„Omnia mea mecum porto“ (Alles was ich besitze, trage ich bei mir), was für ein wunderschöner Satz. Er hängt bei mir an der Tür, damit ich immer darauf blicken kann, wenn ich das Haus verlasse. Er ist mein Begleiter in schweren Stunden, wenn ich mal wieder das Gefühl habe, alles Mühen sei vergeblich gewesen und ich wäre komplett gescheitert. Es ist mein Triumph, wenn ein neuer Erfolg mich jubeln lässt. Es ist Mahnung, Trost, Erleichterung und stetige Erinnerung an meine Sterblichkeit.
Warum Eva Ihnenfeldt Status und Besitz belasten würde
Ich liebe die Sage von Sisyphos, der immer wieder einen schweren Felsbrocken einen Berg hochrollt, und
dem jedes Mal kurz vor dem Gipfel eben dieser Felsbrocken entgleitet. Wieder beginnt das Spiel aufs Neue: Bergab gehen zum Fuß des Berges, Felsbrocken stemmen, sich mühsam hocharbeiten, mit jedem Meter zunehmend an den Erfolg glauben bis auf die letzten Zentimeter kurz vor dem – Scheitern! Camus sagte von diesem Helden in Die Pest: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Ich bin so ein Sisyphos – schon immer gewesen. Ich glaube noch immer an den Sieg des Guten über das Böse, ich glaube noch genau so stark wie mit 18 daran, dass sich ab jetzt die Erde in ein Paradies für alle fühlenden Wesen verwandelt, dank der unermüdlichen Arbeit von vielen Menschen, die das genau so wollen wie ich (und mal ehrlich, wünscht sich das nicht eigentlich jeder Mensch?).
Besitz und Status behindern mich bei meinem Leben als Sisyphos. Sie halten mich am Fuß des Berges, fordern ihren Tribut. Finanzielle Verbindlichkeiten und unnötiger Besitz sind ebenso verknechtend wie Schulden. Statussymbole wie Titel, Auszeichnungen, Gruppenzugehörigkeiten und andere Zeichen von Einfluss und Macht fühlen sich an wie Fesseln, die mich in meinen freien Entscheidungen einschränken.
Ich wünsche mir Freiheit, immer wieder von vorn beginnen zu können mit meiner Vision einer Welt, in der sich alle wohl fühlen, ohne Gewalt, Angst, Unterdrückung, Missbrauch. Dafür brauche ich leichtes Gepäck: Immobilien, teure Autos, Luxusartikel, Schulden und die Gewöhnung an teure Freizeitvergnügen waren mir schon als Jugendliche ein Greuel, das hat sich bis heute nicht geändert.
„Omnia mea mecum porto“ ist der Leitspruch aller Menschen, die ihr Schicksal als Sisyphos begeistert leben und den wundervollen Moment genießen können, wenn der Felsbrocken mal wieder zu Boden gerollt ist: Wie herrlich! Endlich mal wieder für einen Moment frei und unbeschwert den Berg hinunterlaufen, bevor das nächste Projekt den ganzen Fleiß und die ganze Kraft für sich beansprucht.