Facebook feiert 15. Geburtstag -und wie steht Eva Ihnenfeldt dazu?

Als Facebook 2008 mit einer deutschen Sprachversion den Start in Deutschland wagte, war das soziale Netzwerk gerade mal vier Jahre alt. Ich selbst lernte Facebook wenig später kennen. Ein Freund zeigte mir die Funktionalitäten – und ich, die Twitter gewohnt war, reagierte reichlich wütend darauf, dass Facebook seinen Nutzern einen vorgefilterten Newsstream (damals Timeline) präsentierte. Konnte ich es hinnehmen, dass mir ein Unternehmen vorschreibt, was ich zu sehen habe und was nicht? 

Von der Anfangswut zur Resignation

Noch viele weitere Dinge erregten meinen Zorn bei Facebook. Aufdringliche Werbung, das Ausspionieren meiner Daten, Gewinnspiele, das ungewollte Hinzufügen in Gruppen und andere unaufrichtige Angebote… Obwohl ich 2011 eine Akademie zur Ausbildung von Social Media Managern gründete, blieb Facebook in meinen Augen die „virtuelle BILD-Zeitung“: niveaulos, geschmacklos, skrupellos.

Damals konnte ich natürlich noch nicht wissen, was Edward Snowden 2013/2014 an die Öffentlichkeit brachte. Ich hatte zwar den Verdacht, dass Facebook eng mit der NSA kooperierte – doch die Ausmaße der digitalen Überwachung verstand ich erst, als ich mich mit näher mit den entlarvenden Dokumenten des Whisteblowers beschäftigte. Nicht nur Facebook, ALLE großen Digital-Player sind mit Geheimdiensten und anderen mächtigen Kooperationspartnern verbunden – plötzlich sank Facebook für mich auf eine Stufe mit Google, Amazon, Apple, Microsoft und Co.

Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich mit der bitteren Realität abgefunden habe. Ist meine Generation in den achtziger Jahren noch gegen die Volkszählung in Deutschland aufgestanden und hat dagegen gekämpft, ist es heute banale Alltäglichkeit, dass wir durchleuchtet durchs Leben gehen. Nur wenn man mal aufmerksam recherchiert, wie Behörden Terrorverdächtige entlarvten über deren Messenger-Korrespondenz und die sozialen digitalen Aktivitäten, erhält man einen vagen Eindruck davon, wie gläsern wir geworden sind und was alles möglich ist.

Facebook ist persönlicher und lebendiger als Xing

Wenn Facebook nun nicht mehr der „Hort alles Bösen“ ist, was ist es für mich dann? Warum schaue ich morgens nach dem Erwachen erst einmal auf Facebook nach, was in der Nacht so passiert ist, bevor ich auch nur aufstehe? Warum habe ich Twitter durch Facebook ersetzt und sammle so gut ich kann all meine Kontakte dort ein – statt es wie früher bei Xing zu tun?

Ich lerne beruflich bedingt extrem viele neue Menschen kennen. Alle zwei bis vier Wochen habe ich rund 20 neue Studierenden, mit denen ich ganze Tage verbringe, um sie in Marketing und/ oder Social Media zu unterrichten. Wir erleben sehr intensive Zeiten miteinander, und oft genug überwältigt mich, was bei Einzelnen durch die Impulse in unserem Unterricht passiert.

Heute bettle ich fast darum, dass wir uns über Facebook vernetzen, da ansonsten der Abschied so schwer fallen würde. Was für Möglichkeiten hatten wir in analogen Zeiten, auf lockere Weise verbunden zu bleiben – ohne konventionelle Zwänge und ohne Verbindlichkeiten?

So lese ich zufällig hier und da in meinem Newsstream etwas über meine vielen vielen Ex-Studierenden, die sich vielleicht beruflich verändert haben, die sich verlieben oder ein Baby bekommen haben. Ich lese etwas über ihre Werte und ihre politische Ausrichtung, erfreue mich daran, dass unsere Kurs-Communities immer noch den Keim der Verbundenheit in sich tragen.

Poste ich selbst etwas in Facebook, was mir wichtig ist, erhalten ich viele Kommentare von Ex-Studierenden, die anscheinend Anteil nehmen an Evas privatem Leben. Da kommt so viel an Zuneigung und aufrichtigem Mitfühlen – was für eine Ehre -was für ein Geschenk!

Vom Nutzen des Facebook-Messengers

Manchmal schreibt mir jemand über den Facebook Messenger, um meinen Rat zu suchen oder von etwas beruflich Einschneidendem zu erzählen. Das tut so einer „alten Trainerin“ total gut. Ich habe meine Schäfchen weiter um mich herum. Auch wenn ich monate- oder jahrelang nichts von ihnen mitbekommen habe – dank Facebook sind diese Schläfer-Freundschaften jederzeit erweckbar. Das gibt mir die Freiheit, im Moment zu leben und darauf zu vertrauen, dass ich schon mitbekomme, wenn ich gebraucht werde.

