Meine Erfahrung mit nebenan.de – Das soziale Netzwerk, das sich im „echten“ Leben trifft

Vor vier Wochen fand ich beim Heimkommen einen Handzettel in meinem Briefkasten: „Liebe Nachbarn, wir würden uns freuen, mehr mit Euch in Kontakt zu treten…mach doch mit bei nebenan.de. Viele Grüße Daniel“.  Da ich schon viel von den neuen Nachbarschafts-Plattformen gehört habe, war ich neugierig. Andererseits hatte ich die Befürchtung, nun plötzlich in eine Community mit Menschen katapultiert zu werden, mit denen ich nichts zu tun haben möchte. Mit Bild, Echtnamen und Straßenangabe identifiziert werden zu können, könnte ja auch riskant sein. Gibt ja nicht nur nette Nachbarn…

Noch am selben Tag erstellte ich mein persönliches Profil für unsere Nachbarschaft der Wittener Innenstadt. Zur Registrierung muss man den Personalausweis kopieren und einsenden. Es ist also kaum möglich, dass sich jemand von außen „hineinzuschummelt“.

Im nächsten Schritt füllte ich mein Profil aus – zunächst noch rudimentär und vorsichtig. Schließlich wusste ich nicht, was mich erwartet. Fühlte sich ein bisschen an wie damals 2004, als ich Mitglied bei Xing (OpenBC) wurde. Da war ich auch zunächst misstrauisch. Ob irgendjemand die Informationen über mich verwenden könnte? Oder wie 2009 bei der Twitter-Registrierung. Ich hatte richtig Angst, ich könnte mit meinem ersten Tweet gegen irgendeine Etikette verstoßen oder mich lächerlich machen…

Vor vier Wochen war unser Innenstadt-Nebenan also noch sehr leer. Ich war eine der Ersten, die es wagten. Heute, vier Wochen später, sind schon 704 (!) Nachbarn zu Mitgliedern geworden und es gibt die ersten Gruppen und Veranstaltungen. Man kann nämlich selbst etwas an Aktivität begründen. Es gab schon Interesse an einem English-Conversation-Treff – und am schnellsten kam die „Hunde-Spaziergang-Gruppe“ zustande. Neben den Gruppen und Veranstaltungen gibt es noch den Marktplatz. Kaufen, Tauschen, Verkaufen… auch hier ist schon Einiges los. Läuft.

Auf der Startseite findet sich alles, was öffentlich (also innerhalb der Nachbarschaft Witten-Innenstadt)  gepostet wird. Gleicht dem Newsstream bei Facebook. Vorsortierende Algorithmen gibt es nicht. Sehr schön zu sehen, wie immer mehr Aktivität entsteht. Soeben finde ich einen Aufruf, zusammen Geocashing auszuprobieren. Ist doch spannend oder? Auch wenn ich selbst keine Zeit und Leidenschaft dafür habe, finde ich die Idee toll.

Alle Nachbarn können sich persönliche Nachrichten schreiben. Man kann alle 704 Profile aufrufen und man kann anhand von angegebenen Interessen die einzelnen Profile sichten. Lustig fand ich einen Post von gestern auf der Startseite: „Wir bekommen am xxx eine riesige Menge Material an unser Haus geliefert. Brauchen viele Menschen, die tragen helfen. Danke im Voraus“. Und darunter kurz und bündig von einer Frau „Wann und wo?“. Ist doch toll oder?

Luzi brachte meine Nachbarin und mich zusammen – danke Luzi!

Ich selbst war kurz in der „Hundespaziergang-WhatsApp-Gruppe“ – doch das wurde mir schnell zuviel. WhatsApp-Gruppen überschwemmen ja gern mit Beiträgen – das habe ich gerade mal zwei Tage ausgehalten. Doch nachdem ich austrat, meldete sich meine Nachbarin „Ich habe gesehen, dass Du aus der WhatsApp-Gruppe ausgetreten bist. Wir wohnen ja direkt gegenüber. Ich selbst habe zurzeit keinen Hund und würde gern mal Deinen Hund kennen lernen“. Wenige Tage später trafen wir uns zu einem laaaaangen Spaziergang. Wir mochten uns gleich gut leiden (es stellte sich heraus, das sie auch vom Stamm der Selbstständigen ist – da versteht man sich eigentlich meistens). Noch am selben Tag bekam sie meine Schlüssel und besucht nun täglich meinen kleinen Hund, wenn ich arbeiten bin. Was für ein Geschenk! Denke, irgendwann machen wir mal einen Filmeabend. Den selben Geschmack bei Filmen haben wir nämlich auch 🙂

Leseempfehlung bei Wired.de: Unbedingt lesen und verstehen!

