Serie zu politischer Medienkompetenz Teil 3: Drum prüfe dreimal, bevor Du teilst

In dieser dreiteiligen Serie haben wir uns zunächst damit beschäftigt, woran man glaubwürdige Autoritäten erkennen kann, wenn man im Internet nach politischen Hintergrundinformationen forscht. Im zweiten Teil haben wir uns mit dem grundsätzlichen Wandel in der Medienkompetenz beschäftigt: Wie man sich Schritt für Schritt zur informativen Selbstbestimmung weiterentwickeln kann. Im letzten Teil der Serie geht es darum, was wir mündigen Bürger tun können, um uns im Social Web einzumischen – ohne uns zu unbedarften Mittätern zu machen von Quellen, die wir nicht unterstützen wollen. Das ist nämlich gar nicht so einfach!

Wie funktionieren soziale Netzwerke in Bezug auf die politische Meinungsbildung?

In einer Zeit, in der wir dank des Internets vielseitige Möglichkeiten haben, uns Nachrichten und Informationen zukommen zu demokratie-1536632_640lassen, kreiert wohl jeder User sein eigenes System, um politisch auf dem Laufenden zu bleiben. Die Einen laden sich Apps von Nachrichten-Plattformen wie BILD oder Spiegel herunter und konsumieren diese, wenn es  gerade passt. Andere abonnieren sich ihre Quellen über RSS-Dienste wie Feedly, wieder andere vertrauen auf die Auswahl von Google News oder anderen automatisch generierten News-Zusammenstellungen. Und gerade die Älteren setzen auf die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen von ARD und ZDF.

Facebook ist ein Sammelbecken für private Verlautbarungen und Medien-Posts. Viele Facebook-User haben Fanpages abonniert von der Tagesschau, vom ZDF, von der Bundesregierung, von Verlagen, von alternativen Medien und Blogs. Wenn sie durch ihren Newsfeed scrollen, erscheinen zwischen den Statusanzeigen ihrer Freunde auch immer wieder Posts dieser abonnierten Medien – je beliebter diese sind, desto eher. Die Medien, die wir besonders wichtig finden, können wir mit „Als Erstes anzeigen“ zuverlässig abonnieren, um nichts zu verpassen.

Twitter nutzen sehr viel weniger Menschen als Facebook, doch gerade Twitter ist die Heimat von Politikern und politischen Organisationen. Während Politiker Facebook häufig fürchten wegen der Primitivität der emotional bedrohlichen Kommentare, lässt Twitter sich leichter händeln. Hier gibt es natürlich auch viel rüde Kritik, doch „Shitstorms“ im eigentlichen Sinne muss man kaum befürchten. Für politisch interessierte Bürger ist es also sehr sinnvoll, sich mal bei Twitter umzugucken. Dort erfährt man in Echtzeit News zu Ereignissen wie Terroranschlägen – und man kann Themen und aktuelle Ereignisse vor Allem besser finden: Dank der Hashtag-Suche und der vielen Journalisten und Politiker bei Twitter ist man umfassend dabei, wenn etwas passiert.

Segen und Fluch der sozialen Netzwerke

Auf der einen Seite ist es ein Segen, dass man jederzeit und ortsunabhängig dank Facebook und Twitter viele Nachrichten, Videos, Bilder und Stellungnahmen zu politischen Ereignissen erhält. Unvorstellbar, dass wir vor wenigen Jahren noch auf die stündlichen Radionachrichten und die abendlichen Tagesschau- und Heute-Formate reduziert waren. Es ist definitiv eine Bereicherung, dass wir nun auch Themen erkunden können, die es nicht in die Rundfunk- und TV-Nachrichten schaffen – und dass wir jederzeit Neuigkeiten erfahren können. Noch nie waren Menschen so umfassend informiert wie heute. Kein Wunder, dass soziale Netzwerke sich gerade in autoritären Staaten größter Beliebtheit erfreuen. Denn dort braucht man unbedingt Alternativen zur Staats-Presse.

Auf der anderen Seite ist es ein Fluch, dass wir sehr häufig viel Zeit brauchen, um die Glaubwürdigkeit einer Quelle zu prüfen. Auch mir ist es schon passiert, dass ich ein Video bei Facebook oder Twitter geteilt habe, ohne zuvor die Quelle eingehend zu recherchieren. Tatsächlich bin ich durch Schaden zwischenzeitlich klüger geworden: Wenn man im Nachhinein feststellt, dass die Quelle an sich extreme politische Ansichten von rechts und links vertritt, die man kein bisschen unterstützen möchte, ist das so etwas wie der Supergau im persönlichen Bürger-Aktivismus. Es gibt gefälschte „Tatsachen“, es gibt manipulierende Aussagen, es gibt Community-Vernetzungen bei diesen Sendern – und es gibt Softwareprogramm-Bots, die Posts und Tweets verteilen, und hinter denen nicht einmal ein echter Mensch steht. Ein unbedarftes Teilen von Inhalten kann also echten Schaden zufügen.