Manche meiner Leute möchten sich nur über Xing mit mir vernetzen, doch da ist einfach so gut wie keine Kommunikation. Man kann sich Nachrichten schreiben wie im Messenger oder per E-Mail – doch das war es dann eigentlich auch. Die vielen emotionalen Begegnungen, die über Facebook passieren, finden bei Xing definitiv nicht statt. Bei LinkedIn ist das anders, da ist ganz viel möglich – doch bisher habe ich mich noch nicht daran gewöhnt…

Facebooks Innovationskraft

Auch wenn der Gründer von Facebook gewiss kein ethisch mir aus dem Herzen sprechender Mensch ist, bin ich ihm und seinem Team dankbar, dass Facebook so agil und ehrgeizig ist. Immer weiter, immer weiter will die Maschine, um bloß keine Hintertür für ein neues soziales Netzwerk zu schaffen.

Dank des Geniestreichs DSGVO und anderer internationaler Vereinbarungen besteht wohl kaum noch Sorge, ein Newcomer könnten Facebooks globale Macht brechen. Die Datenerhebungs-Vorgaben sind so komplex, dass ein StartUp kaum die Möglichkeit hat, diese rechtskonform zu erfüllen. Google, Facebook, Microsoft, Apple und Co haben freie Bahn – Konkurrenz mit Big Data Kompetenz ist kaum zu befürchten. Die Giganten haben gewonnen.

Also akzeptiere ich das Wissen darüber, dass Facebook viel Geld mit uns gläsernen Menschen verdient. Die alte Mär, dass wir mit unserem Kostenlos-Wahn selbst schuld sind an dem Desaster, hat sich wohl auch erledigt. Spotify, Microsoft, Smart-Geräte, Banken… auch wenn wir zahlende Kunden sind, werden unsere Aktivitäten und Kommunikationen ausgewertet und verkauft. Ist eben so.

Was ich an Facebook liebe

Was ich an Facebook liebe, ist diese Unverbindlichkeit in den Beziehungen. Ich fühle mich frei von gesellschaftlichen Standards, kann gemütlich und ergebnisoffen plaudern über Politik, persönliche Kümmernisse, gemeinsame Visionen, Veranstaltungen und Projekte. Wunderbar!

Facebook ist als agil arbeitendes Unternehmen stets innovativ. Wöchentlich kommen Neuerungen, die den Komfort und die Funktionalitäten weiter optimieren. So nutze ich zwischenzeitlich fast ausschließlich Facebook-Veranstaltungen, um von spannenden Events zu erfahren. Alle posten sie – und Facebook kennt meine Vorlieben und schlägt mir lauter passende Events vor – Halleluja!

Facebook-Gruppen sind großartig, um die Kunst des Nehmens und Gebens zu lernen.  Zu allen Fachthemen dieser Welt gibt es Gruppen. Es gibt buchstäblich nichts, was es nicht gibt. Schlangenzüchter, Online-Marketing-Manager, StartUps, Depressive und Excel-Junkies tauschen sich offen aus und unterstützen sich gegenseitig. Menschenrechtler und Kulturschaffende – alles ist da, und oft auf hohem Niveau. Nicht zu vergleichen mit den Xing-Gruppen, die in den vielen Fällen durch Akquisetreibende zerstört werden.

Mag sich verweigern, wer will…

Kurz und gut: Ich kenne die Machtbestrebungen und Verflechtungen von Facebook gut genug, um misstrauisch zu sein. Die Erforschung des menschlichen Verhaltens über die Zuckerberg-Stiftung Priscilla Chan – in die immerhin 99 Prozent seines Vermögens geflossen sind, gruselt mich. Keine Ahnung, inwieweit ich manipuliert durchs Leben gehe, doch allein die Vorstellung, dass mit Geld des Facebook-Imperiums überall auf der Welt an Universitäten zu Manipulationstechniken geforscht und experimentiert wird, kommt mir vor wie ein Science-Fiction aus einer dystopischen Phantasie.

Warum ich Facebook nutze

Facebook ist die Möglichkeit, in Echtzeit mit der ganzen Welt zu kommunizieren. Punkt. Die Funktionalitäten, die Usability und die Innovationskraft des sozialen Netzwerks sind gigantisch. Punkt. Der eigentliche Zweck, unverbindlich mit Menschen verbunden zu bleiben, auch wenn man im Alltag gerade nichts miteinander zu tun hat, ist meisterlich umgesetzt. Punkt. Facebook verdient Geld mit der Ausspielung von Werbung, die auf unser Verhalten ausgerichtet ist. Punkt. Facebook ist Instagram, Facebook ist WhatsApp. Punkt.

Mag sich Facebook verweigern, wer will. Ich besitze ein chinesisches Smartphone, Android, ein Smart-TV, ein iPad und eine Alexa. Ich bin gläsern. Ich wünsche mir sogar, dass die ganze Welt gläsern ist, damit wir nicht mehr mit dem Spruch „Im Dunkeln ist gut munkeln“ leben müssen. Zu viel Grausames ist passiert unter dieser Devise – und mal ehrlich: Herrscher wie Adolf Hitler konnten auch ohne digitale Datensammelei ihre Gegner in kürzester Zeit ausrotten. Am Zuverlässigsten beim Denunziantentum sind doch immer noch Nachbarschaft, Verwandtschaft, Behörden und Kollegium. Isso

Also auf die nächsten fünfzehn Jahre! Dank des genialen Schachzugs mit den Datenschutzbestimmungen brauchen wir kaum befürchten, ein neues Netzwerk würde Facebook aushebeln. Facebook wird auch weiterhin viele Innovationen verwirklichen, die uns echten Komfort bieten. Ich habe mich einverstanden erklärt. Hole mir die große Welt in meine kleine Welt. Isso 🙂

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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