Zu sagen, die Kirche hätte sich nicht auf den Weg in die Digitalisierung begeben wäre sicherlich vermessen. Zu sagen, dass auch für sie gilt, dass die Zukunft schon da, aber ungleich verteilt sei – nach William Gibson sinngemäß zitiert: Passend. Dabei hilft natürlich kaum, dass die evangelische Kirche, die sich in dieser Woche mit der Frage nach der Digitalen Souveränität beschäftigte eben gerade nicht streng hierarchisch strukturiert ist. Ob eine Gemeinde etwa einen Fachmann für IT im Leitungsorgan besitzt oder sich gar über die Frage verständigt hat, wie der Umgang mit Facebook zu regeln sei – das ist von Fall zu Fall, von Ort zu Ort unterschiedlich. In der Regel aber – soweit ich das kennengelernt habe – wird der Digitalisierung wahrgenommen. Übergreifende Perspektiven zu dem Thema müssten aber noch erarbeitet werden. Dazu gab die Tagung in der Melanchthon-Akademie immerhin einen Impuls.
Wobei sich rasch herausstellte: Sprechen wir von Digitaler Souveränität wird die Diskussion schnell auf das Thema Datenschutz, Leaks, Technik und ähnliche Dinge umgeleitet. Zumindest auf der praktischen Eben kommt man um diese Themen auch nicht drumherum. Aber dies kann eigentlich nur ein Teilbegriff sein. Denn Digitale Souveränität umfasst deutlich mehr als nur das Wissen darüber, wie ich selbst mit Daten umzugehen habe und wie ich selbst Dienste nutze. Wikipedia definiert den Begriff wie folgt: „Digitale Souveränität bezeichnet im Allgemeinen die Möglichkeit eines Menschen, digitale Medien souverän nutzen zu können. Dies umfasst neben der individuellen Fähigkeit (vgl. Medienkompetenz) auch notwendige, äußere Rahmenbedingungen (z. B. sicherer Transportweg, geeignete Angebote, regulatorische Maßnahmen), um einen souveränen Umgang mit digitalen Medien zu gewährleisten.“
Souveränität im Digitalen Leben – eine Illusion?
„Menschen nutzen die Angebote, die einfach und leicht zu handhaben sind“ – das ist eine Erkenntnis der Tagung. In der Umkehrung müsste man sich dann auch fragen lassen, warum man eigentlich keine Angebote hat, die genau so leicht und einfach zu bedienen sind wie Dropbox, Google, Facebook und Co. Dies betrifft nicht nur die Stellen und Menschen, die in der Kirche arbeiten sondern dies ist eine Frage, die allgemein gestellt werden kann und sollte. Dass es Alternativen zu den Datenkraken gibt ist hinlänglich bekannt. Ob diese allerdings auch genutzt werden? Was nutzt die Kenntnis davon, dass es Emailverschlüsselung gibt, wenn der Ehrenamtler in der Gemeinde vor Ort sie bei sich selbst nicht installiert hat? PGP-Schlüssel hin oder her, aber solange nur eine Seite verschlüsselt und sich die andere verweigert haben wir sicherlich keine Souveränität über Mails. Oder deren Inhalten.
Und wenn wir das Wort „Souverän“ ernst nehmen – im Sprachgebrauch hat sich das Verb ja als Synonym für selbstbewußt, entscheidend, zielbewußt etabliert – dann haben wir definitiv ein Problem. Denn als Souverän müssten wir eigentlich über alles Bescheid wissen, was mit unseren Daten passiert. Wer sie wo speichert. Wer sie verarbeitet, wer das überhaupt darf, wer sie verwendet. Doch diese Souveränität ist uns längst aus der Hand geglitten – nein – sie ist so klein geworden, dass sie auf eine Handfläche passt. Denn was Telekommunikationsanbieter wie die Telekom von uns speichern, dass wissen wir gar nicht. Und wird uns auch bewußt nicht erzählt. Malte Spitz hat da so seine Erfahrungen gemacht und sein Vortrag ist mit Sicherheit jede Minute des Ansehens wert.
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Können wir das mit der Souveränität im Digitalen also komplett vergessen, wenn wir eh keine Ahnung haben, was Krankenkassen über uns speichern? Souverän wäre eigentlich genau das zu tun, was Malte Spitz getan hat und jeden Abend eine Anfrage an diverse Behörden und Dienste rauszuschicken. Das ist anstrengend. Unbequem.