Social Media: Eine globale Online-Petition 24/7/365

Viele Menschen nutzen Online-Petition-Plattformen wie Change.org oder Avaaz, um Projekte und Initiativen zu unterstützen. Doch sind nicht auch Plattformen wie Twitter und Facebook so etwas wie „Online-Petitionen 24/7/365? Spätestens seit Snowden wissen wir ja, dass alle unsere Äußerungen im Web wahrgenommen werden können – sollte man das nicht nutzen, wenn man sich für die Gesellschaft interessiert?

Leider ist es so, dass gerade bei Facebook vor Allem Menschen mit  „geringer Fallhöhe“ aktiv sind bei politischen Aussagen und gesellschaftspolitischen Kommentaren. Das ist verständlich – wer wenig oder nichts zu verlieren kann, kann sich dort ungestraft austoben. Doch das verzerrt das Bild auf die Gesellschaft erheblich. Unsere Politiker müssen ja den Eindruck gewinnen, das „Volk“ sei rassistisch und voller primitiver destruktiver Emotionen!

Schlimm, wenn sich durch diesen falschen Eindruck die ganze politische Landschaft in eine gefährliche Richtung entwickelt. Für eine Demokratie sind Menschenwürde und Menschlichkeit unabdingbar, da sonst die in der Verfassung festgeschriebenen Grundwerte bedroht sind. Es sollte also das Ziel aller demokratisch gesinnten Bürger sein, sich zu äußern und am demokratischen Meinungsprozess mitzuwirken – sind da Facebook, Twitter und Co nicht der reine Segen? Der engagierte Bürger muss nicht mehr bei Wind und Wetter zu Demos gehen – und er muss auch nicht mehr unbedingt in eine Partei eintreten. Also zunächst in sich nachspüren, ob man am politischen Gestaltungsprozess teilnehmen will – und dann die praktischen Klippen umschiffen im Web.

Politische Inhalte liken, teilen, kommentieren – sich vernetzen

Es ist sehr leicht, bei Twitter oder Facebook politisch ausgerichteten Medien zu folgen und über diese Plattformen „Zeitung zu lesen“. Findet man bei Spiegel, Zeit, SZ, Welt, tagesschau und Co einen spannenden Artikel, ist es ebenso leicht, diesen den eigenen Freunden und Followern zukommen zu lassen. Man kann Beiträge teilen – und bei Bedarf noch einen eigenen Text dazuschreiben. Das ist sinnvoll, um den Freunden zu erläutern, warum man den Artikel wichtig und lesenswert findet.

Während das bei den Leitmedien unproblematisch ist, sollte man bei allen alternativen Medien vorsichtig sein mit der Weitergabe von Content an Kontakte. Bevor Sie sich als Konsument dieser Blogs, Kanäle und Plattformen „outen“, empfehle ich dringend, über Google zu recherchieren, was das Netz und was die Leitmedien dazu schreiben. Zwar sollte man der Zuordnung nicht blind folgen und jedem Urteil glauben – doch man sollte auf jeden Fall auf Kritik vorbereitet sein. Wahrscheinlich wird man sich zunächst nicht trauen, solche umstrittenen Medien öffentlich zu teilen (also zu verbreiten), doch bei eindeutiger Überzeugung wird man vielleicht nach und nach mutiger. Hauptsache, man weiß, was man konsumiert, wem man vertraut, was man tut und welche Konsequenzen folgen könnten.

Vorsicht vor Posts von Freunden – immer die Quellen prüfen!

Wirklich heikel hingegen sind Posts und Tweets von Freunden und Twitteranern. Sehr schnell ist man begeistert von einem Bild, einem Video, einem Artikel – liest, glaubt, teilt – und erfährt später, dass das ein großer Fehler war. Gerade über dieses leichtgängige Weitergeben von Content passieren die schlimmsten politischen Unfälle. Darum gilt als erster Grundsatz: Teile nie Content, dessen Quelle Du nicht überprüft hast!