Noch nicht überzeugt? Heute früh fand ich diesen sehr ausführlichen Nebenan.de Erfahrungsbericht einer jungen Frau aus Berlin bei Wired. Während ich hier noch nüchtern und relativ neutral berichte, ist die Wired-Autorin Jana Peterson schon absoluter Insider bei nebenan.de und (mit Recht) total begeistert.

Social Networks lokal gedacht verändert die Welt ein kleines Stückchen und bringt das Beste des ländlichen Lebens in den urbanen Raum. Es macht Spaß, sich zu helfen und gemeinsam etwas zu unternehmen! Unbedingte Leseempfehlung – und falls Ihre Nachbarschaft noch nicht dabei ist: Selbst die Initiative ergreifen, Zettel ausdrucken, spazieren gehen und die Briefkästen füllen – und sich wieder getrost zurückziehen. Alles Weitere gestaltet sich so, wie die Nachbarschaft es will. Jede Nachbarschaft bekommt das „Nebenan-de“ das sie verdient 😉

Wired.de vom 13. März 2018 : Wir sind’s, deine Nachbarn von nebenan.de

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

10 thoughts on “Meine Erfahrung mit nebenan.de – Das soziale Netzwerk, das sich im „echten“ Leben trifft

  • Reply kok 27. Juli 2018 at 12:10

    Personalausweis kopieren und einsenden? Ernsthaft? Für einen Start-up-Facebook-Verschnitt? Und dann die Frage: Noch nicht überzeugt? Ich hab gerade einiges über gefälschte Profile gelesen, mit denen Nebenan wirbt. Also die dürfen ihre Nutzer verschaukeln und etwas vortäuschen, was nicht ist, aber verlangen selbst Personalausweiskopien? Da frag ich mich: Was bezahlen die für schöne Erfahrungsberichte?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 29. Juli 2018 at 10:29

      Ganz sicher ist der Gründer von nebenan.de, Christian Vollmer http://www.turi2.de/lexikon/christian-vollmann/, kein Philanthrop oder asketischer Altruist – aber ist das nicht gerade von Vorteil? Ist es nicht das Prinzip von fairem Handel, dass alle Seiten davon profitieren, ohne sich aufopfern zu müssen? Die eindeutige Identifizierung per Personalausweis ist Voraussetzung, um Missbrauch zu verhindern und die einzelnen Nachbarn zu schützen. Auch wenn es den Investoren und Managern von nebenan.de darum geht, irgendwann profitabel zu wirtschaften, können die einzelnen Nachbarschaften mit der Plattform Großartiges leisten. Aber ich gebe zu: Wenn es Nachbarschaftsplattformen auf Basis von eingetragenen Genossenschaften gäbe (Wohnungs-eG’s investieren gemeinsam in eine Plattform und generieren durch den Service einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Wohnungsbauunternehmen) wäre das besser. Vielleicht entsteht da ja irgendwann was! Und von der Usability von nebenan.de kann man bei der Entwicklung eine Menge lernen…

  • Reply Sven 15. Mai 2019 at 19:56

    Über dem Titel dieses Artikels fehlt das kleine Wörtchen „Anzeige“. Dass die Autorin eine Expertin für Social Media Marketing ist, entnimmt man jedem Satz dieses „Erfahrungsberichts“. Noch nicht überzeugt?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 19. Mai 2019 at 18:54

      Ja ich bin überzeugt – aber deshalb ist es keine „Anzeige“! Ich bin nicht nur Dozentin für Marketing und Social Media sondern auch Bewohnerin eines Quartiers. Und als solche finde ich es wichtig und richtig, sich digital mit den Nachbarn zu vernetzen. Aber danke für den Kommentar! Da freue ich mich drüber 🙂

