Alkohol und Corona: Ab wann ist man Alkoholiker?

Viele Menschen sind schon seit fast einem Jahr geplagt von Angst, Stress, Langeweile, Einsamkeit und/ oder existenzieller Sorge. Außerdem ist Corona eine harte Prüfung für Menschen, denen Kontrolle und Planungssicherheit wichtig ist. Das Leben eben nehmen, wie das Leben eben ist, gelingt nur wenigen. Hinzu kommen noch die vielen Angehörigen von Corona-Schwerstkranken und Verstorbenen – viele konnten vor dem Tod nicht einmal Abschied nehmen von ihren Liebsten. Kein Wunder, dass in dieser schweren Zeit immer mehr Menschen zum Alkohol greifen. Die Berliner Zeitung schreibt im Januar 2021 über das pandemiebegleitende Problem und listet einige Hilfsangebote auf. Doch woran kann ich erkennen, dass ich gefährdet bin?

Ab wann ist man Alkoholiker?

In meiner Kindheit und Jugend war es vor Allem für Männer völlig normal, täglich Alkohol zu trinken. Aber auch Frauen konnten schon mittags Bier, Wein oder Hochprozentiges konsumieren, ohne schief angesehen zu werden. Schaut man alte Krimis oder Komödien aus den 50er und 60er Jahren, kann man diese Selbstverständlichkeit des dauernden Rauschzustandes staunend beobachten. Vom Ohnesorgtheater bis zu „Der Kommissar“ – Saufen war die Normalität – Alkohol-Abstinenzler wurden mit Misstrauen beäugt.

Heute ist die international gängige Definition, dass man eine Sucht in Bezug auf Alkohol erkennt, wenn mindestens drei von folgenden sechs Kriterien zutrifft. DIE WHO hat diese Kriterien folgendermaßen definiert:

Die sechs Kriterien sind

1. Craving (starkes Verlangen Alkohol zu trinken)
2. Kontrollverlust über den Alkoholkonsum bezüglich Beginn oder Menge
3. Toleranzentwicklung gegenüber der Alkoholwirkung
4. Einengung auf das Alkoholtrinken und dadurch Vernachlässigung anderer Interessen
5. Anhaltender Alkoholkonsum trotz eindeutiger schädlicher Folgen (gesundheitlich, psychisch oder sozial)
6. körperliches Entzugssyndrom bei Reduzierung der Alkoholmenge oder Abstinenz

Falls Sie sich selbst prüfen wollen, kann ich Ihnen noch einen Online-Test der Klinik Friedenweiler anbieten, den ich gerade getestet haben (dauert ca 10 Minuten).
Kostenloser Alkohol-Selbsttest Bitte beachten: Trinkt man (wie ich) nie oder fast nie Alkohol, sind die Auswertungen falsch. Dann wird man als „heimlicher“ Alkoholiker eingestuft. Der Test ist wirklich nur für Menschen aufschlussreich, die mindestens einmal wöchentlich ein wenig Alkohol zu sich nehmen.

Meine Befürchtungen durch Corona

Bild von Klaus Hausmann auf Pixabay 

Durch meine berufliche Ausrichtung habe ich mit vielen Menschen zu tun, die gerade große existenzielle Sorge umtreibt. Selbstständige, Kleinstunternehmer, Freelancer, Kreative, Arbeitslose auf der Suche nach einer neuen Anstellung… Sie alle sind natürlich gefährdet, sich irgendwie zu trösten mit einem Suchtmittel, um die Angst ertragen bzw. verdrängen zu können. Ich flehe Euch an, fallt nicht auf diese Gefahr herein! Es fängt harmlos an und wird von Woche zu Woche früher, mehr, womöglich sogar promillehaltiger. Macht bitte den verlinkten Test und nehmt das Problem ernst. Aufhören ist viel viel schwerer als man meint.