So gibt es bei Facebook zahlreiche Communities, die für die ein oder andere Position einstehen. Nehmen wir als Beispiel eine öffentliche Facebook-Gruppe, die sich für die Friedensbewegung engagiert. Dort findet sich eines Tages ein Video mit „Beweisen“, dass an einer Grenze geheimgehaltene Aufrüstung mit Kriegsgerät passiert. Viele unbedarfte Gruppenmitglieder sind entsetzt und teilen rasch das Video, um all ihre Freunde und bekannte zu warnen.

Doch verfolgt man die eigentliche Quelle des Videos, landet man bei einer rechtsradikalen Organisation, die mit Falschmeldungen und manipulierten Videos arbeitet, um Menschen zu verängstigen. Die Organisation hat zahlreiche Social Bots über entsprechende Software-Programme bei Twitter und Facebook, die so tun, als wären sie Menschen. Es ist leicht, auf diese Programme hereinzufallen, man muss also jeden Post bis zur Quelle hin überprüfen, um sicherzugehen.

Also: Bei Facebook und Twitter immer penibel den Absender prüfen, wenn dieser nicht wirklich vertraut ist. Der Absender ist dabei NICHT Euer Kontakt, der den Inhalt geteilt hat – sondern der eigentliche Absender, der sich hinter dem Video, Artikel, Bild verbirgt. Man sieht, dass politisches Bürger-Engagement im Social Web nicht so eben nebenbei passiert, sondern schon Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein verlangt. Doch gerade das ist ja ein Lernerfolg bei der Entwicklung politischer Medienkompetenz! Der Bürger an und für sich erlangt Kompetenzen, die für Journalisten Grundlage sind für ihren Beruf: sorgfältige Quellenüberprüfung, die Recherche mehrerer Quellen als Glaubwürdigkeits-Vergleich, die Verantwortung beim Publizieren gegenüber den Lesern.

Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

Selbstverständlich gibt es immer nur einen gewissen Anteil von Menschen an der Bevölkerung, die sich tatsächlich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren. Für die meisten Menschen bleibt Politik wohl ein Kanal, um sich emotional abzureagieren – ähnlich wie beim Fußball. Für nachdenkliche und verantwortungsbewusste Bürger hingegen ist die Beschäftigung mit politischen Zusammenhängen keine lästige Pflicht – sonder eine spannende Herausforderung. Demokratie lebt von diesen Menschen, und wenn sie sich im Social Web nicht betätigen, leben wir bald in einer „Mob-Demokratie“ – das gilt es zu verhindern.

Anfangs ist die Recherche und die Diskussion, die man im Social Web erlebt, mühevoll und ungewohnt, doch es ist wie „Fahrradfahren“ – man wird immer leichtfüßiger und geschickter. Fällt man anfangs noch auf Quellen oder Halbwahrheiten herein, gewinnt man an Souveränität – und an Wissen!

Das Netz bietet einen Schatz an Sach-Autoritäten und Wissenschaftlern, die sich in Vorträgen, Interviews, Aufsätzen und Disputen äußern und großzügig ihr Wissen weitergeben. So kann der politisch engagierte Bürger sich ständig weiterbilden und seinen Horizont erweitern. Er kann Gleichgesinnte finden, sich vernetzen, anspruchsvolle Diskussionen führen und sich vielleicht sogar einem Projekt oder einer Initiative anschließen, die vor Ort existiert!

Man lernt mit der Zeit, den Fallen aus dem Weg zu gehen und sich vor Menschen zu hüten, die gefährlich werden könnten. Keine Frage – Politik im öffentlichen Raum ist ein heißes Pflaster – aber es macht auch unglaublich viel Spaß, tolle Menschen und Initiativen kennen zu lernen und Zusammenhänge zu verstehen. Ergänzend sollte man (wenn man gern Bücher liest) auf jeden Fall sein Wissen und seine Nachforschungen durch aktuelle Sachbücher ergänzen. Das ist allein deshalb sehr hilfreich, weil Bücher aus renommierten Verlagen in Bezug auf „Fake-Behauptungen“ genau geprüft werden, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Glaubwürdigkeit bei politischen Sachbüchern ist also viel höher als beim schnelllebigen Medium Internet.

Fazit zur Serie zu politischer Medienkompetenz

Ich würde mir wünschen, dass immer mehr Menschen den Mut und die Verantwortung entwickeln, sich im Social Web politisch zu äußern. Es ist sehr gefährlich, wenn der Eindruck entsteht, dass es in Deutschland einen erheblichen Rechtsruck in der Bevölkerung gibt. Das beeinflusst unsere Politiker und auch unsere Exekutive. Also bitte einfach mal probieren: Zuhören, erkennen, verstehen – und wenn möglich dann auch ab und zu sich selbst zu Wort melden und diskutieren.

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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