Soziale Netzwerke wollen nur unser Bestes – wie Einarmige Banditen in Las Vegas ;)

Das c’t Magazin von heiseonline hat einen sehr guten Überblick darüber gegeben, mit welchen Psychotricks Social Media Plattformen und Mobile Apps uns dazu bringen, so lange wie möglich innerhalb der Systeme zu bleiben. Der Beitrag zeigt, wie sie uns bestmöglich unter sozialen Druck setzen – und was für Möglichkeiten eingesetzt werden, um uns süchtig zu machen. Das wird sicher all Diejenigen freuen, die Facebook, Instagram und WhatsApp mit tiefster Abneigung gegenüber stehen – wir Anderen können aus eigener Erfahrung mal ganz in Ruhe überlegen, inwieweit das stimmt.

Was sind die Psychotricks, um uns bei Facebook, WhatsApp und Co zu halten?

Scrollen und scrollen und scrollen…

Der Mensch ist auch als Erwachsener noch Kind geblieben. Wir mögen es, durch unentwegtes Rollen und Gleiten der Hände und gleichzeitiges Verfolgen mit den Augen von einer „Maschine“ hypnotisiert zu werden. Das entspannt, betäubt und hilft uns, für diese Zeit weniger in unseren Gedanken gefangen zu sein.

Gier auf „Mehr!“ ist der Antrieb für dieses kindliche Verhalten des Erwachsenen. So wie der Kick bei Drogenkonsum kann es sich anfühlen, immer weiter und weiter und weiter zu scrollen und zu staunen, dass es kein Ende zu geben scheint.

In vielen Apps und sozialen Netzwerken können wir endlos herunterscrollen. Das ergibt einen ähnlichen Effekt. Wie hypnotisiert scrollen wir durch Instagram, Facebook oder Mobile Apps, die sich des selben Schemas bedienen. „Nur noch ein bisschen“ denken wir oft genug dabei.

Zur Freude des unendlichen Scrollens gesellt sich die Neugier – mag ein wenig tiefer der „Hauptgewinn“ lauern? Brauchen wir nur noch ein bisschen mehr Zeit und Geduld, bis wir den ultimativen Post oder die ultimative Story oder das ultimative Video entdecken? So vergeht Minute für Minute, und wir ärgern uns oft genug, weil wir darüber die Zeit vergessen haben.

Operative Konditionierung durch Pull-to-Refresh

Menschen, die gern am Spielautomaten sitzen, kennen den Rauschzustand, wenn sie durch eine Handbewegung (perfekt beim einarmigen Banditen) das Geschehen beeinflussen können. Bei unseren Smartphones erleben wir ähnlichen Genuss, wenn wir mit dem Finger den Bildschirm herunterziehen und sich dadurch die Inhalte verändern. Das nennt man den „Pull-to-Refresh“-Mechanismus.

Die c’t beschreibt in dem lesenswerten Beitrag, wie uns unsere Neugier und die Sucht nach Überraschungen und Geschenken immer weiter antreibt, noch mal und noch mal und noch mal einen Refresh zu aktivieren – es könnte ja der Hauptgewinn lauern. Im Grunde genommen verhalten wir uns nicht viel anders als Ratten, die dank operanter Konditionierung immer wieder und wieder den Futterknopf drücken, gerade wenn sie nicht genau wissen, ob es diesmal Futter geben wird – oder ob diesmal keine Belohnung auf sie wartet.

Er liebt mich, sie liebt mich nicht…

Wir Menschen sind gesellschaftliche Wesen. Wir brauchen Lob, Liebe, Bestätigung. Ständig lebt in uns ein Stückchen von der Sorge, wir könnten aus unserer Community ausgeschlossen werden, weil wir unwichtig sind. Nun denken wir daran, wie wir bei Facebook, Instagram und Co Zeichen für Bestätigung einsammeln: Wie viele Likes hat mein Bild, mein Video, mein Spruch, mein Post und wie viele meiner Kontakte haben es kommentiert… Wir zählen unentwegt bei unseren Aktivitäten in sozialen Netzwerken, ob wir beliebt sind mit unseren Kommunikationsbotschaften.

Jeder Mensch nutzt soziale Netzwerke, um gute Gefühle zu erhalten. Wir schütten das Hormon Dopamin aus, wenn wir Anerkennung und Liebe fühlen. Wir fühlen uns einsam und ausgestoßen, wenn wir ignoriert werden und soziale Bindung vermissen müssen. So werden Facebook, Instagram, Snapchat und Co zu Suchtmitteln für Menschen, die stark auf soziale Anerkennung angewiesen sind. Doch auch die Selbstbewusstesten genießen es, umschwärmt zu werden, Wirklich frei von dieser Sucht ist wohl kaum jemand.

Snapchat – weil junge Menschen Freunde so sehr brauchen

Snapchat spricht in erster Linie Teenager an. In dieser App gibt es einen besonderen Mechanismus: Sendet man drei Tage lang Fotos und/ oder Videos mit einem Snapchat-Kontakt hin und her, wird neben dem Kontakt angezeigt, wie viele Tage schon dieser rege Kontakt läuft. Eine Flamme illustriert, wie sehr man sich in „flammender Leidenschaft“ verbunden ist.

