Liebe ohne Brauchen? Was bleibt dann noch?

Ein Iman wurde gefragt, welchen seiner Söhne er am meisten liebe. Er antwortete: „Immer den, der mich gerade am meisten braucht“. Ich würde gern diese Einstellung auf alle Menschen übertragen, die mir über den Weg laufen: „Welche Menschen liebst Du am meisten?“ „Na die, die mich gerade brauchen!“. Als junger Mensch hatte ich Panik bei dem Gedanken, dass ich all denen ausgeliefert bin, die mich brauchen. Doch heute definiere ich „brauchen“ ganz anders. Ich will mich ja nicht als nützlichen Gebrauchsmenschen definieren, bin ja keine Dienerin, keine Bank, keine Droge. Ich will mit meiner ganzen Persönlichkeit, meinen unzähligen Macken und Egoismen sichtbar sein ohne mich zu verstellen. Und wenn mich dann jemand braucht, ist das kein Gefängnis oder etwas, was mich aussaugt – dann ist es ein Geschenk, gebraucht zu werden! Denn darf ich auch jederzeit „nein“ sagen. Also was soll schon passieren?

Wenn ich bei Google die Wörter „Liebe“ und „brauchen“ eingebe, kommen lauter warnende Beiträge, dass man sich nicht klammern soll an einen Geliebten/ eine Geliebte. Da haben die Autoren selbstverständlich recht. Klammere ich mich an eine Zweierbeziehung bzw. die sexuelle Erfüllung oder den Familienlebensentwurf darin, mache ich mich abhängig, lebe in Angst oder versuche, die Liebespartner meiner Sucht zu manipulieren. Ob Unterwürfigkeit oder Machtausübung, beides ist in Paarbeziehung häufig zu finden. Völlig freilassende Liebesbeziehungen („oh, wie schön, Du verlässt mich wegen eines Anderen! Ich wünsche Euch Beiden alles Glück der Erde“) sind da wohl eher selten. Ich habe da eine ganz andere Frage: Ist das Liebe?

Liebe ist gebraucht zu werden

Für mich ist gefühlte Liebe ein Gefühl von Dankbarkeit, Wärme, Wille, Mut und Opferbereitschaft. Am besten zeigt sich diese Liebe wohl tatsächlich bei einer Mutter. Sie weiß, dass ihre Kinder sie brauchen, und dieses Wissen gibt ihr eine Stärke, die sie über sich hinauswachsen lässt. Droht Gefahr, ist sie ganz klar im Kopf und kann der Situation entsprechend entscheiden und handeln. Sollte das nicht lieber Vorbild für uns sein als die romantisch erotische Liebesbeziehung?

Die ganze Welt zu sehen wie eine unzählig große Schar von eigenen Kindern, das wünsche ich mir für uns alle. Jeden lieb haben zu können, ohne ihn oder sie verwöhnen zu müssen oder ihm und ihr zu Willen sein zu müssen, das wünsche ich mir. Niemanden manipulieren zu müssen weil wir ja froh sind, wenn sie alle ohne uns zurecht kommen, das wünsche ich mir. Liebst Du sie alle, bist Du frei. Liebt Du sie alle, kannst Du auch mal energisch „nein“ sagen, wenn sie etwas von Dir wollen. Denn mit den Antennen der Liebe kannst Du erspüren, ob Du gerade wirklich gebraucht wirst – oder was ansonsten dahinter steckt.

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay 

Mach Dich unbrauchbar

Laotse riet seinen Jüngern, sich so unbrauchbar zu machen wie ein Baum, dessen Holz zu nichts taugt. Die Waldarbeiter lassen ihn stehen und die Vöglein zwitschern in seinen Zweigen. Unbrauchbar zu sein ist der beste Trick, um ein Leben in Liebe leben zu können. Immer wieder aus allen Schubladen springen wo wie ein Fisch aus der Hand gleitet, wenn er festgehalten wird.

Warum gebraucht werden glücklich macht? Weil wir Menschen etwas schaffen wollen, weil wir tätige Wesen sind, weil wir nach Vereinigung suchen zu anderen Menschen. Der Eine will tischlern, der andere Geld vermehren. Die Eine will Kranke heilen, die Andere die Welt verschönern. Doch all diese Leidenschaften sind nichts, wenn sie in Einsamkeit unentdeckt bleiben. Erst die Liebe zu unseren Mitmenschen verleiht unseren Fähigkeiten und Talenten Wert.

Also keine Angst vor der brauchenden Liebe! Lass Dich ruhig brauchen als Jemand, der etwas zu geben hat. Und eins ist sicher: Egal wie stark Du bist, irgendwann kommen Zeiten, wo Du Menschen brauchst. Und getreu dem Satz „Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ wirst Du erleben, wie sich die Welt Dir zuneigt und an Dir Barmherzigkeit und Güte übt. Wahrscheinlich aus ganz anderen Ecken, als Du vermutest. Aber gerade das ist ja so schön: Man kann es nicht planen, nicht benutzen, nicht ansparen… Liebe ist einfach da. Also lass Dich ruhig brauchen, es ist völlig ok 🙂

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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