Eine weitere Gefahr ist die Langeweile, Einsamkeit, die Öde des ewig gleichbleibenden Tagesablaufs. Immer wieder berichten mir meine Coachees, dass sie so langsam nicht mehr wissen, was sie noch tun sollen, um den Tag so zu gestalten, dass man abends müde und erschöpft einschlafen kann. Homeoffice, frühe Dunkelheit, wenig soziale Kontakte und keine sportlichen Angebote – sehr schnell verfällt man in eine Lethargie, die sowohl dem Körper Schaden zufügt – als auch Seele und Geist. Auch ich werde immer unbeweglicher und gehe viel seltener spazieren als früher – also viel seltener…

Studie: Unglaublich, wie viele Menschen sich regelmäßig betrinken!

Der Global Drug Survey zeigt Jahr für Jahr auf, wie viele Menschen in den verschiedensten Ländern legale und illegale Drogen konsumieren. Da die Online-Umfragen anonym sind und da bereits viel Erfahrung hinter der Studie steckt, halte ich die Ergebnisse für vertrauenswürdig. Auch die ZEIT beteiligt sich in Deutschland an der Online-Studie.
Nähere Informationen zum Global Drug Survey

2019 wurden 90.000 Menschen aus 25 Ländern befragt. Interessant finde ich die Angaben dazu, wie häufig die Studienteilnehmer im Durchschnitt betrunken waren in diesem Jahr (also vor Corona). Betrunken wurde folgendermaßen definiert: „Physische und mentale Fähigkeiten sind durch den Alkoholkonsum massiv beeinträchtigt gewesen“.

Am häufigsten betrunken sind anscheinend die Schotten und die Engländer. Wenn die Studienteilnehmer in Durchschnitt fast 34 Mal im Jahr so betrunken sind, dass die Sprache und/ oder der Gleichgewichtssinn nicht mehr wirklich kontrolliert werden können, verunsichert mich das doch. Es kann doch nicht sein, dass es normal ist, häufiger als alle zwei Wochen extrem berauscht zu sein – oder doch?

Den Schotten und Engländern folgen dann die Australier und Skandinavier – mit mehr als 30 Vollrausch-Zuständen jährlich. Deutsche sind eher zu den nüchternen Völkern zu zählen: Deutsche Teilnehmer waren im Schnitt rund 15 Mal im Jahr schwer betrunken. Das ist ja beruhigend.

Auf jeden Fall hat sich die Zahl der Alkoholexzesse im Corona-Jahr 2020 erhöht. Das kann ich gut verstehen. Langeweile, Isolation, Sinnlosigkeit und existenzielle Ängste verlangen nach Trost und Hilfe. Und gerade bei Alkohol kennt man es ja: Zunächst beginnt man mit einem Glas Wein am Abend, dann beginnt der Abend immer früher, und aus dem einen Glas werden zwei, drei, vier…

Passt auf Euch auf! Alkohol und andere Drogen kommen so harmlos daher wie niedliche Kuscheltiere. Fantasievolle Ausreden produziert unser Verlangen am laufenden Band, wenn es darum geht, die Vernunft zu überlisten. Alkohol ist gesellschaftlich akzeptiert, so dass man kaum auffällt, wenn man immer häufiger in den Keller geht, um sich eine Flasche Wein hochzuholen (die man sich selbstverständlich in reichlicher Menge hat liefern lassen). Achtet auch ein bisschen darauf, ob Eure (gerade auch älteren) Angehörigen immer selbstverständlicher mit Likörchen und Bierchen und Schnäpschen verfahren. Es ist gut, sie darauf anzusprechen anstatt es höflich zu ignorieren. Denn die meisten Alkoholiker glauben erstaunlich lange, dass niemand etwas von ihrer Krankheit mitbekommt.

Niemand von uns kann wissen, wie unsere Welt aussieht, wenn sich der Corona-Schleier hebt und wir die Ausmaße erfassen, die Seele, Geist und existenzielle Basis betreffen. Ich gebe zu, ich mache mir Sorgen. Wer kann schon wirklich mit sich allein glücklich sein? Welche Familie ist wirklich so entspannt, dass sie viele Monate lang auf engem Raum harmonisch die fehlende Abwechslung und soziale Kontrolle heil übersteht? Ok, es ist wie es ist. Machen wir das Beste daraus und kümmern wir uns ein wenig um unsere Nächsten. Sprechen ist immer besser als schweigen. Und wenn es am Telefon ist….

Spiegel online vom 25. Januar 2021: Studienergebnisse – wieviel Alkohol trinkt die Welt?

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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