Reziprozität oder Mag ich dich, magst du mich

Ach ja, damals als die Blogs noch neu waren und man sich die Trackbacks noch selbst erstellen musste – nein, keine Bange, dies wird kein „Damals war alles besser“-Artikel oder ein Posting in der Tradition von „Opa erzählt vom Social Web“. Andererseits hilft es manchmal doch einen Blick zurück zu werfen in das Jahr 2000 als die ersten Blogs so langsam in Schwange kamen in Deutschland. Das hilft vielleicht aktuelle Phänomene zu bewerten.

Über die Reziprozität, über die jüngst noch Rolf Dobelli in seinem Bestseller „Die Kunst des klaren Denkens“ erhellend schrieb – eine hervorragende mit Humor entlarvende Nachtlektüre, die manchen Einblick in unsere Psychologie und unser Verhalten gibt, auch das zweite Büchlein hat bei mir neben Watzlawick und Schultz von Thun seinen Platz gefunden  – ist ja schon eine Menge gesagt und geschrieben worden. Dieser Hang zur Gegenseitigkeit war allerdings in den Zeiten als Blogs noch jung waren zwingend: Schließlich gab es ja nicht die Google-Blog-Search oder sowas wie Technorati – RIP – spezielle Suchmaschinen mit denen man Blogs fand. Wer damals in Deutschland interessante Blogs suchte, der klapperte die einzelnen Blogrolls ab. Die Verlinkung war damals existenziell, man wurde anders nicht gefunden. Früher waren vermutlich deswegen auch die einzelnen Texte etwas dichter mit Links versehen oder den bekannten „Via: URL“-Hinweisen unter den Artikeln. Wer sich nicht verlinkte, fand sich nicht.

Wobei das auch immer wieder etwas Spannendes und Überraschendes hatte wenn man feststellte, dass die einzelnen Blogrolls auf einmal neue Blogs hinzugefügt hatten – damals waren Blogs auch noch überwiegend eine Sache für „Tagebuch ins Internet“-Schreiber. (Auf die Idee, das ganze einfach Journal zu nennen kam man damals nicht so unbedingt und lange Zeit hieß es ja auch DAS Blog. Auch wenn der Duden beides zulässt, ich bin für DAS. Tja, meine Sozialisation halt…)

Allerdings: Auch damals schon war es einfacher sich in den Blogrolls gegenseitig zu verlinken als Kommentare für die einzelnen Artikel zu schreiben. Das hat sich nun nicht unbedingt geändert, wobei es manchmal auch die scheinbar unsinnigsten Artikel waren, die die meisten Kommentare bekamen. Manche Dinge ändern sich allerdings so schnell nicht wenn man sich das Verhalten bei Facebook mal anschaut. Schön, es ist verhältnismäßig aufwändiger ein Blog in eine Linkliste einzutragen als einen „Like“ zu vergeben. Die Hürde ist definitiv niedriger. Allerdings ist der Like offenbar eine intimere Angelegenheit als ein reiner Link. Der Like ist die virtuelle Umarmung bei Facebook, ein Link ist eher ein anerkennendes Nicken. Das eigentliche Teilen von Inhalten tun wir definitiv nicht immer dann wenn wir etwas liken. Das wäre auch ein etwas unschöner Automatismus: Ich mag zwar auch Katzenphotos, aber ich muss sie nicht gleich mit der Welt teilen.

Warum teilen wir auf Facebook etwas und warum liken wir an einigen Stellen nur? Warum kommentieren wir manchmal in Blogs, warum posten wir manchmal nur den Link weiter?

Wir teilen etwas, weil wir es als anregend, empfehlenswert, als aufregend, neugierig-machend, wissensstillend empfinden, wir teilen bei Facebook Dinge weil wir glauben dass andere Menschen von ihnen profitieren können. Einerseits. Andererseits ist das Teilen von Inhalten bei Facebook auch natürlich egoistisch befriedigend: Ich teile dieses Bild weil ich darauf etwas tue von dem ich absolut überzeugt bin – und weil ich dafür erinnert werden möchte. Maslow hat ja diese nächste Stufe auf der Existenz seiner Bedürfnispyramide ja schon angedacht und für dieses „Ich möchte für etwas erinnert werden, deswegen teile ich etwas, was Gut ist“ – oder etwas, was mit mir zu tun hat und dass mein Ego widerspiegelt und sei es nur, dass ich den aktuellen Stand von BubbleWitch-Diamanten-Hexenkesselspielen teile um zu zeigen, dass ich hier der Beste bin. Dagegen liken wir um zu zeigen, dass wir etwas mögen. Wir spendieren eine virtuelle Umarmung und hoffen darauf, ebenfalls umarmt zu werden – so wie im richtigen Leben auch.

Und das ist etwas, was – wie ich glaube – nur wenige Marken bisher verstanden haben: Ich glaube nicht, dass jemand der eine Marke liked diese tatsächlich umarmen möchte.Facebooks Begriff des Likes schließt ja fast alle Varianten der Gefühle mit ein – bis zum kürzlichen „Beileid-Knopf“. Im Gegenzug erwartet man aber insgeheim doch, dass die betreffende Marke einen auch irgendwie mag. Sie muss einen nicht umarmen, aber mögen, ja, das wäre schon Etwas.  Obwohl das natürlich logisch betrachtet totaler Blödsinn ist: Ich kann nicht vom Social Media Manager einer Marke erwarten, dass der jeden Like-Post sozusagen gegenliked, dann hätte der ja den ganzen Tag nichts anderes mehr zu tun.

Dennoch erwarten wir als Mensch tatsächlich irgendwie von einer Marke die wir mögen irgendwas zurück. Meistens gibts Gewinnspiele oder Rabatte – ja, nett, aber irgendwann ist auch das abgenutzt. Marken könnten viel mehr erreichen wenn sie sich ab und an auf die Komponente besinnen, die im Wort Social Web an erster Stelle steht. Schließlich sind wir Konsumenten ja keine Maschinen. Sondern Menschen.

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