Die Jugend und ihre Sehnsucht nach der Apokalypse

In meiner Jugend (Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger) war ich wie viele meiner Altersverwandten überzeugt davon, dass wir in einen sehr baldigen Krieg um Wasser und Öl stürzen werden. Damals hieß unsere Bibel „Friedlich in die Katastrophe“. Der Club of Rome war unser Prophet, wir diskutierten in Schule, Universität und im sozialen Umfeld, ob es überhaupt noch zu verantworten ist, Kinder in eine Welt zu setzen, die schon in wenigen Jahren grausamer und barbarischer wird als das Mittelalter mit Pest und Dreißigjährigen Krieg. 

Heute ist Greta Thunberg die neue Prophetin. Es rührt mich zutiefst, dass unsere damalige „alte weiße Männer haben recht“ Apokalypsen-Vision einem kleinen, autistischen Mädchen Platz gemacht hat. Die Jugend von heute misstraut den etablierten Institutionen. Ihr Vorbild ist ein Mädchen ähnlich einer Jeanne d’Arc. Zwar kein einfaches Bauernmädchen – aber ein Mensch, der seiner Authentizität von Geburt an ausgeliefert ist – dank einer faszinierenden Andersartigkeit: Autisten sind ehrlich und ohne Falsch. Und Mädchen strahlen mehr Fürsorglichkeit und Mitgefühl aus als Jungen.

Warum braucht jede Jugend die Apokalypse?

Schon seit Anbeginn an leben die Menschen in dem Wissen der nahenden Gottesstrafe: Der Mensch ist böse – er muss weg. Meine Mutter lehrte mich schon als Kleinkind bei Gewitter: „Der liebe Gott schimpft“ – und ich kannte viele Gründe, warum er Grund hatte zu schimpfen. Sündig ist der Mensch – und schuld an all dem Bösen, was passiert. Selbst Nihilisten scheinen diese Urschuld in sich zu spüren. Was wäre die Erde vollkommen und freundlich – wenn nur der anmaßende Mensch nicht wäre.

In der Jugend erlebt jeder Heranwachsende das Ende der Kindheit. Egal ob sie der Himmel auf Erden war oder voller Schrecken und Einsamkeit – erwachsen zu werden bedeutet Abschied zu nehmen von machtfreier Kindheit, vertrauensvoller Hoffnung und gläubiger Unschuld. Dieser Abschied tut weh. Wie viele Menschen sehnen sich noch im Alter zurück nach ihrer scheinbar „sorglosen“ Kindheit?

Muss man sich krumm biegen als Erwachsener?

Ich kann mich noch sehr gut erinnern daran, wie aufgewühlt und voller Tatendrang ich war in meiner Jugend. Unbedingt wollte ich die Welt verändern – wollte alles aus den Fugen heben, weil ich mich mit der materialistischen Scheinwelt der Erwachsenen nicht abfinden konnte. Sollte ich so einmal enden? Verheiratet mit zwei Kindern, Haus, Urlaub und einer Arbeit, die mich verbiegt nach dem Motto: „Lieber Gott, mach mich krumm, dass ich in den Staatsdienst kumm“? Was für ein Alptraum!

Revolutionsführer und aufstrebende Diktatoren haben stets diese ohnmächtige Verzweiflung der Jugend genutzt, um den Sieg zu erringen. Von Mao Zedong bis Adolf Hitler wussten sie, dass die ungezügelte Kraft der Jugend eine Vision braucht, um das Erwachsenwerden zu ertragen.

Heute gibt es (gottseidank) gerade keine charismatischen Führer in der westlichen Welt, die den Abschied von der Kindheit für ihre eigenen Weltherrschafts-Verrücktheiten missbrauchen können. Heute leben die jungen Menschen ihren Schmerz und ihre Angst vor der Anpassung aus, indem sie ihr Mitgefühl mit der gequälten Kreatur umwandeln in Protest und politisches Bewusstsein. Möge es lange so bleiben.

