Lea Fauth äußert sich in der TAZ zu dem Phänomen, das es bei Facebook gibt: Das Umfärben des eigenen Profilbildes als Bekundung für eine bestimmte Tatsache oder als Solidaritätshaltung. Facebook hat das nach den Anschlägen von Charlie Hebdo angeboten, ebenfalls aber auch als in den USA der Senat über die andersgeschlechtliche Lebensformen entschied – und ich meine Facebook hätte auch schon davor zumindest einige Male diese Option angeboten.
Facebook ist aber damit eigentlich wieder schon einen Schritt hinterher, denn Twitternutzer haben schon seit etlichen Jahren die sogenannten Ribbons – Symbole – für ihre Profilbilder entdeckt. Dafür gibt es einen Dienst, der ähnlich einfach ist wie das was Facebook anbietet. Immer dann wenn eine re:publica ins Haus steht etwa sieht man das sehr deutlich. Jedenfalls ich, weil fast alle meiner Bekannten da anwesend sind. Ebenso zur Frankfurter Buchmesse oder anderen Veranstaltungen – es gab aber auch schon Profilbilderwechsel als Solidaritätsbekundungen. Falls sich jemand noch an die Freiheitsbemühungen in Tibet erinnert? Und noch bevor es Twitter gab war es Usus, Banner auf die Webseite zu packen oder auf andere Art und Weise seine Solidarität zu zeigen. Es ist also kein neues Phänomen.
Die Kritik, dass in dieser Art und Weise ja nur ein “Klickaktivismus” gefördert würde ist auch nicht neu. Allerdings: Auswirkungen haben diese Maßnahmen wohl kaum direkt, sie beeinflussen aber indirekt offenbar doch die Gestaltung der Politik – wie man in diesem Artikel nachlesen kann. Es lässt sich aber auch fragen, ob eine hastig in der Fußgängerzone geleistete Unterschrift nicht auch schon eine Art von “Klickaktivismus” darstellt – wenn unterstellt wird, Beteiligte bei diesen Aktionen würden sich nicht näher informieren sondern damit nur ihr Gewissen erleichtern trifft das ja auch durchaus auf Aktionen im analogen Raum zu.
Es ist jedoch so: Der emotionale Leer-Raum, den wir nach solchen Gewalttaten fühlen, braucht offenbar erstmal eine Symbol, das leicht zugänglich und bekannt ist. Wäre ein größeres Attentat in unserem Land passiert, würde wohl eine Welle von deutschen Flaggen Facebook überrollen – unabhängig auch davon ob dahinter nun eine rechtsextreme Ansicht steckt oder nicht. Im ersten Moment springt das Gefühl über den Verstand und sucht sich ein Symbol für seinen Ausdruck. Es hätte auch der gezeichnete Eifelturm auf grauem Hintergrund sein können, eine Zeitlang war der tatsächlich öfters zu sehen als die Trikolore. Facebook ermöglicht mit der Option des Einfärbens uns die emotionale Überlast, die gefühlsmäßige Sprachlosigkeit mit einem einfachen Mittel auszudrücken.
Dies mag man so deuten, wie die Journalistin dies in der TAZ tut: “Das Profilbild in die französischen Nationalfarben zu tauchen ist eine vereinfachte Solidaritätsbekundung, bei der man sich nicht mit größeren Zusammenhängen befassen muss.” Und sicherlich – bei einem Konzern wie Facebook wird nichts getan ohne eine bestimmte Absicht. So dürfte es nicht wundern, wenn Facebook die Einfärbung für sich auswertet oder anderweitig für sich nutzt. Das sollte man im Hinterkopf behalten, jedoch zeigt Facebook auch erneut, dass ein bewußt einfach gehaltener Mechanismus besser funktioniert. Nicht jeder ist so fähig mit Photoshop oder anderer Software Bilder zu bearbeiten, die dann noch hochgeladen werden müssen.
Infolgedessen aber auch zu behaupten, “die Sprache des Internets lässt mit ihren Profilbild-Trends ebensowenig (wie die Kriegsrhetorik Hollands, d. A.) eine differenzierte Ausdrucksform für Anteilnahme zu” – wie richtig ist das? Erstmal ist es befremdlich, wenn im Satz die Sprache des Internets mit der von Facebook gleichgesetzt wird. Allenfalls kann man von einem Trend bei Facebook reden, von einem Ausdruck unserer Ohnmacht, die einen emotionalen Katalysator findet. Dafür ist die Trikolore übrigens noch aus einem anderen Grund geeignet: Schließlich befindet sie sich in den Händen der Freiheit, die das Volk gegen die Tyrannen anführt. Siehe Eugene Delacroix’ Bild, das zur Illustration des Artikels dient. (Vermutlich würde dieses Bild auf Facebook gar nicht angezeigt werden, denn das Bustièr der Freiheit ist verrutscht…)
Ebenso zu konstatieren, Profilbilder hätten keine differenzierte Ausdrucksform für die Anteilnahme oder ließen diese nicht zu – eine gewagte These, die man sicherlich noch untersuchen müsste. Symbole haben grundsätzlich erstmal einen sehr plakativen Charakter: Sehe ich ein Kreuz, stelle ich sofort die Verbindung zum Christenum her. Bei einem Fisch wäre die Sache schon etwas schwieriger – das Symbol des Fisches für Jesus Christus ist allerdings dann schon etwas für Eingeweihte. Was aber ist ein Symbol der Anteilnahme?
Dies steht ja nicht sofort zur Verfügung – es wird von der Gesellschaft, von denen die es nutzen als Ausdruck für die Emotion und als Symbol ja erstmal gesetzt. Wir können in einem Zustand des Schocks auch erstmal nicht differenzieren, der Verstand setzt erst danach ein. Mag sein, dass das Symbol dann erstmal für eine nichtdifferenzierende Solidarität steht. Es heißt aber nicht, dass für jeden – und wenn im Artikel die Sprache des Internets gemeint ist, so wird auch hier eine Verallgemeinerung vollführt, die nicht statthaft ist – danach die Beschäftigung mit dem Vorgang zu Ende ist. Für Einige kann dies der Fall sein, Andere werden sicherlich die Ereignisse nochmal vertiefen wollen.
In diesem Zug könnte dann auch ein differenziertes Symbol von der Gesellschaft gewählt werden. Vielleicht eine Collage der Trikolore mit anderen Fahnen. Vielleicht auch ein komplett anderes Symbol, das zur Zeit einfach noch nicht existiert. Einen Klick, eine Umfärbung aber einfach abzutun – damit macht man es sich zu leicht. Dann ist auch eine Unterschrift, die ich in der Fussgängerzone mache ebenso entwertet – denn ich habe auch in diesem Moment kaum Möglichkeiten, mir ein differenziertes Informationsbild zu holen sondern werde von Flyern und geschulten Mitarbeitern über deren Absichten aufgeklärt. Ist dies dann auch Solidarität? Oder ist es auch schon Manipulation? Und ist der Artikel in der TAZ nicht auch genauso manipulativ? Der Vorhang ist zu, aber alle Fragen offen…