgeführt, wie sehr sich der Mensch als Konsument beeinflussen lässt von emotionalen Motiven: Status, Image, Glück, Selbstbestätigung, Rolle in der Gesellschaft etc. Unsere Beeinflussbarkeit geht so weit, dass wir uns einbilden können, ein Wein schmecke besser als ein anderer – nur weil er einen höheren Preis hat! Und zwar ist es unser Reptilien-Gehirn, das sich das Geschmacksurteil einbildet, noch bevor wir überhaupt eine Möglichkeit haben, es mit unserer Großhirnrinde bewusst zu überprüfen. Und so fragen sich Neuromarketing-Designer: Wo sitzt der Kaufknopf im Gehirn?
Der Kaufknopf im Gehirn
Wir alle sind uns wahrscheinlich einig, dass Kaufentscheidungen nur noch selten getroffen werden, weil existenzielle Bedürfnisse vorliegen. Wir haben keinen Hunger – wir haben Appetit. Wir bauen kein Haus aus Obdachlosigkeit – wir bauen ein Haus, um uns dort glücklich zu fühlen. Wir kaufen keine Schuhe, damit die Füße beim Gehen geschützt werden – wir kaufen Schuhe, um unsere Persönlichkeit mit unseren Füßen zu verbinden und nach außen zu repräsentieren.
Falls es stimmt, dass die meisten Arbeitsplätze in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an Computer, Roboter und selbst lernende Systeme weitergegeben werden, bleibt uns Menschen immerhin noch das Privileg, Konsument zu sein und als Konsument den Wirtschaftskreislauf aufrecht zu erhalten. Wie lange sich eine solch herabwürdigende Rolle des Menschen aufrecht erhalten lässt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall steigt die Bedeutung des Neuromarketings in den letzten Jahren immer weiter, weil die Droge Konsum gepusht werden muss. Ob Erlebnisse, Produkte oder Bedrohungs-Vermeider, wir brauchen Geld, um zu konsumieren.
Limbic Map: Emotionen steuern unsere Entscheidungen
Bald steht Weihnachten vor der Tür. Das Fest des Konsums ist schon jetzt in vollem Gange. Vielleicht sollten wir uns einmal fragen, wo unser „Kaufknopf“ im Gehirn sitzt? Worauf reagieren wir wie Pawlowsche Hunde? Ewige Jugend? Anerkennung durch unsere Umgebung? Sexuelle Attraktivität? Ausgleich zu Stress im Beruf? Angst vor Krankheit und Siechtum? Der schnelle Kick mit Spiel und Spaß? Der Erste sein bei technischen Neuerungen?
Neuromarketing ist wirksam. Es ist fatal sich einzubilden, man sei nicht beeinflussbar. Nur Bewusstheit und ständiges Training des „kritischen Denkens“ kann Änderung herbeiführen. Wobei wir dann wieder vor einem neuen Problem stehen: Was machen wir mit unserem Geld, wenn wir nicht mehr konsumieren? Investieren? Aber wohin? Warum? Mit wem? Ach, da sparen wir doch lieber für das Konsumgut „Haus“ und „Altersabsicherung“. Das ist ideal für alle Konsumenten, die Konsum aus ethischen Gründen verachten. Und auch ein spannendes Wettbewerbsfeld für Neuromarketing-Designer… 😉
Neue Züricher Zeitung vom 15.11.17: Wie das Neuromarketing versucht, uns zu verstehen und kommerziell zu nutzen