Die baldige Apokalypse als Antrieb

Die Angst vor der nahenden Apokalypse ist ein großartiger Antrieb, um Übermenschliches zu erreichen. Das war schon bei den ersten Christen so, die sich reihenweise an Kreuze nageln ließen für ihren Glauben. Das Ende der Welt war nahe und somit stärker als die Angst vor Verfolgung, Folter und Ausrottung. Was sollte ihnen schon passieren? Die mächtigen Römer würden schließlich beim Jüngsten Gericht in die Hölle verdammt – sie hingegen waren dank der Taufe gerettet und würden in Kürze neben Christus sitzen und ewig glücklich leben.

Die Klimakatastrophe und die sündigen Erwachsenen

Heute geht es nicht mehr um das ewige Leben – heute geht es nicht mal mehr allein um den Planeten Erde – heute geht es bei der Apokalypse um den gesamten Kosmos, der durch die Sündhaftigkeit des Menschen dem Untergang geweiht sein könnte. Die Klimakatastrophe wird nicht nur den Menschen ausrotten, sondern alles Leben mit in die Tiefe der Vernichtung ziehen.

Ich selbst glaube an keine Apokalypse mehr – man möge einer alten Frau von sechzig Jahren verzeihen, dass sie das nicht mehr kann. Natürlich haben wir mit unserer Ausbeutung von Mensch, Tier, Pflanze, Luft, Erde und Wasser viel zerstört – doch die Selbstheilungskräfte der Erde sind meiner Überzeugung nach viel viel mächtiger als die Gestaltungsfähigkeiten der Menschen.

Ob wir selbst überleben werden oder nicht, steht auf einem anderen Blatt Papier. Mag sein, mag nicht sein. Doch dass die Erde sich in lebendiger Vielfalt erneuern wird, steht für mich fest. Ehrlich gesagt glaube ich nicht einmal mehr an die Apokalypse für das Menschengeschlecht.

Warum hast Du denn nicht abgetrieben!

Als ich mit 21 Jahren in der Mensa saß mit meinem Freund (Biologiestudent), der seinem Freund (Psychologiestudent) gestand, ich wäre schwanger, antworte dieser entsetzt „Warum hat sie denn nicht abgetrieben!“. Ja, damals hatte ich wirklich ein schlechtes Gewissen, ein Kind in diese dem Untergang geweihte Welt zu setzen. Was war ich für ein gewissenloses Monster! Auch meinem späteren Ehemann war das alles sehr unangenehm…

Passiert ist in den folgenden 40 Jahren nichts. Der Wald sollte sterben und ist nicht gestorben, Die Flüsse sollten ungenießbar werden und sind es nicht geworden. Das Öl sollte verschwinden und ist immer noch da. Tschernobyl war ein Schock – doch meine vier Kinder sind trotz der nuklearen Verseuchung einfach normal groß geworden.

Hurra – die Welt geht unter

Ich finde es toll, dass es diese apokalyptische Gewissheit gibt, weil sie antreibt zu Erneuerung und kreativer Umgestaltung. Ich wünsche mir, dass die Menschen zusammenrücken und gemeinsam neue Lebensformen entdecken, die frei sind von Gewalt und Ausbeutung. Ich wünsche mir eine Welt voller Bildung, Emanzipation, Fleiß und Rücksicht auf alles Schwächere.

Ich glaube, dass wir es schaffen, eine friedliche Welt zu bilden. So wie ich es als Kind geglaubt habe. Lacht mich aus, aber ich wünsche mir, dass ich diesen Glauben bis zu meinem letzten Atemzug treu bleibe. Der Mensch ist gut und es wird nur noch ein paar Jahre dauern, bis auch die letzten Reste Boshaftigkeit verschwinden. Das glaube ich. Fertig.

Ich liebe dieses Lied – und die Kraft und Sehsucht, die es symbolisiert
K.I.Z. – Hurra die Welt geht unter ft. Henning May

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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