Instagram ist wohl ein wunderbares Medium, an dem wir die gesellschaftliche Aufforderung zur Selbstoptimierung beobachten können. Jedes Social Media Netzwerk hat seine eigene Kultur, seine eigene Tonalität – und bei Instagram zählen Schönheit, Attraktivität, visuell erregende Botschaften. Einige junge Menschen versuchen sogar, bei Instagram Geld zu verdienen als Influencer – und viele Menschen scrollen durch ihren Instagram-Account auf der Suche nach Inspirationen und begeisternden Überraschungen. Eine Studie unter 1700 Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren hat ergeben, dass die spezielle Instagram-Kultur zu Depressionen und Angstzuständen führen kann.
Auch die Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen, wird durch Instagram begünstigt. Schon Nichtbeachtung kann als Mobbing wahrgenommen werden. Selfies etwa sind sehr persönlich und intim – wie fühlt es sich an, wenn so ein Selfie kaum geliked wird? Was erst passiert, wenn darunter abschätzige Kommentare zu finden sind?
Bin ich gut genug?
Viele Instagram-User nutzen Instagram lieber rein passiv und blättern durch die Stories, Hashtags und Accounts wie durch ein Hochglanz-Magazin. Doch was macht diese Gewohnheit mit dem Wertesystem der meist jungen Menschen? Prägt sich dadurch nicht wirklich spielerisch ein, dass wir alle in einer attraktiven Gesellschaft als attraktive Menschen unseren Platz finden wollen? Erzieht Instagram zur Selbstoptimierung?
Überleben nur die Besten?
Wir werden sehr bald in eine Zeit kommen, in der von gewinnorientierten Unternehmen nur noch die Besten der Besten gesucht und umworben werden. Da durch Automatisierung viele Arbeitsplätze und Aufgaben obsolet werden (wie Kassierer/Innen, Fahrer/Innen, Buchhalter/Innen…) wird sich das Verhältnis zwischen Bewerbern und Angeboten zuungunsten der Stellenbewerber verschieben. Auch akademische Berufe sind zunehmend betroffen, wenn Künstliche Intelligenz so etwas wie „Ursachendiagnosen“, „Handlungsentscheidungen“ oder „Falleinschätzungen“ mittels Mustererkennung vorfiltert.
Grundeinkommen für die wirtschaftlich Unrelevanten?
Erziehen wir unsere jungen Menschen tatsächlich dazu, es als völlig normal zu empfinden, sich ständig selbst zu optimieren und danach zu streben, möglichst attraktiv für Markt und Gesellschaft zu sein? Müssen Gehandicapte, Unkonventionelle, Unangepasste, Künstler und Unperfekte damit leben, dass sie sich in einer Art Grundversorgungs-Kaste wiederfinden und aus Gnade mit durchgefüttert werden (warum auch immer die Gesellschaft das will. Vielleicht aus Barmherzigkeit)?
Love-Brands, Erlebnis-Highlights und Körperkult-Ideale ziehen unserer Consumer-Welt voran. Instagram ist ein Spiegel dieser gesellschaftlichen Ausrichtung, die einer neuen Kirche gleicht. Erinnert ein bisschen an „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley. Sollte das so kommen, bin ich froh, wenn ich zwischen 60 und 70 schmerzlos mit diesem Soma eingeschläfert werde. Ich glaube so eine „Utopie“ ist für Greise nicht zu ertragen. Das wäre die Hölle auf Erden.
„Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley in 10 Minuten! Vom wunderbaren „Sommers Weltliteratur to go.