  • Reply Ian van Rit 28. Juli 2019 at 13:01

    Das Geschäftskonzept dieser international tätigen GmbH ist rein betriebswirtschaftlich nicht kreditfähig. Die vielen Mitarbeiter, Geschäftsräume, Hardware, Software sind nur mit Nutzung der gesammelten Privatinformationen bezahlbar, wie bei den Kollegen von Google und Facebook. Die Good Hood GmbH gibt auf der nebenan.de Seite an, dass sie sich langfristig über kleine Beträge von den Läden der Nachbarschaften refinanzieren wollen. Gerade in den Nachbarschaften sind die meisten Läden froh, ihre ständig steigenden Gewerbemieten noch zahlen zu können, abgesehen von den Filialen großer Ketten. In Berlin jedenfalls gibt es in den tatsächlichen Wohngegenden vor allem kleine Läden, deren Bilanz meist sehr knapp berechnet ist. Die viel frequentierten Imbissbuden u. ä. gut laufende Geschäfte haben keine Werbung nötig. Die kleinen Buchläden, Antiquariate u.ä., denen mehr Aufmerksamkeit evtl. ein wenig helfen würde, die können ihre am untersten Rand kalkulierten Preise nicht noch durch etliche Reduzierungen herunterschrauben. So etwas können nur die, deren Geschäfte schon gut laufen. Die Plattform ist zudem nicht gut fürs Zwischenmenschliche, da sie wie all diese neuen „menschenfreundlichen“ Dienste online und Daten-basiert ist. Was den Menschen wirklich fehlt, ist ein direktes Miteinander – eben nicht digital vermittelt. Wo gibt es eigentlich noch Freiäume, die nicht digital oder per Kamera erfasst sind? Werden das nicht immer weniger? Wem genau nützt das etwas?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 30. Juli 2019 at 18:35

      Toll, dass Du Dich da so intensiv mit beschäftigst! Ja, Überwachung ist immer und überall… Bin gespannt, wie sich das Geschäftsmodell von nebenan.de entwickelt. Danke für die ausführliche Stellungnahme und liebe Grüße von Eva

  • Reply Christoph 12. Juli 2020 at 15:14

    Nebenan.de ist eine Totgeburt aus gewerblicher Sicht. Als Gewerbe kann man sich ja auch anmelden. Soweit so gut. Allerdings ist man mit kostenlosen Profil im Prinzip nicht sichtbar. Absolut unbrauchbar. Natürlich soll man zahlen. Ab 12 €/ Monat für einen Stadtteil im Monat gehts los. Wird dann schnell teurer wenn man in einer ganzen Stadt sichtbar sein will mit bis zu 39 € im Monat plus MwSt. Klar irgendwie muss es sich finanzieren, aber als günstig oder preiswert sind die Tarif nicht unbedingt einzuschätzen. Die Leute suchen Gewerbe ja eher bei Google als bei dieser Plattform.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 13. Juli 2020 at 12:44

      Ja das hast Du recht. Keine Ahnung, wie bei nebenan.de das Geschäftsmodell profitabel werden soll. Aber da es erfahrene Gründer sind, werden sie sich hoffentlich rechtzeitig die passende Lösung einfallen lassen. Zurzeit ist nebenan.de in erster Linie für die Nachbarn interessant – und ein echter Segen!

  • Reply Gerd S. 11. September 2020 at 13:00

    Sicher ist eine Art der Identifizierung wünschenswert, aber dafür gleich eine Personalausweiskopie einzuschicken, halte ich für ungünstig. Ich lese zunehmend von sogenanntem Identitätsdiebstahl. Man denkt immer in Deutschland könnte einem so etwas nicht passieren,doch in letzter Zeit sind immer mehr Menschen davon betroffen, gerade weil sie ihre Daten so unbedarft weitergeben.

    Ein anderes Manko bei Nebenan ist, dass sich öfters 8-10 Leute zusammenrotten und einzelne Menschen aus ganz anderen Bezirken mobben, ihnen ihre Meinung aufzwingen oder sogar ganz von nebenan.de ausschließen lassen. Im Bekanntenkreis habe ich schon öfters davon gehört und finde es schade, dass sie als Multimediarxpertin so ein Plattform bewerben statt eindringlich davor zu warnen.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 14. September 2020 at 11:42

      Tut mir leid, dass Sie so schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ja, jedes „Tool“ und jede Innovation sind Segen und Fluch zugleich. Werkzeug und Waffe – es kommt immer darauf, was wir daraus machen.

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