Technologie und wie wir damit umgehen
„Was haben die Römer denn jemals für uns getan?“ – „Sie haben die Strassen gemacht, auf denen die paulinischen Briefe befördert wurden.“ Diese Pointe verdeutlichte bei der Tagung das Spannungsfeld zwischen Technik und Inhalt. Tatsächlich: Ohne das Postwesen der Römer wären wir heute kaum in der Lage zu lesen, was den Kolossern oder den Römern selbst angeraten wurde. Die Reformation ohne die neueste Technik des Buchdrucks – und unter dem Urheberrecht, das wir derzeit haben? Undenkbar. Die christliche Botschaft der Kirche ist die Botschaft, die von Jüngern unter das Volk gebracht wurde. Und das gerade fordert die heutige Kirche auf auch sich der Technik zu bedienen, die Neue Medien mit sich bringt. (Für die katholische Seite bleibt festzuhalten: Dass der Papst twittert ist nun keine Neuigkeit, dass der Papst aber seit kurzem auch auf Instagram zu finden ist, das ist schon ein Zeichen dafür, dass zumindest Einiges auch hier in Bewegung geraten ist und gerät.) Immanent eingeschrieben sei der Kirche die Bereitschaft und die Betonung des Gebens. Des Teilens. Praktisch müsste das, was die Kirche tut generell unter dem Label OpenAccess laufen. Oder um es mit den Worten von Ralf Peter Reimann zu sagen – dessen theologische Gedanken als Vortrag in seinem Blog zu finden sind: „Zusammenfassend lässt sich sagen: für den Umgang mit nicht-personenbezogenen Daten sollte als Default-Einstellung eine Freigabe unter einer offener Lizenz erfolgen, Daten zu teilen sollte die Regel sein, außer es sprächen im Einzelfall konkrete Gründe dagegen.“ Generell brauche eine Gesellschaft digital mündige Bürger und Bürgerinnen.
Sascha Kremer verdeutlichte dann in seinem Vortrag, wie die rechtlichen Aspekte momentan zu werten sind. Wobei es nicht um einzelnen Paragraphen des kirchlichen Datenschutzgesetzes ging – diese Fragen wurden in den Workshops erörtert – sondern um eine Einschätzung generell. Dass es im Getriebe ab und an knirscht wenn die einzelnen Werte aufeinander treffen – auf der einen Seite Transparenz, auf der anderen Seite das Gemeinwohl – ist tatsächlich etwas, was man im Alltag erfahren kann. Eine richtige Antwort gib es auf diese Problematik nicht und wird es wohl auch nie geben. Allenfalls kann im Einzelfall selbst mit Fragen nach dem Wie, Wer, Warum etc. pp. ein Rahmen erstellt werden, der praktikabel ist. Man müsse sich generell überlegen wie man mit den Medien an sich umgeht und sich die Risiken bewußt machen. Erst dann kann eine pragmatische Lösung gemeinsam entwickelt werden. Und: Jede Rahmenlösung ist besser als keine.
Sie machte sich auf den Weg
Im September wird sich die Evangelische Kirche im Rheinland dem Thema ausführlicher widmen: Einmal durch eine weitere Tagung und direkt im Anschluss mit einem Barcamp, dass schon seit etlichen Jahren zu diesen Themen stattfindet. Diesmal dann direkt in Köln. Es war ein Impuls und es war ein Startpunkt – einerseits, weil die EKIR auch ein neues Portal für die Mitarbeiter entwickelt, bei dem ein Datenspeicher, eine Groupware und ähnliches vorhanden sein wird. Im Juli soll es so weit sein. Andererseits weil die Einsichten auf das Thema eine Diskussion in den Gemeinden anregen werden – und sei es, dass beim nächsten Photoshooting auf dem Gemeindefest vorher deklariert wird, dass Fotos für den Gemeindebrief erstellt werden und wer das nicht wolle, solle doch bitte die Fotografin wegen der Löschung ansprechen. Dass darüberhinaus etliche Regelungen auch für Ehrenamtliche gelten, dass Kirche und Datenschutz immerhin sich schon angenähert haben – das ist ein gutes Fazit der Tagung. Bleibt zu hoffen, dass der Weg weiterhin so konsequent gegangen wird.
Christian Spließ, Social Media Manager, machte schon Social Media als es noch Web 2.0 hieß. Seit 2004 beobachtet er die aktuellen Entwicklungen und hilft mit Rat und Tat, wenn es darum geht Inhalte kompetentgenau an die Zielgruppe zu vermitteln.
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