Laut dem neuen Global Internet Phenomena Report verbraucht allein Netflix 15 Prozent des gesamten Downstream-Volumens weltweit. In den USA sind es zur besten „Fernsehzeit“ sogar 19 Prozent. Betrachtet man alle Streaming-Anbieter von Filmen, Videos und Serien zusammen, entfallen 58 Prozent des Downstream-Traffics auf Netflix, YouTube, Amazon Prime und alle möglichen Video-Anbieter und „Mediatheken“. Und das verteilt auf die verschiedenen Endgeräte. Was bedeutet diese Erkenntnis? FAZ Grafik zum Thema
Das Internet ist eine gewaltige Unterhaltungsmaschinerie. Im Vergleich zu früher, wo die Menschen auf Uhrzeiten und festgelegte Programme angewiesen waren, können sie heute ihre gesamte Medienwelt individuell zusammenstellen.
Ob Musik, Video-Content, Gaming, Social Media, Audio-Programme… wir lernen tagtäglich dazu in unserem Bemühen, den bestmöglichen Medien-Konsum für uns herauszuarbeiten.
Das kann natürlich zu Verdummung und Suchtverhalten führen – es kann aber auch dazu beitragen, dass wir immer sensibler unseren eigenen Geschmack kennenlernen. Wir „gehorchen“ nicht mehr dem, was uns vorgesetzt wird von einer Autorität bzw. einer unerreichbaren Institution – sondern wir wählen selbst aus.
Wohl kein Wunder, wenn wir zunächst wie kleine Kinder agieren und uns verführen lassen. Suchttendenzen haben häufig mit schnellen Kick-Befriedigungen zu tun. Es muss nicht immer eine psychologische Mangelsituation vorliegen. Es kann auch sein, dass wir staunend wie ein kleines Kind auf die blinkenden, einladenden, glückshormonausschüttenden Impulse reagieren und eine Zeit lang darauf „hereinfallen“. Emotionen sind nun mal das Einfallstor für Erinnerungen und Lernprozesse – ist eben so.
Doch ähnlich wie kleine Kinder, die nach wenigen Minuten das ratternde, blinkende Spielzeug zu langweilen beginnt, werden auch wir immer anspruchsvoller darin, das auszuwählen, was unsere Beachtung über längere Zeit verdient.
Netflix-User kennen das. Von Serie zu Serie wird man verwöhnter und sucht ungeduldig nach neuen Kunstwerken, welche die bisher gesehenen noch übertreffen an Qualität, Effekten, Erkenntnissen, Emotionen, Glaubwürdigkeit, Leidenschaft. Oder man beginnt sich bei fiktionalen Serien zu langweilen und steigt um auf Dokumentationen – sozusagen „Schulfunk“.
Astronomie, Psychologie, Geologie, Technik, Kunst, Lifestyle… Es gibt so viel zu entdecken und so viel zu lernen. Das Internet ist vollgestopft mit großartigen Lehren. Wie lange würde man brauchen, um das alles in Büchern in sich aufzunehmen?
Verdummung oder Bereicherung?
Ich bin vielleicht ein unverbesserlicher Optimist, wenn ich behaupte, dass andere Menschen ebenso wie ich in ihrem Wissensdurst und Lerneifer immer höher klettern durch die Errungenschaft des Internets. Doch auch beruflich erlebe ich genau das. Meine Students (manche über 50) erzählen so oft darüber, wie sie sich in verschiedene Thematiken einarbeiten dank des Internets. Ob es innovative Technologien sind oder philosophische Lebenssinn-Diskurse, jeder Mensch hat andere Interessen und findet im Web das, was ihn begeistert.
Für Serverbetreiber ist es natürlich eine große Herausforderung damit umzugehen, wenn Video-Anbieter wie Netflix ihre Internetleitungen verstopfen – doch für uns ist es ein großes Geschenk, abseits von Schule und beruflicher Weiterbildung interessensbasiert unsere Lernlust befriedigen zu können. Ob „Reich und glücklich“ Business-Missionare, Schmink-und Fashion-Influencer, Gaming Streamer oder Komödianten – alle haben ihre Position auf der liegenden Acht.
Je selbstbestimmter und sensibler wir darin werden, unseren „wahren“ Appetit zu erkunden, desto optimistischer macht mich das Ganze. Denn am Ende wollen wir Menschen ja doch alle das Gleiche: Liebe, Gemeinschaft, Freiheit, Erkenntnisse – und Spaß
Quelle golem vom 4. Oktober 2018: Allein Netflix verbraucht weltweit 15 Prozent des Downstream-Volumens