Das Problem dabei: Gibt es eine Unterbrechung dieses intensiven Austauschs, erlischt die Flamme. Was für ein wunderbares Suchtmittel für sehr junge Menschen, die in der App gehalten werden sollen! Nicht nur bei Verliebtheitsgefühlen – auch bei Freundschaften ist es Menschen in dieser entscheidenen Lebensphase extrem wichtig, dass sehr enge, emotionale Verbindungen zu Freunden bestehen. Erlischt diese Emotion, kann das sogar als bedrohlich empfunden werden.

Und sie starren auf ihr Handy…

Wir alle kennen es aus öffentlichen Verkehrsmitteln: Die Menschen starren auf ihren Bildschirm und nehmen kaum wahr, was in der „richtigen“ Welt um sie herum passiert. Würde man nun durch ein Zugabteil gehen und nachprüfen, wo genau sich die Fahrgäste in ihrem Smartphone aufhalten, wird man auf viele Gamer stoßen, auf Instagram, auf WhatsApp und auch immer mal wieder auf Facebook.

Tatsächlich bedeutet es für sehr viele von uns Stress, wenn das Smartphone weg ist. Ich selbst kenne es sehr gut, wenn ich durch die Wohnung rase – auf der Suche nach dem Handy! Eine ganze Zugfahrt von mehr als zehn Minuten zu überleben, ohne auf mein geliebtes Smartphone zu starren, lässt mich gruseln. Wäre nur ok, wenn ich ein Buch oder eine Zeitschrift bei mir hätte.

Die c’t meint, dass Digitale Führer wie Steve Jobs, Bill Gates und Co immer sehr viel Wert drauf legten und legen, dass ihre Kinder so spät wie möglich ihr erstes Smartphone erhalten. Die Gründer der Silicon-Valley-Giganten treibt anscheinend die Sorge, ihre Kinder könnten den raffinierten Psychotricks ihrer eigenen Entwickler erliegen. In einer Zeit, in dem das normale Smartphone-Einstiegsalter bei etwa zehn Jahren liegt, mag man sich schon fragen, ob das gesundheitliche Schäden nach sich ziehen kann. Ist das Smartphone mit seinen Mechanismen tatsächlich eine Droge?

Wenn Mobile-Games den Spieler belohnen

Bei sehr vielen Smartphone-Games gibt es ständig Belohnungen, die den Spieler an das Spiel binden. Bei Pokemon und Co spielen auch soziale Bedürfnisse eine Rolle. Man kann seinen Freunden virtuelle Geschenke machen und sich auf diese Weise zeigen, dass man sich mag und das der Andere Einem etwas bedeutet. Aber auch die „einsamen“ Belohnungen werden als Glücksgefühle wahrgenommen. Das macht süchtig und bindet an das jeweilige Spiel.

Der erste Schuss ist stets umsonst…

Ich weiß ja nicht, ob es wirklich so ist, dass Drogendealer zunächst umsonst probieren lassen, um Süchtige zu produzieren – bei Freemium-Spielen ist es tatsächlich so. Geld verdient wird damit, dass die Spieler, die den begeisternden Einstieg über das kostenfreie Spiel gefunden haben, mit der Zeit immer empfänglicher werden für kostenpflichtige Zusatzmöglichkeiten. Wie in c’t gezeigt wird, sind unter den Top 50 Spielen im Playstore vor Allem kostenfreie Spiele, die später für Erfolge und optimierte Spielerlebnisse Geld verlangen. Freemium erleichtert es den Spielern, nach und nach lockerer zu werden beim Zücken der Geldbörse.

Du hast die Wahl – wir wollen nur Dein Bestes…

Der c’t-Artikel zeigt im Weiteren noch auf, wie die Digital-Giganten Google und Facebook uns durch angebliche Entscheidungsfreiheiten dazu verführen wollen, das Vertrauen zu den Datenverkäufern nicht zu verlieren. Wir können Privateinstellungen optimieren, können bei YouTube (für kurze Zeit) deaktivieren, dass uns automatisch weitere Videos vorgespielt werden, können Werbeanzeigen verbergen lassen etc. Doch ob durch solche Maßnahmen der Konsument beruhigt ist, mag dahingestellt sein.

Ich denke, wir alle wissen, dass dies Optionen vor Allem dazu da sind, uns die Illusion zu vermitteln, wir hätten Kontrolle bei unseren Aktivitäten im Web. Ob Gesetzgeber tatsächlich dem transparenten Menschen etwas entgegensetzen werden, bleibt abzuwarten. Da auch Regierungen großes Interesse an genau diesem transparenten Menschen haben, bin ich da doch sehr pessimistisch.

Quelle: c’t-Magazin vom 15. Oktober 2019: Die Psychotricks der Entwickler

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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